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Führung und Selbstorganisation – Ein Duo für die Zukunft

Führung und Selbstorganisation – Ein Duo für die Zukunft

Die Welt verändert sich immer schneller. Einhergehend wachsen auch die Anforderungen an Mitarbeitende und Führungskräfte. Die Führung durch Selbstorganisation könnte Abhilfe schaffen und die Unternehmensorganisation revolutionieren. Aber was ist Selbstorganisation und wie führt man ein Team, dass sich selbst organisiert?

Wieso Führung Selbstorganisation braucht

Die Digitalisierung hat die Geschwindigkeit von Veränderungen und Entscheidungen in den letzten Jahren massiv beschleunigt. Dadurch werden viele Unternehmen gezwungen sich anzupassen und sich ebenfalls schnell zu verändern. So werden unter anderem die Produktzyklen kürzer und Kunden anspruchsvoller (Altherr, 2019, S. 1). Auch die Anforderungen an die Mitarbeitenden haben sich gewandelt. Von ihnen wird erwartet, dass sie vernetzt denken und handeln. Sie sollen agil arbeiten und Zusammenhänge ganzeinheitlich verstehen. Die Selbstorganisation bietet hier Vorteile, da sie Motivation, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, den Umgang mit Ressourcen (Zeit, Kosten) und die Selbststeuerungsfähigkeit verstärkt (Fischli, 2020, S.205). Laut zu Knyphausen-Aufsess (1991) kann Selbstorganisation als ultrastabiles System eigenständig Störungen von Führungsgrössen kompensieren und sich verändern (S. 48).

Zudem fordert auch eine neue Generation von Mitarbeitenden selbstbewusst Mitbestimmung und Gestaltungsmöglichkeiten (Altherr, 2019, S. 2). Baumann-Habersack (2019) beschreibt, dass es für junge Menschen, die ein Leben ohne Internet nie kennen gelernt haben, selbstverständlich ist Wissen zu teilen und nicht zu horten. Die Generation Y lässt sich Führung nach Befehl und Gehorsam nicht gefallen. Als Folge verlässt bis zu einem Drittel der jungen Generation ein Unternehmen innerhalb des ersten Jahres bereits wieder (S. 12-13). Eine Folgerung daraus ist, dass Selbstorganisation einen Arbeitgeber auch auf dem Arbeitsmarkt attraktiver macht und junge Talente so langfristig an sich binden kann.

Wie funktioniert die Selbstorganisation

Dieses neue System bedeutet nicht eine Lockerung der bestehenden Regeln. Auch in der Selbstorganisation sind Rahmenbedingungen für Prozesse notwendig. Es erfordert jedoch mehr gegenseitiges Vertrauen, Transparenz und differenziertere Autorität. Einzelne Personen oder Teams sollen eigenständig entscheiden können wie sie zur Erreichung ihrer Ziele am besten vorgehen. Hierzu müssen auch die relevanten Informationen allen beteiligten offen zur Verfügung stehen. Transparenz ist auch wichtig, um das nötige Vertrauen aufzubauen. Kontrolle ist erlaubt und an gewissen Stellen auch notwendig (Fischli, 2020, S. 210). 

Baumann-Habersack (2015) schreibt, dass es auch für Führungskräfte immer noch viel zu tun gibt. So müssen sie nicht nur ihre Mitarbeitenden führen können, sondern auch sich selbst, die eigenen Emotionen und Effizienz. Bei Konflikten sollen sie nicht mehr mit Belohnungen oder Sanktionen reagieren, sondern mit Deeskalation und Wiedergutmachung beitragen. Führungskräfte sollen zudem in jeder relevanten Situation präsent sein. Ebenfalls ist die Bereitschaft notwendig Transparenz herzustellen, speziell dann, wenn dies nicht mit veralteten Machtvorstellungen im Einklang steht. Zuletzt verweist Baumann-Habersack auf die Ausdauer, die von Führungskräften verlangt wird, um die Veränderungen mitzutragen. Denn eine solche Veränderung wird nicht von heute auf morgen geschehen (S. 27). Zu Knyphausen-Aufsess (1991) kann hier passend ergänzen, dass Selbstorganisation als emergentes Phänomen des Systems zu verstehen ist und entsprechend nicht «von oben» befohlen werden kann (S. 48). 

Wieso Selbstorganisation Führung braucht

Gemäss Boris Glogger (2014) ist Selbstorganisation ohne Führung zum Scheitern verurteilt. Zum einen gibt es die Effizienzfalle. Sobald es plötzlich eng am Markt wird setzen die gleichen Reflexe wie früher ein: Kosten senken und die Prozesse straffen. In einem solchen Umfeld gehen Kreativität und Motivation auf Selbstbestimmung schnell verloren. Des Weiteren gelingt es vielen Unternehmen nicht ein Umfeld zu schaffen, welches als lustvoll und spielerisch wahrgenommen wird. Ohne ein solches Umfeld ist das Engagement beeinträchtigt und entsprechend ist ein Arbeitsmodell wie die Selbstorganisation, die ein hohes Mass an Engagement der Mitarbeitenden voraussetzt, nicht erfolgsversprechend. Als dritten Punkt fügt er einen «Generationenkonflikt» an. Baby-Boom-Manager, die eher alte Werte pflegen, treffen auf die Generation Y, die nicht um jeden Preis Karriere machen wollen und viel Wert auf ein ausgeglichenes Leben legen (S. 2-3).

Die Lösung ist gemäss Glogger (2014) ein klares Führungsbekenntnis des Managements. Dies setzt auch bei Selbstorganisation auf Strukturen und Rahmenbedingungen und steht in ständiger Kommunikation mit den Mitarbeitenden. Die Ziele sind jedoch anders als in der klassischen Führung. Die Kernfragen, die sich ein Manager in der Selbstorganisation stellen muss, drehen sich um Punkte wie:

  • Wie kann ich die Mitarbeitenden für die Ziele der Organisation motivieren?
  • Wie schaffe ich die Rahmenbedingungen, die die Mitarbeitenden zur Übernahme von Verantwortung motivieren?
  • Welches Anreizsystem wirkt im Zusammenhang mit den oben beschriebenen Zielen?

Führungskräfte sollen dafür sorgen, dass sich Menschen im Unternehmen durch ihre Arbeit «spüren» und sich anerkannt fühlen. Damit dies gelingt, ist der Manager als Person gefragt und entsprechend zentral sind seine zwischenmenschlichen Fähigkeiten. Damit die oben erwähnten Ziele erreicht werden können, ist eine offene und empathische Kommunikation von entscheidender Bedeutung (S. 4).

Stolpersteine und Gefahren von Selbstorganisation

Gemäss Göbel (2015) werden Autonomie, Chance zur Entwicklung und Anforderungsvielfalt als Motivatoren von selbstorganisierten Teams betrachtet. Dabei wird vorausgesetzt, dass Mitarbeitende zusätzliche und anspruchsvollere Aufgaben übernehmen wollen und können. Die neu geschaffene Freiheit kann zu Beginn der Einführung von selbstorganisierten Teams aber zu Überforderung führen. Zudem geht die Möglichkeit anerkannt zu werden, mit der Gefahr nicht erfolgreich zu sein, einher (S. 223). Dies ist insbesondere gefährlich, wenn man folgende Zahlen betrachtet. Zwischen 93% und 95% der High Potentials in Deutschland, Österreich und der Schweiz überschätzen ihre eigenen Fähigkeiten (Baumann-Habersack, 2015, S. 15). Diese Überschätzung kann dazu führen, dass Teams nicht auf bevorstehende Probleme reagieren und sich rechtzeitig bei anderen Unterstützung suchen.

Ein weiteres Problem besteht gemäss Rosenstiel, Molt und Rüttinger (1995) darin, dass bei ungenügend klaren Verteilungs- und Kompetenzregelungen das Konfliktpotential höher ist (S. 188ff.). Auch strukturelle Regelungen wie Verteilung von Arbeitsmenge, Zuweisung von Sachmittel oder Bestimmung von Arbeitszeiten enthalten erhebliches Konfliktpotential (Göbel, 2015, S. 224). Zuletzt ist es schwierig die Zeit- und Kostenaspekte einer Strukturänderung einzuschätzen. Im Voraus kann nicht eingeschätzt werden, wie viel Zeit benötigt wird, damit eine selbstbestimmte Lösung auf einen allseitig akzeptierten Konsens stösst (Göbel, 2015, S. 227).

Schlusswort

Die Selbstorganisation bietet viele Vorteile für Unternehmen und deren Angestellten. Die Umstellung auf die neue Organisationsform birgt zwar einige Schwierigkeiten und sollte nicht unterschätzt werden. Auch Führungskräfte sind gefordert, da sich ihre Aufgaben vermehrt in Richtung Coaching verlagern. Jedoch bietet die Selbstorganisation auch viele Vorteile und könnte sich in Zukunft als entscheidender Wettbewerbsvorteil erweisen. 

Autoren: Giuliano Ardesi, Bastian Gschwendtner, Jonas Widmer & Julian Zihlmann, Teilnehmende der Digital Leadership Blockwoche Februar 20 / Hochschule Luzern – Wirtschaft

Literaturverzeichnis

Altherr, M. (2019). Die Organisation der Selbstorganisation. In P. Kels, & S. Kaudela-Baum (Hrsg.). Experten führen (S. 411-426). Wiesbaden: Springer Gabler.

Baumann-Habersack, F. (2015). Mit neuer Autorität in Führung. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Fischli, C. (2020). Vertrauen in Selbstorganisation: drei Seiten der Medaille. In Der Mensch in der Selbstorganisation. Wiesbaden: Springer Gabler.

Göbel, E. (2015). Theorie und Gestaltung der Selbstorganisation (Vol. 111). Berlin: Duncker & Humblot.

Gloger, B., & Rösner, D. (2014). Selbstorganisation braucht Führung. Die einfachen Geheimnisse agilen Managements. München: Hanser.

Rosenstiel, L., Molt, W., & Rüttinger, B. (1995). Organisationspsychologie. Stuttgart, Berlin, Köln: Verlag W. Kohlhammer.

zu Knyphausen-Aufsess, D. (1991). Selbstorganisation und Führung. Systemtheoretische Beiträge zu einer evolutionären Führungskonzeption. Die Unternehmung, 45 (1), S. 47-63.

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