Autor*innen: Elfie Czerny & Dominik Godat
«Zuhören ist wichtig.» Obwohl diese Aussage in Führungskreisen seit Längerem zirkuliert, wissen die wenigsten Führungskräfte, was beim Zuhören wirklich geschieht. Oder wissen Sie, wie Sie mit Ihrem Zuhören in Gesprächen das, was gesagt wird, beeinflussen?
Aussagen wie «Ich habe nichts gemacht, ich habe ja nur zugehört» oder «Meine Mitarbeitenden erzählen mir immer nur von Problemen» verdeutlichen, dass die wenigsten Führungskräfte den Zusammenhang zwischen Zuhören und dem, was erzählt wird, sehen. Und dies, obwohl Zuhören und dessen Auswirkungen wissenschaftlich erforscht sind.
Zuhören wird vielfach als etwas Passives verstanden. Als etwas, das keinen Einfluss auf die erzählte Geschichte hat. Die Forschung der Mikroanalyse von Face-to-Face Gesprächen[1], die mit Videoanalyse erforscht, was in Gesprächen Moment für Moment geschieht, zeigt jedoch auf, dass Zuhören etwas Interaktionelles ist, was wir sichtbar tun.
Als Zuhörende tun wir in Gesprächen vieles:
In der Mikroanalyse nennen wir diese sichtbaren und teilweise auch hörbaren Zeichen, die zeigen, dass wir zuhören, allgemeine und spezifische Zuhörreaktionen. Allgemeine Zuhörreaktionen sind Verhaltensweisen, wie Nicken, «Mhmm» oder Lächeln, die wir auch in anderen Gesprächen verwenden. Spezifische Zuhörreaktionen beziehen sich ganz spezifisch auf den Inhalt des Gesagten. Eine spezifische Zuhörreaktion ist zum Beispiel das Wiederholen eines konkreten Wortes oder Satzteils.
Was wir beim Zuhören tun, ist interaktionell:
Nicht nur vorhandene Zuhörreaktionen beeinflussen das Gespräch. Wenn diese fehlen oder am falschen Ort auftreten, dann kann das ganz schön irritieren.
Sie kennen das ganz sicher: Sie erzählen etwas und die andere Person, die vielleicht am Smartphone oder am Computer beschäftigt ist, reagiert nicht auf das, was Sie sagen – kein Blickkontakt, kein Nicken, keine Zuhörreaktion – oder sie reagiert in komischen Momenten – z.B. mit einem «Mhmm, Mhmm» nach einer Frage von Ihnen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit fragen Sie sich, ob die andere Person Sie hört oder versteht. Vielleicht fragen Sie sogar nach. Mit ganz grosser Sicherheit beeinträchtigen die fehlenden Zuhörreaktionen die Qualität der Geschichte, die Sie erzählen.
Bavelas, Coates und Johnson (2000)[2] zeigten genau dies in ihrer Studie auf. Sie teilten Erzählende in zwei Gruppe ein. Den einen wurde aufmerksam zugehört. Bei den anderen mussten die Zuhörenden die Worte zählen, die mit dem Buchstaben «T» beginnen. Die erzählten Geschichten wurden per Video aufgezeichnet. Die Aufnahmen wurden anschliessend einem Publikum gezeigt, das bewerten musste, wer die besseren Geschichtenerzählenden sind.
Das Resultat überrascht nicht: Die aufmerksam Zuhörenden zeigten normale Zuhörreaktionen, mit denen sie die Geschichtenerzählenden ermunterten weiterzuerzählen. Die abgelenkten Zuhörenden hingegen reagierten weniger auf das Gesagte. Dies führte dazu, dass die Erzählenden, denen nicht aufmerksam zugehört wurde, als die signifikant schlechteren Geschichtenerzählenden bewertet wurden.
Als Zuhörende kollaborieren wir mit unserem Gegenüber. Die Qualität des Erzählens, hat direkt mit unserem aufmerksamen Zuhören zu tun. Wenn Sie gute Geschichten hören wollen, dann müssen Sie aufmerksam zu hören.
Doch worauf sollen Sie Ihre Aufmerksamkeit richten? Auf das, was Sie mehr hören wollen. Zuhören ist etwas, was wir von klein auf lernen und ganz natürlich tun. «Das können wir. Das müssen wir doch nicht extra lernen.», werden Sie nun vielleicht einwenden. Das stimmt einerseits. Andererseits können Sie durch gezieltes Zuhören die Inhalte des Gespräches beeinflussen.
Wir können nicht neutral zuhören. Die Forschung der Mikroanalyse zeigt, dass es einen Unterschied macht, worauf wir hören.[3] Wir hören von Führungskräften oft, dass ihre Mitarbeitenden nur von Problemen sprechen. Wenn wir dann mit ihnen ihre Führungsgespräche analysieren, wird klar, dass sie mit ihrem Zuhören massgeblich dazu beitragen. Sie bestätigen, zum Beispiel mit einem Nicken oder einem «aha», dann, wenn über Probleme gesprochen wird und nicht, wenn die Mitarbeitenden über Ausnahmen oder Ziele sprechen. Dies ermuntert die Mitarbeitenden bei der Problemschilderung weiterzuerzählen. Oder die Führungskräfte nehmen in ihren Aussagen vor allem negative Aspekte des Gesagten auf, anstatt die Worte aufzunehmen, die bereits in eine gewünschte Richtung gehen.
Beispiel 1 aus einer Führungsgesprächsanalyse:
Mitarbeitender: «Momentan läuft es nicht so gut.»
Vorgesetzte bestätigend: «Mhmm»
Mitarbeitender macht bei Problemschilderung weiter: «Es ist eben nicht so einfach, weil…»
Variante:
Mitarbeitender: «Momentan läuft es nicht so gut.»
Vorgesetzte hört auf Ausnahmen: «Momentan? Das heisst es war schon mal besser?»
Mitarbeitender führt aus: «Ja, vor zwei Monaten war es besser…»
Beispiel 2 aus einer Führungsgesprächsanalyse:
Mitarbeitender: «Ich möchte das nicht mehr.»
Vorgesetzte bestätigend: «Ah, ok.»
Mitarbeitender macht bei Problemschilderung weiter: «Ja, weißt du, weil…»
Variante:
Mitarbeitender: «Ich möchte das nicht mehr.»
Vorgesetzte hört auf Ausnahme: «Ah, das möchtest du nicht mehr. Was möchtest du dann?»
Mitarbeitender führt aus: «Ich möchte lieber…»
Hören Sie ganz gezielt auf das, wovon Sie mehr hören möchten. Es lohnt sich! Wenn Sie mehr über Ausnahmen, mehr über bereits Funktionierendes, mehr über die Ziele der Mitarbeitenden oder deren Wünsche, mehr über ihre Erfolge, etc. hören wollen, dann trainieren Sie Ihr Zuhören.
Hören Sie ganz spezifisch auf diese Elemente. Bestätigen Sie diese Elemente in den Aussagen Ihrer Gegenüber mit allgemeinen und spezifischen Zuhörreaktionen. Sie werden sehen, wie sich Ihre Gespräche nach und nach in diese Richtung entwickeln werden.
Weiterbildungen zum Thema
Elfie Czerny und Dominik Godat führen das Zentrum für Lösungsfokussierte Gesprächsführung. Sie erforschen Kommunikation mit Mikroanalyse von Face-to-Face Gesprächen. Sie leiten den Fachkurs Lösungsfokussierte Führung an der Hochschule Luzern, in der dieses Wissen einfliesst.
[1] vgl. z.B. Bavelas, J./Gerwing, J. (2011). The Listener as Addressee in Face-to-Face Dialogue. In: The International Journal of Listening, 25, pp. 178–198.
[2] Bavelas, J./Coates L./Johnson, T. (2000). Listeners as co-narrators. Journal of Personality and Social Psychology. 79(6), pp. 941-952.
[3] Vgl. z.B. Jordan, Sara/Froerer, Adam/Bavelas, Janet (2013). Microanalysis of Positive and Negative Content in Solution-Focused Brief Therapy and Cognitive Behavioral Therapy Expert Sessions. Journal of Systemic Therapies, Vol. 32, No. 3, 2013, pp. 46–59.
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