24. Februar 2025
Börsennotierte Unternehmen unterliegen bezüglich ihrer Rechnungslegung strengeren Vorschriften als nicht kotierte Unternehmen. Die Schweizer Börse (SIX) unterhält eine eigene Stelle, welche die Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften überprüft und dabei auch (testierte) Jahresabschlüsse hinterfragen und nachträglich korrigieren lassen kann. Was ist bei der Offenlegung von Fehlern zu beachten und welche Verstösse kommen am häufigsten vor?
Ein im Alltag bei Fehlern resp. Fehlentscheidungen häufig verwendetes Zitat lautet: „Irren ist menschlich“ (vielen ist auch die lateinische Redewendung „errare humanum est“ geläufig). Fehler in der Jahresrechnung können aus den unterschiedlichsten Gründen passieren: Verantwortliche des Jahresabschlusses können beispielsweise Flüchtigkeitsfehler in Form von Rechen-, Zuordnungs- oder Formfehlern machen und so gegen Vorschriften verstossen. Fehler können sich aber auch ereignen, weil Geschäftsfälle ganz einfach zu komplex und/oder äusserst selten sind und deshalb mangels besseren Wissens falsch abgebildet werden. Auch die Komplexität von Rechnungslegungsstandards kann zu Fehlern führen. Zudem können System- oder Applikationsfehler Auslöser für Fehler in der Jahresrechnung sein. Dieses Risiko besteht v.a. bei der Einführung neuer Systeme. Und zu guter Letzt können bewusst Gesetzes- bzw. Regelverstösse provoziert werden, weil Mitarbeitende betrügerische Absichten hegen.
Die Rolle der «Bilanzpolizei»
Die massgeblichen Erlasse für den Schweizer Finanzmarkt schreiben der Börse die Selbstregulierung unter Aufsicht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) vor. In diesem Rahmen ist der Bereich Listing & Enforcement zuständig für die Kotierung und Zulassung von Wertpapieren zum Handel; dies umfasst insbesondere auch die Prüfung der Einhaltung der massgeblichen Vorschriften zur Rechnungslegung. Die Entscheidungen der SIX Exchange Regulation (SER) werden laufend veröffentlicht (Medienmitteilungen) und geben wertvolle Hinweise auf die fehlerhafte Umsetzung von Rechnungslegungsnormen (und auf andere Verstösse gegen die Kotierungsbestimmungen).
Offenlegung von Fehlern gemäss Rechnungslegungsvorschriften
Anders als z.B. die International Financial Reporting Standards (IFRS) regeln Swiss GAAP FER den Umgang mit Fehlern in der Rechnungslegung innerhalb des Rahmenkonzepts und nicht im Rahmen eines konkreten Standards (IAS 8). Das Rahmenkonzept bildet das konzeptionelle Fundament der gesamten Fachempfehlungen, indem es diesen vorgelagert ist. Im Sinne eines Frameworks wird dort die grundsätzliche Ausrichtung des Rechnungslegungsstandards Swiss GAAP FER festgehalten. Regulativ ist es für den Einzel- wie auch für den Konzernabschluss anwendbar. Inhaltlich werden, nebst der Skizzierung der Zielsetzung und Gliederung der Jahresrechnung, auch qualitative Charakteristika der Rechnungslegung dargestellt.
Ziffer 30 des Rahmenkonzepts verlangt unter dem Titel der Stetigkeit (Bewertung, Darstellung und Offenlegung), dass „Fehler in früheren Abschlüssen“ mittels Anpassung der Vorjahreszahlen (quantitativ) zu korrigieren seien und im Anhang erläutert werden müssten. Das Ganze ist als retrospektive Korrektur, im Sinne eines Restatements, darzustellen. Was genau unter einem „Fehler“ zu verstehen ist, wird sehr summarisch und eher knapp umschrieben. Erwähnt wird, dass durch das Weglassen von Informationen und das Aufführen von falschen Aussagen Fehler entstehen können. Als mögliche Ursachen für solche Umstände wird darauf verwiesen, dass Informationen durch die Anwender mangelhaft interpretiert worden sein können. Die Konsequenz dieser Fehler können falsche Beträge oder Mängel in der Anwendung von Grundsätzen der Rechnungslegung sein. Als Grund für Fehler wird das Übersehen oder eine Falscheinschätzung von Fakten erwähnt.
Swiss GAAP FER verlangt in Ziffer 30 des Rahmenkonzepts lediglich, dass die Auswirkungen von Fehlern im Anhang zu erläutern und quantitativ offenzulegen sind. Weitere Vorgaben gibt es nicht. In Anlehnung an IAS 8 sind zweckmässigerweise folgende Angaben offenzulegen:
Zu diskutieren ist allenfalls, wie oft die Offenlegung dieser Angaben zu erfolgen hat. Aufgrund einer fehlenden Bestimmung in den Swiss GAAP FER ist es lediglich einmal nötig, entsprechende Angaben zu machen. Diese müssen in den Folgeperioden nicht wiederholt werden. Auch schreibt Swiss GAAP FER nicht genau vor, an welcher Stelle in der Jahresrechnung diese Angaben zu machen sind; ebenso wird nicht verlangt, bei der Offenlegung explizit die entsprechende Ziffer des Rahmenkonzepts zu erwähnen. Es ist aber davon auszugehen, dass dies im Rahmen der allgemeinen Erläuterungen zu den Grundlagen der Rechnungslegung zu tun ist, um die Übersichtlichkeit der Berichterstattung zu gewährleisten. FER 6/6 weist diesbezüglich ausdrücklich darauf hin, dass Fehler in früheren Jahresrechnungen erläutert und quantifiziert werden müssen.
Häufig anzutreffende Verstösse
Die meisten bei den kotierten Unternehmen monierten Verstösse betreffen eine unrichtige Anwendung der IFRS. Hier scheinen vor allem Akquisitionen, Goodwillbewertungen und Impairment-Tests (d.h. Verfahren zur Überprüfung der Werthaltigkeit von Aktiven aller Art) Probleme zu bereiten. Auch Finanzinstrumente werden teilweise nicht korrekt verstanden und adäquat abgebildet. Verstösse gegen die Normen von Swiss GAAP FER sind etwas seltener; auffällig dabei ist, dass einzelne Anwender die sehr prinzipienbasierten Regeln missverstehen und der Meinung sind, «Regulierungslücken» sehr freihändig schliessen zu können – ein Vorgehen, gegen dies jedoch richtigerweise konsequent vorgegangen wird, wie eine Durchsicht der Medienmitteilungen der SIX zeigt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Fehler nicht unbedingt einen deliktischen Hintergrund haben müssen. Sie können auch durch ein nicht ausreichendes Verständnis der komplexen Regulierungen entstehen. Spannend sind dabei in der Praxis vor allem diejenigen Fälle, bei welchen die SIX anderer Meinung war. Im nächsten Blog, der im April erscheint, werden wir im zweiten Teil auf konkrete Entscheide der SIX näher eingehen.
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