Nachhaltiges Konsumentenverhalten und Krisenkommunikation – wie passt das zusammen?

Nachhaltiges Konsumentenverhalten und Krisenkommunikation – wie passt das zusammen?

Autorin: Laura Oswald

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, CC Marketing Management, Institut für Kommunikation und Marketing IKM
+41 41 228 99 14 laura.oswald@hslu.ch

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin ist Laura Oswald seit Frühjahr 2021 Teil eines Forschungsteams, welches in regelmässigen Erhebungswellen aufzeigt, wie sich das Konsumentenverhalten der Schweizer Bevölkerung im Hinblick auf Nachhaltigkeit seit Beginn der Corona-Pandemie entwickelt hat.

Als Sonderthema der neuesten Erhebung hat ihre Forschungsgruppe die Reaktion der Bevölkerung auf die Corona-Kommunikation von Bund und Medien untersucht. Normalerweise beschäftigt diese sich mit nachhaltigem Konsumentenverhalten. Wie passt das zusammen? Wir haben uns mit Laura getroffen, um ihr diese Frage zu stellen.

Wie kam es dazu, dass euer Forschungsteam, das sich sonst mit dem nachhaltigem Konsumentenverhalten beschäftigt, die Reaktion der Bevölkerung auf die Krisenkommunikation von Bund und Medien untersucht hat?

Ich gebe dir recht, Nachhaltiges Konsumentenverhalten und Krisenkommunikation scheinen auf den ersten Blick zwei Paar Schuhe zu sein. Dazu muss ich auch erwähnen, dass wir in unserer Studie ansonsten oft den Fokus auf die ökologische Nachhaltigkeit setzen, also zum Beispiel beobachten, wie häufig Schweizer:innen mit dem Auto unterwegs sind, wie stark sie darum bemüht sind, Abfall zu trennen oder auch, wie sehr sie auf die Regionalität von Produkten achten.

Vertiefte Einblicke in das Verhalten der Konsument:innen im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit zu gewinnen, ist uns ein sehr wichtiges Anliegen. Schliesslich steht unsere Gesellschaft mit dem Klimawandel, dem Verlust an Biodiversität und der allgemeinen Umweltzerstörung vor grossen Herausforderungen. Um diesen zu begegnen, braucht es grundlegende Veränderungen. Hier sind vor allem die Industrie, Politik und Landwirtschaft gefragt. Aber auch in unserer Gesellschaft, unserem Mobilitätsverhalten und bei der Energienutzung muss sich viel ändern.

Hoffnung macht, dass viele Konsument:innen nachhaltigen Verhaltensweisen gegenüber positiv eingestellt sind. Problematischer ist allerdings, dass wir in der Forschung oft sogenannte «Attitude-Behavior-Gaps» beobachten.

Du sprichst von «Attitude-Behavior-Gaps». Was meinst du damit?

Damit ist gemeint, dass es Konsument:innen trotz positiver Einstellungen und Absichten häufig schwer fällt, aus Worten Taten folgen zu lassen. Aus diesem Grund spricht man hier teilweise auch von einem «Word-Deeds-Gap». Zum Beispiel haben die Befragten häufiger vor, bei ihren Einkäufen auf fairen Handel zu achten, als sie dies tatsächlich umsetzen. Wir können dies anhand des Vergleichs der Messungen, die jeweils ein halbes Jahr auseinanderliegen, sehen. In unserem Team überlegen wir uns dann konkrete Schritte, mit denen die «Gaps» überbrückt werden können und setzen diese zusammen mit Nachhaltigkeitsorganisationen und -initiativen in der Praxis um, überprüfen sie und passen sie gegebenenfalls an.

Interessanterweise konnten wir für einzelne Verhaltensweisen aber auch «umgekehrte» Attitude-Behavior-Gaps identifizieren. Manchmal verhalten wir uns also doch nachhaltiger, als wir meinen würden. Zum Beispiel konsumieren Schweizer:innen häufiger regionale Produkte, als sie zuvor in Selbsteinschätzungen angeben hatten und fahren öfter mit dem ÖV zur Arbeit, als sie zuvor gedacht hätten. Hier spielt sicherlich auch der Einfluss der Coronasituation und die zeitweise strikteren und dann doch wieder weniger strikten Massnahmen eine Rolle. Die externen Gegebenheiten haben sich, gerade in den Corona-Hochphasen, immer wieder schnell verändert, was Prognosen für die Zukunft erschwerte und sicher auch einen Teil der Abweichungen zwischen beabsichtigtem und tatsächlichem Verhalten erklärt.

Nun aber zurück zu deiner ersten Frage – warum beschäftigen wir uns mit der Krisenkommunikation? Wie du gemerkt haben wirst, bin ich bisher viel auf Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit eingegangen. Diese ist, wie zuvor erwähnt, sehr wichtig, aber bei Nachhaltigkeit geht es nicht nur um Ökologie, sondern Nachhaltigkeit bezieht sich auch auf ökonomische und soziale Aspekte. Mit der aktuellen Sondererhebung wollten wir den Fokus auf die soziale Nachhaltigkeit setzen.

Wie hängen denn ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit zusammen?

Es gibt verschiedene Erklärungsmodelle, die sich darin unterscheiden, wie hoch der Stellenwert der einzelnen Dimensionen ist. Etwa sagt das Integrative Nachhaltigkeitsmodell aus, dass die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit miteinander in Wechselwirkung stehen und langfristig ausgewogen sein sollten. Daneben gibt es das Vorrangmodell der Nachhaltigkeit, welches die ökologische Nachhaltigkeit als übergeordnetes Ziel betrachtet, der Annahme folgend, dass der Schutz unserer natürlichen Lebensbedingungen ökonomische und soziale Stabilität voraussetze.

Und was genau beinhalten die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit?

Mit ökonomischer Nachhaltigkeit ist zum Beispiel gemeint, nachhaltig zu wirtschaften, dabei aber nicht die Profitmaximierung als einziges Ziel zu betrachten, sondern so zu handeln, dass auch für kommende Generationen kein Schaden entsteht.

Bei der sozialen Nachhaltigkeit steht der Mensch und dessen Würde im Vordergrund. Hierbei geht es beispielsweise um gemeinwohlorientiertes Handeln, soziale Gerechtigkeit, Sicherheit und die freie Entfaltung der Persönlichkeit.

Und in welchem Zusammenhang steht das mit eurer Sondererhebung?

Hierauf wollten wir mit der Sondererhebung zu Reaktionen der Bevölkerung auf die Krisenkommunikation seitens Bund und Medien den Fokus setzen. Nachhaltigkeit und Demokratie sind nämlich eng miteinander verbunden. Um die Transformation in Richtung mehr Nachhaltigkeit, auf deren Notwendigkeit ich vorhin eingegangen bin, zu erreichen, ist es wichtig, dass wir alle an einem Strang ziehen. Das funktioniert nur, wenn wir anpassungsfähige, demokratische Prozesse und Vertrauen in die Politik und Medien haben.

Aktuell lösen globale gesellschaftliche Themen wie Corona, der Klimawandel, geopolitische Konflikte, Digitalisierung und Robotisierung weltweit Sorgen und Ängste aus. Gleichzeitig sind heutzutage Falschinformationen im Internet leider sehr präsent. Viele Menschen wünschen sich in diesen Zeiten Orientierung und Austausch und so können Falschinformationen auf fruchtbaren Boden fallen und sich in hohem Tempo verbreiten.

Welchen Einfluss haben Fehlinformationen auf unsere Gesellschaft?

Für eine funktionierende Demokratie ist es unabdingbar, dass gesellschaftliche und politische Probleme öffentlich und frei diskutiert werden. Dies wird jedoch erschwert, wenn die Meinungen der Bürger:innen von Falschinformationen beeinflusst werden. Fake News können das Vertrauen der Bürger:innen in die Parteien, Politiker:innen und Medien untergraben und zu Politikverdrossenheit führen. Auch gefährden sie unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, da auf Grundlage von gezielten Fehlinformationen eine Vorstellung von gesellschaftlichem Zusammenleben entwickelt wird, welche nicht der Realität entspricht (EKR 2021).

Zu welchem Ergebnis seid ihr bei eurer Studie gekommen bzw. wie zufrieden ist die Bevölkerung mit der Krisenkommunikation des Bundes?

Unsere Studienergebnisse zeigen, dass 59 Prozent der Bevölkerung zufrieden mit der Krisenkommunikation während der Corona-Pandemie sind. Jedoch konnten wir auch feststellen, dass Personen, die misstrauisch gegenüber der Kommunikation seitens Bund und Medien und unzufrieden damit sind (diese Personengruppe macht 17 Prozent der Befragten aus) sich auch deutlich schlechter integriert in die Gesellschaft fühlen als diejenigen Personengruppen, die mit der Krisenkommunikation zufrieden sind. Dies kann unmittelbare Auswirkungen auf das Verhalten zur Folge haben. Zum Beispiel belegen bestehende Studien, dass regierungskritische Menschen sich weniger aktiv an politischen Prozessen beteiligen und Menschen, die den Klimawandel als Lüge abtun, sich weniger umweltschonend verhalten. Ausserdem droht durch die unterschiedlichen Reaktionen auf die Massnahmen in einer Krise die Gefahr des Auseinanderdriftens der Gesellschaft.

Also würdest du sagen, dass die Gesellschaft sich gerade auseinanderlebt?

Ob die Gesellschaft durch die Corona-Krise auseinanderdriftet, untersucht unser Forschungsteam schon seit dem Ausbruch der Pandemie in der Schweiz im Frühjahr 2020. Im Dezember 2020 berichteten wir darüber, dass wir ein Auseinanderdriften der Gesellschaft nach dem ersten Lockdown feststellten. Im Vergleich zum Winter 2020 zeigen die Daten aus der aktuellen Erhebung, dass das wahrgenommene gesellschaftliche Auseinanderdriften parallel zu den reduzierten Corona-Massnahmen wieder zurückgegangen ist. Zum Beispiel stimmten im Dezember 2020 73 Prozent des schweizweit repräsentativen Samples der Aussage zu, dass die Corona-Krise dazu führt, dass sich die zwischenmenschliche Distanz vergrössert, im Vergleich zu 60 Prozent bei der neuesten Erhebung im April / Mai dieses Jahres. Diese Tendenz beobachten wir auch bei den Einschätzungen zu weiteren Aspekten des gesellschaftlichen Auseinanderdriftens, mit einer Ausnahme: In der neuesten Erhebung gab es einen grösseren Anteil an Befragten, die der Aussage zustimmten, dass die Menschen weniger tolerant miteinander umgehen (57 Prozent im April / Mai 2022; 51 Prozent im Dezember 2020). Das gegenseitige Verständnis für unterschiedliche Meinungen ist also weniger geworden, obwohl gerade dieses wichtig wäre, um auch Andersdenkende in konstruktive Debatten einzubinden und der Gefahr des sozialen Auseinanderdriftens proaktiv entgegenzusteuern.

Danke für die spannenden Einblicke in eure Forschungsarbeit. Wie geht es nun weiter mit eurem Projekt?

Unser Forschungsprojekt läuft noch bis Ende des Jahres. Die sechs geplanten Messungen sind abgeschlossen und wir sind aktuell dabei, die langfristigen Veränderungen auf Basis der Daten von zwei Jahren zu eruieren und konkrete Schritte abzuleiten, wie diese zukünftig genutzt werden können, um zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Dabei behalten wir aktuelle Veränderungen, wie zum Beispiel die geopolitische Lage natürlich im Auge. Zum Beispiel konnten wir in unserer neuesten Messung feststellen, dass die Sorgen darum, bei der Arbeitsstelle oder im Studium zu erkranken mittlerweile parallel zu den niedrigeren Corona-Fallzahlen gesunken sind (der Anteil an Personen, die sich hierüber häufig Sorgen macht, liegt bei 12.5 Prozent im Dezember 2020, verglichen mit 7.1 Prozent im April / Mai 2022). Gleichzeitig sind aber die finanziellen Sorgen gestiegen (im Dezember 2020 machten sich hierüber 15.4 Prozent der Befragten Sorgen, im April / Mai 2020 liegt der Anteil bei 20.3 Prozent). Nicht verwunderlich, im Anbetracht der steigenden Energiepreise, von denen auch die Schweiz betroffen ist.

Ausserdem sind wir weiterhin dabei, unsere Forschungsergebnisse auch Praxispartner:innen zugänglich zu machen und unterstützen ihre Nachhaltigkeitsinitiativen. Denn es liegt nicht nur an mangelndem Wissen, dass unsere gesellschaftlichen Probleme noch lange nicht gelöst sind, sondern auch an der Umsetzung von Ideen, die in den nächsten Jahren stark gefordert sein wird, wenn wir die gesetzten Klimaziele erreichen wollen. Wir integrieren unsere Forschungsergebnisse auch in die Lehre, um das Bewusstsein der Studierenden für Nachhaltigkeitsthemen zu stärken, damit sie als zukünftige Entscheidungsträger:innen verantwortungsvoll handeln und Nachhaltigkeitsüberlegungen in ihre Entscheidungen integrieren.

Eidgenössische Kommission gegen Rassismus EKR (2021). TANGRAM 45 Verschwörungstheorien, Fake News und Rassismus. https://www.ekr.admin.ch/publikationen/d108/1362.html

Haase (2020). Die Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie, Soziales. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-31220-6_4

Schwill (n.d.). Nachhaltigkeitsmodelle. https://klimaschutz.neustadt.eu/Ziele-Umsetzung/Klimawandel-Nachhaltigkeit/Nachhaltigkeitsmodelle/index.php?NavID=3188.24.1, abgerufen am 18.08.2022

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