Die Bedeutung der Konsument:innenpsychologie bei der Bewältigung des Klimawandels

Die Bedeutung der Konsument:innenpsychologie bei der Bewältigung des Klimawandels

Dieses Jahr wird erneut zu den wärmsten in der Geschichte zählen. Um dem entgegenzuwirken, reicht technischer Fortschritt allein nicht aus. Wir müssen das Verhalten und die Entscheidungen der Menschen verstehen und berücksichtigen. Ein laufendes Forschungsprojekt* des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich zu intelligenten Stromzählern illustriert dies.

Die Energiestrategie 2050 ist ein Meilenstein in der Bemühung, Energieeffizienz zu steigern und Ressourcen zu schonen. Ein zentraler Aspekt dieser Strategie ist der schrittweise Austausch herkömmlicher Stromzähler gegen intelligente Zähler, die sogenannten Smart Meter. Diese sollen nicht nur den Stromverbrauch messen, sondern auch den Endverbraucher:innen kostenlosen Zugang zu ihren Verbrauchsdaten ermöglichen. Doch die Einführung dieser Technologie allein reicht nicht aus, um das gewünschte Ziel zu erreichen: die Verhaltensänderung hin zum Energiesparen. Hier kommt die Konsument:innenpsychologie ins Spiel, welche dieses Ziel in drei Schritten unterstützen kann.

Ein vertieftes Verständnis für die Zielgruppen der Smart Meter entwickeln:

Traditionell werden Zielgruppen oft anhand soziodemografischer (z.B. Alter und Geschlecht) und geografischer Merkmale (z.B. Wohnort) segmentiert. Doch psychosoziale Faktoren spielen eine entscheidende Rolle. Nur wenige Segmentierungen berücksichtigen diese. Um effektive Interventionen zu entwickeln, ist es essenziell, die psychosozialen und verhaltensbezogenen Faktoren zu verstehen, die das Energieverhalten beeinflussen. Bezüglich Energiekonsum konnten in einer Studie sechs Energiekonsumententypen unterschieden werden – unter anderem die Gruppe der «idealistischen Energiesparer:innen» und der «geizigen Energiesparer:innen». Während sich beide um ein sparsames Verhalten bemühen, ist es bei der ersten Gruppe durch ein erhöhtes Energiebewusstsein bedingt, bei den «Sparfüchsen» stehen jedoch finanzielle Erwägungen im Vordergrund.[1] Dies illustriert, wie dasselbe Verhalten durch unterschiedliche Motive initiiert werden kann.

Zielgruppenspezifische Interventionen definieren:

Verhaltensänderungsforschung zeigt, dass zielgruppenspezifische Interventionen effektiver sind als «one-size-fits-all» Ansätze. Um das Verhalten der Verbraucher:innen erfolgreich zu beeinflussen, müssen Interventionen auf das Individuum abgestimmt sein. Das bedeutet, sie müssen auf die Motive, Einstellungen, Gewohnheiten und das Verhalten der einzelnen Personen zugeschnitten sein.[2] Ausserhalb des Nachhaltigkeitskontextes wurde dies bei den HIV-Präventionsprogrammen wirksam umgesetzt. Dies in der Schweiz mit den LOVE LIFE Kampagnen und jährlich wechselnden Zielgruppen, wie z.B. gleichgeschlechtlichen Paaren, One-Night-Stand, etc..[3] Aber auch im Ausland wie z.B. Indien als «ressourcen-effizienter Weg» zur Prävention eingestuft.[4]

Feldexperimente realisieren:

Um den Einfluss von Smart Metern auf das Verhalten der Verbraucher zu messen, sind Feldexperimente von grosser Bedeutung. Diese können zeigen, wie Menschen tatsächlich auf die Informationen reagieren, die sie über ihre Energieverbrauchsmuster erhalten. Dadurch lassen sich gezielte Massnahmen zur Verhaltensänderung ableiten. Als ungenügend ist die reine Erfragung von Personen einzustufen, ob sie das entsprechende Verhalten zeigen würden. In der Psychologie als «Intention Behavior Gap» bekannt, scheitern beinahe die Hälfte der Personen daran, sich vermehrt sportlich zu betätigen, auch wenn sie Absicht besonders «stark» war.[5] Gründe hierfür können unter anderem bestehende unerwünschte Gewohnheiten, kontextuelle Faktoren wie z.B. Zeitdruck oder auch soziale Einflüsse sein, welche der guten Absicht entgegenwirken und von den Personen selbst unterschätzt oder nicht erkannt werden.

Die Einführung von Smart Metern in der Schweiz ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung, um Energieeffizienz zu fördern. Doch um das volle Potenzial dieser Technologie auszuschöpfen und die Verbraucher tatsächlich zum Energiesparen zu motivieren, ist ein tiefes Verständnis der Konsumentenpsychologie unerlässlich. Das Projekt «SMART» in Zusammenarbeit mit dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich schliesst diese Lücke mit Hilfe der drei oben skizzierten Schritten. Nur wenn Verbraucher:innen die Informationen verstehen, sich mit ihrem eigenen Energieverhalten auseinandersetzen und ihr Verhalten entsprechend anpassen, wird die Energiestrategie 2050 ihren vollen Erfolg entfalten können.

*Das Projekt «SMART» ist durch das Bundesamt für Energie finanziert und wird gemeinsam mit dem ewz, der Abteilung Consumer Behavior der Universität Bern, der The Behavior Lab GmbH und weiteren Forschungspartnern realisiert.

Gilles Chatelain

Gilles Chatelain

Dozent CAS Customer Psychology

Founder & Head of The Behavior Lab

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[1] Sütterlin, B., Brunner, T. A., & Siegrist, M. (2011). Who puts the most energy into energy conservation? A segmentation of energy consumers based on energy-related behavioral characteristics. Energy Policy, 39(12), 8137–8152.

[2] Bird, S., & Legault, L. (2018). Feedback and Behavioral Intervention in Residential Energy and Resource Use: a Review. Current Sustainable/Renewable Energy Reports.

[3] https://lovelife.ch/de/kampagne/

[4] https://naco.gov.in/ngo-targeted-interventions

[5] Conner M, Norman P. Understanding the intention-behavior gap: The role of intention strength. Front Psychol. 2022 Aug 4;13:923464. doi: 10.3389/fpsyg.2022.923464. PMID: 35992469; PMCID: PMC9386038.

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