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Im Panoptikum individualisierter Karrieren

Im Panoptikum individualisierter Karrieren
© Andreas Jäger Fontana

Autor: Andreas Jäger Fontana

Digitalisierung, Globalisierung und demografischer Wandel ermöglichen nicht nur neue Arbeits- und Organisationsformen. Sie verlangen nach ihnen. Gesucht wird dabei die Balance zwischen Orientierung und Offenheit. Sinnstiftung und soziale Verantwortung werden mehr Gewicht haben. Das erklärt die Verschiebung von Anforderungsprofil und Qualifikation hin zu Beitrag und Wirkung.

Die Logik agiler Organisation

Nichts ist mehr in Stein gemeisselt, schon gar nicht errungene Marktpositionen. Organisationen haben sich permanent neu zu erfinden. Starre Strukturen und formale Hierarchien in traditionellen Organisationen scheinen dem Imperativ organisationaler Agilität entgegen zu stehen. Formale Hierarchie heisst immer auch Protokoll, Programmierung oder Routine. Sie reproduziert Vorhersehbares, kann aber nicht mit Unvorhersehbarem umgehen.

Die Logik des Individuums

Nur, in traditionellen Organisationen mit starren Strukturen und Hierarchien haben Mitarbeitende mit traditioneller Karriereorientierung ihr berufliches Fortkommen gesucht und gefunden. Sie konnten auf vordefinierten Pfaden Karriere machen. Vieles deutet darauf hin, dass nachfolgende Generationen mehr Wert auf Sinnstiftung und soziale Verantwortung legen werden als je zuvor. Sie sind immer wieder offen für Neues, gehen ihren Leidenschaften nach, lesen ihren Erfolg nicht an einer Ranglistenposition auf der «Karriereleiter» ab.

«It takes two to tango!»

Im Zuge der organisationalen Transformation hin zu mehr Agilität verändert sich die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen fundamental. Organisationen können im Rahmen ihrer organisatorischen Strukturen immer weniger vordefinierte Karrierepfade anbieten. Mitarbeitende suchen immer weniger nach einer aufsteigenden Abfolge von Position zu Position. Sie suchen nach sinnstiftenden Wirkungsfeldern. Positionen mit Stellenbeschreibungen scheinen für beide Seiten irrelevant zu werden. Die Rhetorik verlagert sich von Anforderungsprofil und Qualifikation hin zu Beitrag und Wirkung.

Wissen müssen, was man wissen muss

Führungskräfte in agiler werdenden Organisationen müssen erkennen und akzeptieren, dass sie als Bezugsperson für ihre Mitarbeiter*innen und deren Karrierewünsche an Bedeutung verlieren. Sie werden zu deren Dienern. Sie können nämlich helfen, sich in der Organisation zurecht zu finden, sich in ihr zu vernetzen. Agile Organisationen ermutigen ihre Mitarbeiter*innen, sich zu profilieren. Dies funktioniert nach dem Vorbild sozialer Medien wie LinkedIn.

Neue Metaphern für agile Organisationsformen

Gareth Morgan hat für die Funktionsweise agiler, netzwerkartiger Organisationen zwei neue Metaphern skizziert: «Zentralnervensystem» und «Medium». Die erste Metapher soll versinnbildlichen, dass Organisationen zusehends zu einem «Panoptikum» werden. Die Notwendigkeit, von Anderen als relevant erkannt zu werden, relativiert zusehends die Bedeutung der Führungsperson als primäre Bezugsperson. Die zweite Metapher soll auf die Medialisierung (auch Mediatisierung) als gesellschaftliches Phänomen hinweisen. Marshall McLuhan spricht vom «Ende der Gutenberg-Galaxis». Im Zeitalter des «Dokumentes» (im Sinne der Verschriftlichung von Wissen und Regelwerken) waren Wahrnehmung und Denken von Autoritäten abhängig. Die von Morgan beschriebenen «electronic-mediated, multi-sensory modes of understanding» reduzieren die Wichtigkeit der formalen Hierarchie. Alle Organisationsmitglieder werden zu wichtigen Sensoren.

Der geeignete Nährboden für individualisierte Karrierewege

Individualisierung von Karrierewegen muss im Gesamtkontext einer Organisation gedacht werden. Führungskräfte müssen ein neues Selbstverständnis ihrer Rolle gewinnen. Die verschiedenen «people practices» sind neu zu konzipieren und aufeinander abzustimmen. Es ist mittlerweile klar, wie Performance Management neu konzipiert werden muss. Treiber und Initiator ist der/die einzelne Mitarbeitende. Vorgesetzte setzen nicht Ziele. Mitarbeiter*innen machen Angebote. Aus den angebotenen Beiträgen und Wirkungen ergeben sich über die Zeit Karrieremuster. «Karriere machen» ist wie das Hinterlassen von Fussspuren im Neuschnee. Personalentwicklung unterstützt Mitarbeiter*innen bei der Selbsterkenntnis, der Standortbestimmung, beim lebenslangen Lernen. Dies bedeutet einen fundamentalen Kulturwandel. Weniger klar ist, wie Vergütungssysteme neu zu gestalten sind. Diese sind nämlich ebenso noch nach dem Prinzip der Ähnlichkeit an Jobfamilien gebunden wie Vergütungsvergleiche mit Konkurrenzunternehmen auch.

Weiterbildungen zum Thema

CAS Change Management
Selbstveränderung – Teamveränderung – Organisationsveränderung

CAS Sustainable Management
Nachhaltige Unternehmens- und Organisationsentwicklung

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