E-Commerce im Food-Bereich – Wachstum und Nachhaltigkeit als Gegenspieler?

E-Commerce im Food-Bereich – Wachstum und Nachhaltigkeit als Gegenspieler?

Autor: Dr. Matthias Schu

Dozent für E-Commerce am IKM und E-Food-Evangelist
+41 41 228 22 66 matthias.schu@hslu.ch

E-Food verzeichnete 2020 enormes Wachstum. Doch wie sieht es mit nachhaltigen Lösungen aus? Vor allem bei der Verpackung zeigen sich grosse Herausforderungen – aber auch grosses Potenzial.

Bereits vor Corona ist E-Food, also der Verkauf von Lebensmitteln im Internet, im DACH-Raum im zweistelligen Bereich gewachsen: Im Schnitt um die 20 Prozent pro Jahr in den letzten Jahren vor Beginn der COVID19-Pandemie. Corona hat dieses Wachstum noch verstärkt und dazu geführt, dass sich der Marktanteil von E-Food innerhalb weniger Monate sprunghaft um 2-3 Prozentpunkte nach oben verschoben hat. Und auf diesem Niveau die kommenden Jahre weiterwachsen wird. So stiegen beispielsweise in Deutschland allein im 3. Quartal 2020 die Umsätze bei E-Food um mehr als 50 Prozent auf 633 Mio. Euro.

Lebensmittel werden auch in Zukunft im Internet gekauft

Neben den bisherigen Treibern für E-Food wie Einfachheit, Convenience, kein Schleppen der Einkäufe oder Zeitersparnis, ist durch Corona ein weiterer, neuer Treiber hinzugekommen: Kontaktvermeidung. Aber auch die Suche der Konsumenten und Konsumentinnen nach alternativen Einkaufsmöglichkeiten. Waren bisher landläufig Skepsis und Misstrauen hinsichtlich Frische und Qualität der bestellten Waren in den Köpfen der Kundinnen und Kunden vorherrschend, konnte diese Skepsis auch in Zeiten erhöhten Bestellvolumens durch die Anbieter von Lebensmitteln im Internet ausgeräumt werden. Das führte dazu, dass sämtliche Anbieter europaweit in ungeahntem Ausmass überrannt wurden. Zudem stellten die Konsumenten fest, wie angenehm das Bestellen von Lebensmitteln und die Lieferung an die Wohnungstüre sein kann. Es ist davon auszugehen, dass E-Food durch die Corona-Pandemie nicht nur einen bedeutsamen Schub nach vorne erhalten hat, sondern weiterhin auf zweistelligem Niveau wachsen und einen ernstzunehmenden Marktanteil in Deutschland erreichen wird.

Herausforderung Verpackung

Doch neben dem oft betitelten Thema «mehr Lieferverkehr durch mehr E-Commerce» kommt noch einem weiteren Thema eine stetig wachsende Bedeutung zu: Der Verpackung. Egal ob Transport oder Produktschutz, die Verpackung hat gerade im E-Commerce mit Lebensmitteln wichtige Funktionen. Dabei gibt es generell zwei Herausforderungen mit wachsender Bestellmenge: Kosten für Verpackungsmaterial auf Händlerseite sowie das Thema Verpackungsmüll auf Kundenseite.

Fakt zur Verpackung aus der Onlinehändlerbefragung:

«Ein Drittel der befragen Onlineshops verzichtet bereits auf Stopfmaterial oder Plastik»

Thomas Wozniak, Studienleiter der Onlinehändlerbefragung 2020, (www.hslu.ch/e-commerce)

Im klassischen stationären Handel kommissioniert der Kunde im Laden quasi selbst und organisiert den Transport seiner Waren zu sich nach Hause. Onlinehändlerinnen und -händler stehen vor der Herausforderung, die kommissionierten Produkte einerseits möglichst günstig und andererseits möglichst in optimalem Zustand beim Kunden abzuliefern. Die Verpackung spielt hierbei eine grundlegende Rolle. Insbesondere die verschiedenen Temperaturbereiche für Lebensmittel, wie bspw. minus achtzehn Grad für TK-Produkte, sechs Grad für frische Milch oder zwischen fünf und fünfzehn Grad für Obst und Gemüse, und damit die korrekte Einhaltung der Kühlkette stellen komplexe Anforderungen an die Verpackungsgestaltung dar. Zudem existieren teils komplexe gesetzliche Rahmenbedingungen hinsichtlich der Transportansprüche an die Verpackung – so dürfen bspw. Waschmittel oder bestimmte Putz- und Reinigungssubstanzen nicht direkt mit den Lebensmitteln zusammen transportiert werden, sondern Aufgabe der jeweiligen Verpackungslösung ist es, diese zu räumlich voneinander zu trennen.

Kunden wünschen sich nachhaltigere Lösungen

Aus Kundensicht steht aber noch eine weitere Herausforderung an die Verpackung im Raum: Das Thema Müllvermeidung. Gerade in Zeiten des Lockdowns und einer Explosion der Bestellvolumina in allen Handelsbranchen wird immer stärker auch der Ruf nach Vermeidung von Verpackungsmüll und nachhaltigen Verpackungen laut. Gerade hier stehen die Händler dann in der Pflicht, mit entsprechenden Lösungen diesem Kundenwunsch nachzukommen.

Daher verwundert es nicht, dass Nachhaltigkeit inzwischen nicht nur aus Kundensicht ein wichtiges Thema geworden ist, sondern verstärkt auch im Bewusstsein von Händlern ankommt. Hier ist durchaus der Wille erkennbar, bisherige Strategien zu ändern und auf ökologisch kompatiblere Verpackungen zu setzten. Sei es einerseits durch Reduktion des Verpackungsmülls und passgenauere Grössen der Transportverpackungen statt Einheitskisten mit denen unter Umständen auch viel Luft transportiert wird. Oder andererseits durch Einsatz von Verpackungen aus Recycling- oder kompostierbaren Naturmaterialien. Auch das ganze Thema Mehrweg sowie wiederverwendbare Kühlelemente statt Trockeneis sind Ansätze, die im E-Food in diese Richtung gehen.

«Fast jeder sechste Onlineshop bietet nachhaltigere Massnahmen (langsamer oder lokal angepasst) oder klimaneutralen Versand ohne Aufpreis an»

Onlinehändlerbefragung 2020, (www.hslu.ch/e-commerce)

Zudem hat sich Nachhaltigkeit auch als schlagkräftiges Verkaufselement im Kundenbewusstsein etabliert, mit dem sich einerseits Mehrkosten rechtfertigen und abwälzen lassen und andererseits auch werblich neue Zielgruppen angesprochen und für eine Bestellung gewinnen lassen. Erfreulicherweise ist für viele Händler und auch Kundinnen und Kunden Nachhaltigkeit von einem «add on» zu einem «must have» geworden. Oftmals zeigt sich, dass nachhaltiges Handeln zwar eine Umstellung von Prozessabläufen mit sich bringt, aber im Endeffekt nicht zwangsläufig teurer sein muss.

Bei Einwegverpackungen zeichnet der Markt einen fortschreitenden Trend hin zu nachhaltigen, recyclebaren oder recycleten Rohstoffen, am besten noch aus zertifiziert angebauten Materialien. Auch wird eine grössere Bandbreite von Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen dazukommen.

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