19. Juni 2023

Cybercrime,

Forensics & Investigation

Online-Anlagebetrug – der vereinte Kampf der Schweizer Polizeikorps gegen Kriminelle im Internet

Online-Anlagebetrug – der vereinte Kampf der Schweizer Polizeikorps gegen Kriminelle im Internet

Von Serdar Günal Rütsche und Céline Hamatschek

Kriminelle nutzen die zunehmende Digitalisierung und die unsichere Wirtschaftslage, um Privatanleger auf betrügerische Investment-Plattformen zu locken. 2022 haben Online-Anlagebetrüge gemäss der Polizeilichen Kriminalstatistik im Vergleich zum Vorjahr um 29,2% zugenommen. Der volkswirtschaftliche Schaden ist erheblich, da die Geschädigten oft ihr gesamtes Vermögen verlieren. Die Schweizer Polizeikorps bündeln ihre Kräfte, um Betrügern auf die Spur zu kommen.

In Zeiten niedriger Zinsen und ökonomischer Unsicherheit suchen immer mehr Privatpersonen nach neuen Möglichkeiten, ihre Ersparnisse gewinnbringend anzulegen. Betrüger nutzen dies aus, indem sie die meist unerfahrenen Anleger mit seriös aussehenden Investmentplattformen anlocken. Häufig werden die Opfer über Werbeanzeigen in sozialen Medien auf die betrügerischen Websites gelockt. Denn viele Menschen gehen irrtümlich davon aus, dass eine auf einer vertrauenswürdigen Plattform angezeigte Werbeanzeige auch von dieser Plattform geprüft werden muss. Des Weiteren werben die Anzeigen mit reisserischen Slogans, die suggerieren, dass es sich um einen echten Investment-Geheimtipp handelt.

Der Traum vom vielen Geld

Aussenstehende fragen sich jetzt vielleicht, warum so viele Bürger auf diese Betrugsmasche hereinfallen. Hier spielt die psychologische Komponente des Betrugs eine wichtige Rolle. Viele Menschen haben die Hoffnung, dass auch sie einmal Glück haben und mit einem guten Investment viel Geld machen könnten. Sobald die Täterschaft einmal die Kontaktdaten ihrer Opfer hat, wird erheblicher psychischer Druck ausgeübt. Dazu werden die Opfer regelmässig telefonisch von ihrem «persönlichen Berater» kontaktiert, der oder die fliessend Schweizerdeutsch spricht und mit Hilfe eines detailliert ausgearbeiteten Skripts dazu überredet, (mehr) Geld zu investieren. Sobald Geld geflossen ist, wird vorgegaukelt, dass die Anlage kontinuierlich im Wert steigt – teilweise sogar mit Hilfe einer eigens entwickelten Trading Software oder App, die fiktive Kurse anzeigt. So wird das Opfer dazu gebracht, mehr und mehr Geld einzuzahlen. Teilweise übernimmt die Täterschaft sogar mittels Fernwartungssoftware die Kontrolle über den Computer der Geschädigten, um in deren Namen Online Banking Transaktionen durchzuführen und Konten bei Krypto-Börsen zu eröffnen.

Erst wenn die Geschädigten sich ihre Gewinne auszahlen lassen wollen und der Kontakt zum Berater abnimmt und schlussendlich abbricht, stellen sie fest, dass sie betrogen wurden. Nur ein Bruchteil der Opfer geht zur Polizei, da der Verlust der Ersparnisse an Online-Betrüger mit Scham behaftet ist und viele Geschädigte dies auch vor ihrem persönlichen Umfeld geheim halten wollen.

Viele versuchen dann verzweifelt, ihr verlorenes Geld zurückzubekommen und fallen so ein weiteres Mal auf Betrüger herein ­­­– entweder auf weiteren Investmentplattformen oder auf Plattformen, die vorgeben, das verlorene Geld gegen eine Gebühr zurückholen zu können.

Verstärkte Zusammenarbeit der Schweizer Polizeikorps

Betrugsmaschen wie diese sind in der Schweiz als Online-Anlagebetrug (OAB) bestens bekannt. Jedoch sind derartige Straftaten schwer aufzuklären. Dies liegt insbesondere daran, dass die Täterschaft professionell organisiert ist und aus dem Ausland agiert. In der Regel werden VPN-Anbieter genutzt, um die Herkunft der Täter zu verschleiern. Bei den Zahlungen werden Finanzagenten, sogenannte «Money Mules», und Crypto Mixer eingesetzt, um die Nachverfolgung der Zahlungsströme zu erschweren. Hier ist es wichtig, dass die Ermittler gut geschult sind und «out of the box» denken, um bei erschwerten Ermittlungen weiter am Ball zu bleiben.

Des Weiteren entfällt die Zuständigkeit für die Strafverfolgung in der Schweiz auf die jeweiligen kantonalen Polizeibehörden am Wohnsitz der Geschädigten, sodass eine erfolgreiche Strafverfolgung nur durch gute Zusammenarbeit der Kantone möglich ist.

Speziell für das Phänomen OAB betreiben die Schweizer Polizeikorps im Rahmen eines Pilotprojekts eine nationale Datenbank mit OAB-Fällen. Diese wird durch Analysten des Lage- und Analysezentrums der Kantonspolizei Aargau bewirtschaftet und ausgewertet. Das Ziel ist es, zusammenhängende Fälle zu identifizieren, um die begrenzten polizeilichen Ermittlungsressourcen gezielt und aufeinander abgestimmt einsetzen zu können. Hier kommt NEDIK, das «Netzwerk digitale Ermittlungsunterstützung Internetkriminalität», ins Spiel. In diesem Netzwerk sind alle Schweizer Polizeikonkordate sowie fedpol vertreten. NEDIK hat das Ziel, die Polizeibehörden an einen Tisch zu bringen und zur Koordinierung von Ermittlungen beizutragen. Unter der Leitung der NEDIK-Koordination finden unter anderem regelmässige schweizweite operative Sitzungen zum Thema OAB statt. Wird eine OAB-Serie erkannt, wird diese in den gemeinsamen Sitzungen besprochen und es wird eine Koordinationsgruppe unter Leitung eines Lead-Kantons ins Leben gerufen, um Synergien bei den Ermittlungen zu schaffen. All diese Massnahmen führten in einzelnen Fällen zu erfolgreichen Festnahmen der Täterschaft im In- und Ausland. Weitere Informationen zu Online-Anlagebetrug, Money Mules und anderen Formen von Kriminalität im Internet finden Sie auf cybercrimepolice.ch sowie auf der Website der Schweizerischen Kriminalprävention.

Autor: Serdar Günal Rütsche

Serdar Günal Rütsche arbeitet seit 2020 als Chef der Abteilung Cybercrime bei der Kantonspolizei Zürich und ist auch der aktuelle Leiter des Netzwerks digitaler Ermittlungsunterstützung Internetkriminalität (NEDIK). Bevor er nach Zürich wechselte, war er bei der Kantonspolizei St. Gallen in einer ähnlichen Funktion tätig. Er ist von Haus aus Informatiker und doziert im MAS Economic Crime Investigation zum Thema Cybersicherheit.

Autorin: Céline Hamatschek

Céline Hamatschek arbeitet als Koordinatorin für das Netzwerk digitale Ermittlungsunterstützung Internetkriminalität (NEDIK). Zuvor war sie als interne Revisorin in internationalen Unternehmen tätig. Sie hat einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre und absolviert derzeit ein Zweitstudium in Informatik an der Hochschule Luzern (HSLU).

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