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Vorgesetzte als Coach

Vorgesetzte als Coach
Coachinggespräch

Von Führungspersonen wird heute mehr erwartet als nur zu führen. Um das Potenzial der Mitarbeitenden besser auszuschöpfen und ihnen zugleich mehr Wertschätzung entgegenzubringen, sind vermehrt Coaching-Kompetenzen gefragt. Dr. Ruth Förster ist Coach und Transition Companion und lehrt unter anderem am CAS «Coaching als Führungskompetenz». Sie erklärt, worauf Führungskräfte achten müssen, wenn sie Erfolg haben wollen.

Autor: Beat Hauenstein

Frau Förster warum benötigen Führungspersonen Coaching-Kompetenzen?

Dr. Ruth Förster: Kurz, eine Führungsperson braucht Coaching-Kompetenzen, um für die Herausforderungen der Zukunft angesichts zunehmender Komplexität und Unsicherheit im Unternehmen selbst und in der Unternehmensumwelt gewappnet zu sein. Hier gibt es wichtige, starke Trends, wie z.B. die Digitalisierung, aber auch Nachhaltigkeitsthemen, die Unternehmen zwingen, sich sehr schnell und flexibel an neue Situationen anzupassen, was auch mit Konflikten verbunden sein kann. In den letzten zehn, fünfzehn Jahren hat sich in dem Zusammenhang als wichtig erwiesen, dass man als Unternehmen das Potential der Mitarbeitenden optimal entwickelt und nutzt. Man kann auf diese wertvollen Ressourcen nicht verzichten. Die Angestellten sollen stärker mitdenken und mehr Verantwortung übernehmen können. Es gibt dazu diesen schönen neudeutschen Begriff „Empowerment“.

Die Angestellten sollen stärker mitdenken und mehr Verantwortung übernehmen können. Es gibt dazu diesen schönen neudeutschen Begriff „Empowerment“.

Dr. Ruth Förster, Coach und Transition Companion

Einhergehend damit ist das zunehmende Verständnis des Unternehmens als eine „lernende Organisation“. Eine solche stellt sich Fragen wie: Wie können wir uns anpassen an neue Herausforderungen? Was müssen wir konkret tun? In diesem Kontext hat man gemerkt, dass ein ausschliesslich direktives Führungsverständnis nicht nützlich ist, das vereinfacht gesagt davon ausgeht, dass die Führungsperson alles vorgibt.

Vielmehr werden in einer lernenden Organisation die Kompetenzen und Ressourcen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterinnen eingebracht und deren Potenzial wird gezielt entwickelt. Davon profitieren die Mitarbeitenden wie auch die Firma. Es handelt sich um ein menschen-orientiertes, partizipatives Führungsverständnis, bei dem ich als Führungskraft mit meinen Mitarbeitenden im Austausch stehe und auch selbst inspiriert werde, Probleme anders anzugehen. Es entwickeln sich dann z.B. Lösungen, die für eine bestimmte Situation adäquater sind. Konflikte können genutzt werden.

Die Entwicklung in den Unternehmen geht auch in die Richtung, dass HR-Abteilungen bestimmte Aufgaben wie die Potenzialentwicklung von Mitarbeitenden mehr an die Führungskräfte transferieren. Potenzialentwicklungen müssen bewusst und professionell durchgeführt werden.
Dies alles braucht Coaching-Kompetenzen, und diese muss man sich zuerst aneignen. Es gibt zwar Naturtalente, die von Haus aus eine sehr gute Intuition haben, charismatisch sind und die Potenziale der Mitarbeitenden fördern können. Und doch zeigt die Praxis, dass sich Weiterbildungen im Bereich Führung und Coaching im Sinne einer Professionalisierung bezahlt machen. Hat man sich Coaching-Kompetenzen beziehungsweise Haltungen und entsprechendes Verhalten erst einmal angeeignet, kann man sie bewusst einsetzen und weiterentwickeln. Man kann und muss dies aber trainieren. Wie alle anderen Kompetenzen werden sie dann mit der Zeit ins Verhaltensrepertoire aufgenommen. Dann ruft man sie quasi intuitiv ab. Coaching-Kompetenzen in der Führung machen das Leben von Führungspersonen wie auch Mitarbeitenden einfacher und können zu mehr Zufriedenheit und Leistung im Unternehmen führen, insbesondere angesichts komplexer, herausfordernder Situationen und von Konflikten.

Was für Haltungen müssen Führungspersonen denn mitbringen, um ihre Coaching-Kompetenzen im Führungsalltag erfolgreich zu nutzen?

Wenn man die Literatur betrachtet, so kommt das Repertoire an Coaching-Haltungen aus den systemisch-konstruktivistischen oder aus anderen humanistisch orientierten Führungs- und Coachingansätzen.

Die Grundhaltung, die eine gute Führungskraft mitbringen muss, ist demnach Wertschätzung den Mitarbeitenden gegenüber. Dazu gehört auch, sich partnerschaftlich auf Augenhöhe zu begegnen und ernst zu nehmen, was die Mitarbeitenden zu sagen haben, welche Anliegen sie haben. Damit verbunden sind Haltungen von Neugierde, Ergebnisoffenheit und Potenzialorientierung. Das bedingt entsprechend, dass ich als Führungsperson gut zuhören kann, dass ich den Mitarbeitenden Fragen stelle und dabei einfach wahrnehmen kann, was bei mir ankommt, ohne das Gefühl zu haben, dass ich jetzt gleich liefern und dem Mitarbeitenden sagen muss, was er / sie zu tun hat.
Diese Haltungen wirken auch für mich als Führungsperson entlastend und öffnen den Raum für andere Arten von Lösungen und Beziehungen. Ich möchte verstehen, warum mein Gegenüber die Situation vielleicht anders sieht als ich. Ich möchte wissen, was für eine Perspektive die Person hat. Wohin möchte sie sich entwickeln? Welche Lösungen sieht sie? So können gemeinsam mit der Person wirksamere Lösungen entstehen, die auch von ihr mitgetragen werden.

Das klingt nach einem Kulturwandel.

Das ist so und dieser ist auch wichtig, wie bereits erwähnt. Von Organisationen wird unter anderem Ambidextrie gefordert (organisationale Ambidextrie – die Fähigkeit von Organisationen, gleichzeitig effizient und flexibel zu sein, Anmerkung der Redaktion). Wenn ich als Führungsperson mit einem ambidextrischen Führungsverständnis, d.h. im Spektrum von sowohl direktiv als auch immer mehr partizipativ, unterwegs bin trage ich letztendlich zum Kulturwandel im Unternehmen bei.

Es gibt Firmen, die explizit wünschen, dass die Führungskräfte partizipativer führen und Coaching-Kompetenzen einbringen. Man lebt als Führungsperson einen entsprechenden Führungsstil vor, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter positiv bemerken im Sinne von: Hier kann ich mich einbringen! Meine Chefin oder mein Chef anerkennt und nutzt mein Potenzial und schliesst meine Vorstellungen mit ein. Ich kann mich weiter entwickeln.

Dies kann zur Förderung von Autonomie beitragen. Gleichzeitig fühlen sich die Mitarbeitenden besser im Unternehmen eingebunden, was sich positiv auf die Motivation auswirken kann. Wenn sich dieses partizipativere Verhalten durchsetzt bei Führungspersonen wie auch bei Mitarbeitenden, hilft das auch dem Unternehmen, mit Herausforderungen besser umzugehen.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Coaching-Kompetenzen für den Führungsalltag?

Als vorgesetzte Person ist es wichtig zu wissen, in welchem Führungsstil man gerade unterwegs ist. Es gibt ein ganzes Spektrum, je nach Situation. Bin ich jetzt eher direktiv unterwegs, oder ist es eher angesagt, partizipativ zu führen? Ich muss dies reflektieren und auch transparent machen können. Wichtig ist dabei zu verstehen, dass die Rollen von Führungskraft und Coach grundsätzlich unterschiedlich sind und eine Führungskraft kein Coach ist. Der Coach ist neutral und nicht in die Führung involviert. Eine Führungskraft, die Coaching-Kompetenzen einsetzt, muss sich dessen bewusst sein und diese kompetent situativ nutzen können. Und diese multiplen Hüte sind herausfordernd für eine Führungskraft.

Weiter ist es wichtig, dass man Gespräche gut führen kann. Das heisst, gut zuhören und gute Fragen stellen können. Hierzu gehört, eine partnerschaftliche, wertschätzende Beziehung auf Augenhöhe gestalten zu können. Das ist auch zentral, um die Ressourcen der Mitarbeitenden aktivieren zu können – als weitere Kompetenz – und ihnen zu vermitteln: Sie haben selbst Ressourcen, um zur Lösung beizutragen. Ihr Beitrag ist erwünscht und geschätzt.

Beim Stellen von Fragen sind bestimmte Fragetechniken wichtig, z.B. systemische Fragen. Im Gespräch mit Mitarbeitenden ist man ja nie nur zu zweit unterwegs. Man ist eingebettet in der Organisation, in einem grösseren Umfeld, einem System, das zu erkunden ist. Es geht darum, mit dem Mitarbeitenden zusammen Lösungen für ein Problem entstehen zu lassen. Ich sage bewusst „entstehen lassen“ anstatt einfach Lösungen vorzugeben.

Eine weitere wichtige Kompetenz ist auch, dass ich mich als Führungskraft im Coaching-Modus gut selbst wahrnehmen und mein Verhalten reflektieren kann. Ich muss realisieren, wenn mich z.B. etwas nervt und ich ungehalten werde, und sollte mich entsprechend regulieren können. Es braucht ein hohes Mass an Selbstwahrnehmung und Selbstmanagement. Gleichzeitig muss ich in der Lage sein mein Gegenüber ganzheitlich wahrzunehmen und nicht nur verbal. Mich selbst und andere wahrzunehmen zu können bedingt einander. Beschrieben wird das durch den Ausdruck: „Dasein ist Mitsein“. Wenn ich das als Führungsperson kann, merken dies auch die Mitarbeitenden. Man sprich hier auch von „Ko-Regulation“ zwischen allen Beteiligten, die sich in aller Regel positiv auf das Klima untereinander auswirkt.
Daneben muss ich generell gesprochen Coaching-Elemente kennen und adäquat einsetzen können.

Haben Sie konkrete Beispiele für systemische Fragen?

Es gibt hier einen Mix von Fragen, die in unterschiedlichen Situationen gebraucht werden können. Man versucht dabei herauszufinden, wie ein bestimmtes System funktioniert und wo man für eine Veränderung ansetzen kann, z.B. in einer Konfliktsituation: Was müssen Sie tun, damit der Konflikt so richtig eskaliert? Diese gehört zu den paradoxen Fragen, die provokativ, irritierend sind und helfen Mechanismen aufzudecken und zu merken: Aha, deshalb haben wir eine solche Situation und das ist mein Beitrag dazu. Oder ich stelle oft auch Fragen zu Unterschieden – z.B. eine sogenannte Skalierungsfrage: Wie gross schätzen Sie auf einer Skala von 1-10 Ihr Problem in dieser Situation ein? Warum? Weitere Beispiele für offene Fragestellungen sind: Was hat bisher funktioniert und warum?

Nützlich sind auch Wunsch-Fragen im Stil von: Wenn morgen eine Fee vorbeikommt und Ihnen die Macht gibt, etwas zu verändern: Was würden Sie als erstes ändern? Warum?

Dr. Ruth Förster, Coach und Transition Companion

Alle diese Fragen ermöglichen es, Menschen aus festgefahrenen Situationen herauszuholen und über den Tellerrand zu schauen, eine Reflektion und einen Austausch zu starten. Dies hilft, Probleme, die Situation breiter und damit besser zu verstehen und neue Perspektiven und auch letztendlich Lösungen entstehen zu lassen. Dies wirkt als Anstoss, um das eigene Verhalten zu verändern.

Die richtigen Fragen zu stellen und wie schon gesagt ganzheitlich zuzuhören muss man natürlich üben. Generell braucht man für den Einsatz von Coaching-Elementen oder Tools ein gutes Mass an theoretischem, fundiertem Background und viel praktisches Üben, am besten mit Feedback von anderen Personen.

Welche Coaching-Tools haben sich aufgrund Ihrer Erfahrung für den Einsatz im Führungsalltag besonders bewährt?

Gesprächsführung. Aus dem Führungsalltag kennt man z.B. Verhandlungsgespräche oder Zielvereinbarungsgespräche. Im CAS* vermitteln wir eine etwas andere formale „Gesprächsführung im Coaching-Modus“, wobei zu Beginn des Gesprächs geklärt wird, was das Anliegen der Person, z.B. des Mitarbeitenden ist. Dann führt man in einer strukturierten Art und Weise durch das Gespräch, wendet Fragetechniken oder andere Coaching-Elemente an und am Schluss fasst man zusammen und legt fest, was ein konkreter nächster Schritt sein könnte. Diese Art von Gesprächsführung ist sehr hilfreich.

Wie schon erwähnt kommt hinzu, dass man nicht nur darauf hört, was das Gegenüber sagt, sondern man die Person ganzheitlich wahrnimmt, z.B. die Gestik, die Mimik. Gleichzeitig gibt man acht, wie man sich selbst gibt. Lehne ich mich im Gespräch stark nach vorne – was als bedrohlich empfunden werden könnte – oder nehme ich eine aufmerksame Haltung ein und signalisiere damit: Ich bin neugierig, ergebnisoffen, interessiert an dem, was Sie mir sagen, was Sie möchten. Ich verkörpere damit die Haltung, von der wir oben schon gesprochen haben. Und dies kommt beim Gegenüber auf einer non-verbalen Ebene an.

Dazu muss ich als Führungskraft auch mit mir selbst im Kontakt sein. Dies ist in schwierigen Gesprächen, bei Konflikten besonders wichtig, also darauf zu achten, wie etwas auf mich wirkt, und sich dann selbst zu regulieren, z.B. eine Pause zu machen oder sich zurücknehmen.

In dem Zusammenhang spielt auch das Setting eine wichtige Rolle: Wie kann ich eine partnerschaftliche und wertschätzende Beziehung vermitteln? Wie kann ich Offenheit und Kreativität fördern? Z.B. wo treffen wir uns? Wie setzen wir uns hin? Dazu gehört auch der Kontextwechsel: Bewährt hat sich für mich beispielsweise, sich für eine Besprechung statt im Büro, draussen auf einem kurzen Spaziergang zu treffen. Und dies kann man häufig im Voraus planen.

Darüber hinaus sind Coaching-Methoden oder Elemente wichtig, die die Kreativität fördern und zum Ausprobieren von Neuem einladen, z.B. Rollenspiele oder kleine Experimente definieren und durchführen.

Frau Förster, herzlichen Dank für dieses Gespräch

Dr. Ruth Förster als Coach und Dozentin

Dr. sc. ETH Ruth Förster ist seit 2021 in die Weiterentwicklung des CAS Coaching als Führungskompetenz involviert und ab Frühlingssemester 2022 als Dozentin im Modul «Coaching Essentials» sowie Coach im CAS «Creative Leadership and Transformation in the Digital Age».
Sie arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Trainerin, Moderatorin in interdisziplinärer Zusammenarbeit und seit 2014 im Coaching von Führungskräften und der Kompetenzentwicklung für «Collaborative, Creative Leadership». Sie ist promovierte Umweltingenieurin und Didaktikerin (ETH Zürich), und verbindet als Coach systemische, lösungsorientierte Beratungsansätze mit körperzentrierten und kreativen sowie naturbasierten Ansätzen. Aktuelle Explorationsfelder sind: Wie können «safe enough spaces» für transformative Veränderungsprozesse gestaltet werden? Embodied Coaching und Leadership: wie verkörpert man Haltungen und verändert Verhalten? Wie kann man Coaching von einzelnen und Gruppen in Naturräumen effektiv gestalten?
LinkedIn.

CAS Coaching als Führungskompetenz

Die Hochschule Luzern – Wirtschaft führt am Institut für Betriebs- und Regionalökonomie (IBR) seit 10 Jahren sehr erfolgreich den CAS «Coaching als Führungskompetenz» durch. Dr. Ruth Förster ist als Dozentin für ein Modul verantwortlich.

Die Absolventinnen und Absolventen des CAS lernen die theoretischen Grundlagen von Coaching in der Führung kennen und wenden sie in der Praxis ausführlich in 1:1 Situationen oder in Gruppen an.

Sie können den CAS alleine oder als Teil des MAS Leadership und Management belegen.

Weitere Infos inkl. Datum zur Info-Veranstaltung finden Sie hier

Quellen und weiterführende Links

Fatien, P., & Otter, K. (2015). Wearing multiple hats? Challenges for managers-as-coaches and their organizations. International Leadership Journal, 7(3), 24–35.

Kühl, W., Schäfer, E. & A. Lampert (2019). Coaching durch die Führungskraft als Beratungsformat. Organisationsberat Superv Coach 26, 93–107 https://doi.org/10.1007/s11613-019-00593-z.

Radatz, S. (2009) Beratung ohne Ratschlag. Systemisches Coaching für Führungskräfte und BeraterInnen. Wien (6. Aufl.).

Storch, M. & Weber, J. (2015). Embodiment und seine Bedeutung für das Coaching. In: S. Greif et al. (Hrsg.), Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching, Springer Reference Psychologie (S. 125 – 134). DOI 10.1007/978-3-662-45119-9_10-1

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