Retouren im Onlinehandel werden in den Medien derzeit stark diskutiert. Auf der SCORE!-Konferenz lieferte Zalando spannende Einblick in aktuelle und zukünftige Massnahmen zur Senkung der Retourenquote. In einer Masterclass zum Thema Management und Vermeidung von Retouren hat das IKM auf der SCORE! vorläufige Resultate der aktuellen Onlinehändlerbefragung präsentiert. Den Leserinnen und Lesern des IKM-Blogs wollen wir diese Ergebnisse nicht länger vorenthalten.
Seit 2018 analysiert das IKM im Auftrag der Schweizerischen Post den Schweizer Onlinehandel aus Anbietersicht. Die Onlinehändlerbefragungen 2020 und 2021 widmeten sich ganz der Nachhaltigkeit im Onlinehandel. Dabei wurde die Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette untersucht. Das beinhaltete auch Retouren – also von Kundinnen und Kunden zunächst bestellte und dann wieder zurückgesendete Artikel. Im Jahr 2021 haben 3 von 10 Schweizer Onlineshops kostenlose Retouren angeboten. Der Anteil retournierter Bestellungen über alle Onlineshops lag im Durchschnitt bei 7 Prozent. Gut die Hälfte der Onlineshops gab 2021 an, Retouren als Neuware wiederzuverkaufen, knapp ein Viertel zu reduzierten Preisen.
Mit der aktuellen Onlinehändlerbefragung untersuchen wir dieses Jahr gemeinsam mit der Schweizerischen Post schwerpunktmässig das Management und die Vermeidung von Retouren im Schweizer Onlinehandel. Dies geht weit über die Erfassung von Retourenquoten und Verwertungsformen hinaus. Die Feldphase der Befragung haben wir erst kürzlich abgeschlossen. Allen Studienteilnehmenden sei an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön ausgesprochen!
Bereits am 1. Juni haben Thomas Wozniak und Michael Nussbaumer (Leiter CAS E-Commerce Management an der Hochschule Luzern) in einer Masterclass auf der SCORE!-Konferenz in Zürich erste vorläufige Resultate präsentiert. Eine passende Steilvorlage zu unserer Masterclass bot dabei das vorgängige Keynote-Referat von Florian Jodl, General Manager DACH von Zalando. Der Online-Modehändler hat nach eigenen Angaben eine Retourenquote von 50 Prozent.
Ein Drittel dieser Retouren sei grössenbedingt. Aktuell setzt Zalando auf sogenannte SizeFlags und Grössenempfehlungen, wenn man im Onlineshop eingeloggt ist. SizeFlags sind Grössenhinweise auf der Artikelseite, die auf Retourendaten basieren (siehe Abbildung 3). Mit derartigen Massnahmen konnte Zalando nach eigenen Angaben im Jahr 2021 ganze 10 Prozent der grössenbedingten Retouren reduzieren.
Wer wissen will, was Zalando in der Zukunft noch vorhat, wird bereits in der Vergangenheit fündig. Im Herbst 2020 hat Zalando das Zürcher Start-up Fision übernommen. Fision bietet 3D-Bodyscanning an, womit Onlineshopper ein digitales 3D-Profil es eigenen Körpers anlegen können. Auf dieser Basis können sie viel präzisere Grössenempfehlungen erhalten. Konkret verfolgt Zalando nach eigenen Angaben ein Body Measurement mit nur zwei Profilfotos als 80/20-Lösung sowie einen Virtual Dressing Room, welcher mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein detaillierteres Bodyscanning abgestützt ist. Mit einem dedizierten Tech Hub im Zürcher Prime Tower will Zalando entsprechende Aktivitäten von ca. 200 Mitarbeitenden bündeln.
Die Aktivitäten von Zalando zeigen, dass Onlinehändler ganz unterschiedliche Massnahmen ergreifen können, um hohen Retourenquoten beizukommen. Der aktuelle Stand der Umsetzung von Vermeidungsmassnahmen in der Schweiz ist Teil unserer diesjährigen Onlinehändlerbefragung. Doch wie sieht es erst einmal mit den aktuellen Retourenquoten im Schweizer Onlinehandel aus? Gemäss unseren vorläufigen Ergebnissen beträgt die Retourenquote im Schweizer Onlinehandel bei einzelnen Unternehmen bis zu 60 Prozent. Zirka ein Drittel hat eine Retourenquote von 1 Prozent. Jedoch haben 4 von 10 Onlineshops Retourenquoten von 5 Prozent und mehr.
In der einschlägigen Literatur wird von drei generischen Typen von Retourenmanagement-Programmen ausgegangen, die sich hinsichtlich typischer Ziele und Massnahmen sowie den Anforderungen unterscheiden (siehe Abbildung 3). Typ 1-Programme werden demnach vorwiegend von kleineren Onlineshops verfolgt und zielen auf die Reduktion von Retourenvolumen und -kosten ab. Typ 2-Programme versuchen den Kompromiss aus Retourenreduktion und Kundenzufriedenheit. Typ 3-Programme setzen fokussiert auf Kundenzufriedenheit. Zalando verfolgt ein Typ 3-Programm. Nach unseren vorläufigen Resultaten ist die Steigerung der Kundenzufriedenheit für 57 Prozent der Onlinehändler ein wichtiges Ziel des Retourenmanagements, gefolgt von der Reduktion des Retourenvolumens (52%; Mehrfachnennungen möglich).
Zur Erreichung dieser Ziele setzen Onlinehändler ganz unterschiedliche Massnahmen ein, die grob als restriktiv oder unterstützend kategorisiert werden können. Eine sehr harte restriktive Massnahme ist beispielsweise der Ausschluss von Viel-Retournierenden, was derzeit von 5 Prozent der Onlinehändler gemacht wird. Monetäre Restriktionen wie Retourengebühren setzen schon 20 Prozent um. Die überwiegende Mehrheit von knapp 80 Prozent setzt unterstützende Massnahmen im Bereich Produktinformation um. Das können beispielweise detailliertere textliche Produktbeschriebe, Fotos der Artikel im Nutzungskontext und Kundenrezensionen sein. Diese Massnahmen haben schlussendlich zum Ziel, das Gap zwischen Erwartung beim online Bestellen und der realen Produkterfahrung nach der Lieferung zu minimieren. Je kleiner dieses Gap ist, desto zufriedener sind die Kundinnen und Kunden mit dem gelieferten Produkt und sehen keine Notwendigkeit darin, es zurückzusenden. Eine weitere bisher von lediglich 11 Prozent eingesetzte unterstützende Massnahme sind verhaltenspsychologische Interventionen, die auch als sogenannte Nudges („Anstupser“) bekannt sind. Hierbei werden während dem Bestellprozess Informationen ausgespielt, die auf beispielsweise ökologischen Folgen von Retouren hinweisen.
Retourendaten geben Unternehmen nicht nur Auskunft über die Entwicklung des Retourenvolumens vom eigenen Onlineshop, sondern dienen auch als Basis zur Identifikation von Retourengründen und ermöglichen damit schliesslich die Ableitung von wirksamen Vermeidungsmassnahmen, wie die SizeFlags von Zalando zeigen. Nach unseren vorläufigen Resultaten nimmt einer von 5 Onlineshops nur sporadische Auswertungen zu Retouren vor, fast 3 von 10 analysieren Retouren kontinuierlich (z.B. für ein Reporting) und 22 Prozent nutzen Retourendaten zur gezielten Identifikation von Retourengründen. Lediglich 9 Prozent prognostizieren die eigenen Retourenquote, was zur Planung von Personal und Lager zur Bearbeitung der Retouren hilfreich sein kann.
Diese vorläufigen Resultate der Onlinehändlerbefragung 2022 geben einen ersten Einblick in das Management und die Vermeidung von Retouren im Schweizer Onlinehandel. Im Herbst werden die detaillierten und vollständigen Ergebnisse veröffentlicht. Wer Interesse an den finalen Resultaten hat, hält am besten Augen und Ohren in der Schweizer E-Commerce-Szene offen, schaut regelmässig auf diesem Blog vorbei oder abonniert einfach unseren Newsletter.
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