24. Juni 2019
Von Susanne Grau
Der Fall PostAuto hat die Gemüter in der Bevölkerung erhitzt. Die Rede ist von Subventionsbetrug und manipulierten Zahlen. Die Schweizerische Post AG (Post) hat eine interne Untersuchung durchführen lassen und die Ergebnisse zusätzlich von unabhängigen Experten einschätzen lassen. Die Autorin hat dies zum Anlass genommen, die Manipulationen in der Betriebsbuchhaltung näher zu betrachten.
Der Sachverhalt
Die vorliegenden Betrachtungen basieren auf den öffentlich zugänglichen Informationen. Die Post hat den Fall auf Ihrer Homepage dokumentiert, massgebend sind insbesondere der veröffentlichte Untersuchungsbericht und das Expertengutachten.
Aus dem Untersuchungsbericht, dem Expertengutachten und den eigenen Angaben der Post lässt sich ableiten, dass die PostAuto Schweiz AG (PostAuto) im abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehr Subventionen erschwindelt haben dürfte. Ans Tageslicht kam das Ganze im November 2017, als das Bundesamt für Verkehr im Rahmen einer vertieften subventionsrechtlichen Prüfung Unregelmässigkeiten festgestellt hatte. Anzeichen und Hinweise auf unrechtmässige Vorgehensweisen bei PostAuto gab es anscheinend schon früher. Seit dem Jahr 2013 dürfte man mit grosser Sicherheit davon gewusst haben. Geschädigt wurden der Bund sowie die Kantone und Gemeinden, welche als «Besteller» im regionalen Personenverkehr gemäss Personenbeförderungsgesetz die sogenannten geplanten «ungedeckten Kosten» des von ihnen bestellten Verkehrsangebots zu tragen haben. Die Post einigte sich in einer Rahmenvereinbarung bereits mit dem Bund und den betroffenen Kantonen und Gemeinden auf einen Rückerstattungsbetrag von insgesamt 205,3 Millionen Schweizer Franken für die Jahre 2004 – 2018. Unabhängig davon läuft ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Leistungsbetrug unter der Leitung des Bundesamtes für Polizei, nachdem die Bundesanwaltschaft und der Generalstaatsanwalt des Kantons Bern wegen der nach Verwaltungsstrafrecht zu untersuchenden Sachverhalte ihre Unzuständigkeit erklärt hatten. Das Verfahren läuft noch.
Manipulationen in der Betriebsbuchhaltung
Es scheint, dass PostAuto den tatsächlich erzielten Gewinn der abgeltungsberechtigten Sparte Regionaler Personenverkehr verschleiert hat, indem sie diesen mit einer Vielzahl von Buchungen in die Sparte «Übriges» umgebucht hat. PostAuto hat die Betriebsbuchhaltung systematisch manipuliert, falsche Spartenrechnungen erstellt und auf dieser Grundlage unrechtmässige Abgeltungen geltend gemacht. Die Handlungen dürften bereits im Jahr 1998 begonnen haben, als die damalige PTT in die zwei Konzernbereiche Post und Swisscom aufgeteilt wurde. Die Post spricht von einer «unrechtmässigen Buchungspraxis bis 2015» und von «systematischen Manipulationen» . Die Rede ist von «fiktiven Kosten», mit welchen die Spartenrechnungen manipuliert wurden, welche wiederum Grundlage für die Geltendmachung der Abgeltungen bildeten. Im Expertengutachten sind die «Auswirkungen der rechtswidrigen Buchungspraxis» von PostAuto wie folgt zusammengefasst[1]:
Das Expertengutachten spricht von einem «kollektiven menschlichen Versagen»[2]. Interessant ist die folgende Aussage: «Es scheint, als hätte die lange Praxis bei PostAuto dazu geführt, dass von keiner Seite mehr die Rechtmässigkeit der Buchungen ernsthaft in Frage gestellt wurde». Stellt sich die Frage: «Denn Sie wissen nicht, was Sie tun»?
Fehlende Rückstellungen – Bilanzfälschung?
Können oder müssen fehlende Rückstellungen als Bilanzfälschung geahndet werden? Massgebend für die Beurteilung dieser Frage sind die Kriterien der Wahrheit und Wesentlichkeit. In Bezug auf die Rückstellungen beurteilt sich die Wahrheit nach den Grundsätzen ordnungsmässiger Rechnungslegung und den besonderen Vorschriften zu den Rückstellungen. Für die Beurteilung der Wesentlichkeit ist der Adressatenkreis der Jahresrechnung massgebend, welcher sich für seine Entscheidungen auf die Richtigkeit der Angaben verlässt. Ebenso Dritte, welche in ihren Rechten betroffen sein können.
Im Fall von PostAuto dürften die nicht gemachten Rückstellungen für die Rückvergütung ungerechtfertigter Abgeltungen durchaus von wesentlichem Interesse gewesen sein. Ab 2013 bestand ein erhebliches Entdeckungsrisiko und demnach die gesetzliche Pflicht, Rückstellungen für Ereignisse zu bilden, die «einen Mittelabfluss in zukünftigen Geschäftsjahren erwarten lassen». Man wird geneigt sein zu argumentieren, dass es niemandem in den Sinn kommen würde, eine solche Buchung vorzunehmen, weil dies einem Schuldeingeständnis gleichkäme. Die Vertuschung von begangenem Unrecht kann aber nicht als Rechtfertigung herangezogen werden. Rückstellungen sind grundsätzlich auch zu bilden, wenn das vergangene Ereignis eine rechtswidrige Tat ist [3].
Der Untersuchungsbericht kommt zum Schluss, dass die Jahresrechnungen von PostAuto in Bezug auf die fehlenden Rückstellungen in wesentlichem Ausmass falsch dargestellt waren [4]. Darüber hinaus sei aber der Konzernabschluss nur in unwesentlichem Ausmass davon tangiert worden und die Auswirkungen darauf könnten ausser Acht gelassen werden. Argumentiert wird mit quantitativen Verhältniszahlen bzw. dem unwesentlichen Betrag, den die Rückstellungen ausgemacht hätten. Wäre die Information als solche aber nicht gerade im Konzernabschluss von grossem Interesse gewesen – wenn man berücksichtigt, dass die Post in nicht unwesentlichem Ausmass in ihrer Reputation von den Vorgängen bei PostAuto betroffen war?
[1] Expertengutachten, RZ 43ff.
[2] Expertengutachten, RZ 126.
[3] Untersuchungsbericht, RZ 729 und 730.
[4] Untersuchungsbericht, RZ 736.
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