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New Work – Was ist so neu dran?

New Work – Was ist so neu dran?

Interview mit Prof. Dr. Stephanie Kaudela-Baum
Programmleiterin CAS Creative Leadership and Transformation

Interview: Luzia Fuchs

Was versteht man genau unter dem Begriff New Work?

Die Arbeitswelt erfährt seit einigen Jahren eine grundlegende und strukturelle Transformation. New Work steht für diese Transformation, die aktuell durch die Pandemie noch einmal eine gewisse Beschleunigung, u.a. durch die verstärkte virtuelle Zusammenarbeit erfahren hat. Zusammenarbeit findet heute im Kontext von tiefgreifender gesellschaftlicher Transformation statt, angetrieben durch Globalisierung, Migration und Mobilität, demografischem Wandel, Ökologiekrise, Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt. Diese Treiber beeinflussen die strukturelle und kulturelle Beschaffenheit von Organisationen und damit auch den Handlungsrahmen für die Organisationsmitglieder. Die Erfolgsformeln für die effektive Gestaltung von Zusammenarbeit stehen unter diesen Bedingungen andauernd auf dem Prüfstand. Das ist neu.

Viele Managementprinzipien, die aktuell unsere Handlungen anleiten sind nicht neu, aber die Transformationsanforderungen sind neu.


Was sind Merkmale von dem Konzept New Work?

Ich würde weniger von einem Konzept sprechen, dazu ist der Begriff viel zu allgemein. New Work ist der Sammelbegriff über zukunftsweisende und sinnstiftende Arbeit im aktuellen Kontext.

Aufgrund der fortschreitenden Globalisierung, der digitalen Transformation sowie der demografischen Herausforderungen müssen Unternehmen und Organisationen höhere Flexibilitätsanforderungen erfüllen. Die gesellschaftlichen und organisationalen Prozesse wirken zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Daher ist Flexibilität ein wesentliches Merkmal von New Work. Das Gegenteil von Flexibilisierung ist Standardisierung, die ihren Ausgangspunkt im Zeitalter der Industrialisierung und der damit verbundenen Massenfertigung hat. Heute sehen die Marktanforderungen anders aus: Neben einer flexiblen, dynamischen Produktion zählen flexible Beziehungen zu verschiedenen Wertschöpfungspartnern – je nach Auftrag und Kompetenzanforderungen z. B. zu Lieferanten, Kunden oder auch Konkurrenten (Wertschöpfungsnetzwerke) – sowie flexible Arbeitsformen zu den zentralen organisationalen Flexibilisierungsformen.

Während der Corona-Krise hat sich die Flexibilisierung der Zusammenarbeit noch einmal sprunghaft weiterentwickelt. Neben Kommunikationsinnovationen ermöglichen neue Organisationskonzepte eine zumeist asynchrone Zusammenarbeit räumlich und geografisch verteilter Akteure, wodurch auch unternehmensinterne Prozesse und damit die bisherigen Formen der Arbeit massgeblich beeinflusst werden. Auch das ist ein Merkmal von New Work.

Die hierdurch entstehenden Netzwerke agieren in einem Radius, der über die üblichen räumlichen und zeitlichen Grenzen hinausgeht. Sie ermöglichen Unternehmen und Organisationen einen neuen Zugang zu Arbeitskräften sowie Ressourcen und bringen einen neuen Grad von Flexibilität hervor.

Auf der einen Seite stehen die Vorteile für Mitarbeitende: die Berücksichtigung individueller Lebensvorstellungen, die bessere Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf, die Vermeidung von langen Fahrtzeiten und eine höhere Attraktivität der Arbeitsplatzausstattung. Auf der anderen Seite ist die Flexibilisierung von Arbeit aus unternehmerischer Perspektive ein zentrales Mittel, um Produktion und Dienstleistung an kurzfristig veränderte Marktbedingungen agil anzupassen.

Der zunehmende Flexibilitätsbedarf wird in Zukunft vermutlich noch stärker durch den Einsatz von «atypischen Beschäftigten» gedeckt, d. h. von Teilzeitbeschäftigten, geringfügig Beschäftigten, in befristeten Arbeitsverhältnissen oder in Leiharbeit. Aber auch Normalarbeitsverhältnisse befinden sich im Umbruch und werden immer flexibler gestaltet. Ihr Wandel zeigt sich insbesondere in der Verbreitung von Arbeitszeitkonten.

Crowdwork ist ein weiterer aktueller und ernstzunehmender Ausdruck der Flexibilisierung der Arbeitswelt. Inzwischen ist Crowdsourcing für viele Unternehmen eine Alternative für die Aufgabenbearbeitung geworden. Das Crowdsourcing-Modell ist ein neuer Ansatz zur Verteilung und Durchführung von Unternehmensaufgaben, in dessen Kontext nicht nur unternehmensinterne, sondern auch unternehmensexterne Individuen bzw. Beschäftigte am Wertschöpfungsprozess beteiligt werden können. Crowdwork bzw. «Plattform-Arbeit», d. h. das Zur-Verfügung-Stellen von individueller Arbeitsleistung auf sog. Microtask-, Marktplatz-, Design-, Testing- oder Innovationsplattformen im Internet, gewinnt an Bedeutung.

Hervorzuheben ist sicher die digitale Transformation der Arbeitswelt. Die Arbeitswelt der Zukunft wird in hohem Mass von digitalen Technologien, Automatisierung und Robotisierung der Prozesse sowie von intelligenter Vernetzung von Produkten, Dienstleistungen und Maschinen (Industrie 4.0) geprägt sein. Dies hebt die Bedeutung von kreativer und unternehmerischer Leistung von Menschen hervor und der Fokus wird noch stärker auf Unternehmertum und Innovativität liegen. Die Arbeitswelt der Zukunft wird durch kreativ-unternehmerische Inseln und hocheffiziente digitale Prozesse bestimmt sein. Die Bedeutung von Wissensarbeit nimmt noch weiter zu.

Wieso wird der Ansatz New Work zukünftig immer wichtiger?

Die Veränderungen der Arbeitswelt ist da. New Work beschreibt Perspektiven, Haltungen und Ansätze zur Gestaltung dieser Veränderungen. Es ist bereits wichtig und bleibt es auch in Zukunft. Nur wenn Unternehmen eine hohe Lernfähigkeit aufweisen und neue Lösungen, für die sich ständig wandelnden Arbeitsbedingungen entwickeln, sind sie überlebensfähig. Je komplexer, dynamischer und damit unsicherer das Marktumfeld, desto wichtiger ist eine New Work Perspektive.

Es geht auch um eine moderne Führung, die von Augenhöhe und Wertschätzung und mehr von Coaching und weniger von Ansage geprägt ist. New Work bedeutet, das Gleichgewicht der Interessen zu bedenken. Dies sollten Unternehmen sich nicht nur als Marketingformel auf die Fahnen schreiben, sondern auch leben. Das ist sicher eine Erwartung der neuen Arbeitnehmergeneration.

Wie ist New Work entstanden?

Der Begriff New Work wurde Ende der 70er Jahre vom österreichisch-amerikanischen Sozialphilosophen Prof. Dr. Frithjof Bergmann eingeführt. Heute beschreibt er den strukturellen Wandel in unserer Arbeitswelt. Bergmann beschäftigte sich mit der philosophischen Frage nach der Freiheit des Menschen. Nichts schien den Menschen jedoch unfreier zu machen als Arbeit. Mit dem Projekt New Work fand Bergmann schließlich eine praktische Verwirklichung seiner theoretischen Überlegungen. Bergmann geht davon aus, dass das bisherige Job-System am Ende ist. Die Automatisierung führt immer mehr dazu, dass die Menschen sich mit der Frage konfrontiert sehen: „Was willst du in Zukunft im Arbeitsleben machen?“ Der Mensch rückt in den Mittelpunkt: Selbstverwirklichung und Potenzialentfaltung des Einzelnen sind zentrale Werte! Die Lebensqualität nimmt einen hohen Stellenwert ein. Das muss auch Ausdruck in der Personalstrategie finden.

Kann New Work sich auch negativ auswirken und evtl. sogar mehr Stress verursachen?

Man sollte nicht der Illusion erliegen, dass eine starke Vermischung von Arbeits- und Privatsphäre wie z.B. im Homeoffice sich per se positiv auf die psychische oder körperliche Gesundheit von Mitarbeitenden auswirkt. Direkt vom Bett aufstehen, noch rasch einen Social Media Post, Mails beantworten beim Frühstücken, im Zug auf dem Weg zur Arbeit rasch ein Meeting vorbereiten. Parallel die Termine der Kinder via WhatsApp Gruppen managen. Wer mit diesen Kommunikationsmöglichkeiten und dieser Form der Entgrenzung der Arbeit nicht bewusst umgehen lernt, kann schnell in Stresssituationen geraten. Während der Pandemie haben sich die Ratschläge für ein gesundes Arbeitsleben im Homeoffice ja überschlagen. Die Folgen können Schlaf- und Essstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, im schlimmsten Fall Burn-out sein.

Ich denke, dass die neue Arbeitswelt hohe Anforderungen an das Selbstmanagement von jeder/jedem Mitarbeiter:In stellt. Die Unternehmen haben die Verantwortung, ihre Mitarbeitenden darin zu schulen, kompetent mit der Flexibilisierung, Digitalisierung usw. umzugehen. Kranke Mitarbeitende zahlen sich langfristig nicht aus, daher bin ich überzeugt, dass es auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, die Gesundheit der Mitarbeitenden als strategisches Unternehmensziel zu verfolgen und den Herausforderungen, die sich stellen, proaktiv zu begegnen. Das zeigen ja auch gewisse Offline-Kampagnen von Grossunternehmen. Leider zeigen auch aktuell viele „Überwachungs“-Lösungen von Mitarbeitenden durch Unternehmen im Homeoffice (Anzahl E-Mails/Online-Status usw.), dass hier doch auch stark Druck aufgebaut wird in Bezug auf andauernde Erreichbarkeit.

Welche Bedingungen müssen gegeben sein, damit New Work in einem Unternehmen von Führungskräften auch umgesetzt werden kann?

Die Rolle des Mitarbeitenden wandelt sich vom Lohnarbeiter mit Stempelkarte zum Intrapreneur. Selbstverantwortung ist der neue Way to go. Eigene Ideen einbringen ist nicht mehr nur erlaubt, sondern aktiv erwünscht. Ohne Selbstverantwortung bzw. „Ownership“ geht nichts. Intrapreneure übernehmen als ‚Unternehmer im Unternehmen‘ Verantwortung und zeigen Initiative. Diese Anforderung mag für viele Mitarbeitende eine Bedrohung sein, aber die 9-5 Jobs mit Auftragsentgegennahme gehören definitiv zu Old Work. Es braucht weiterhin eine Lernkultur und kollegiale Führungsansätze, die eine hohe Beteiligung an der Unternehmensentwicklung von vielen Mitarbeitenden sicherstellen.

Welche Möglichkeiten gibt es noch, New Work umzusetzen?

Best Practices von anderen Unternehmen, am Anfang ein Beratungsunternehmen miteinbeziehen, um die Voraussetzungen sorgfältig zu prüfen und passende Change Initiativen auszuwählen und auch genau zu evaluieren, welche Massnahmen erfolgsrelevant sind. Jede Organisation muss schlussendlich ein ganz eigenes, stimmiges und strategiekonformes New Work Konzept erarbeiten, mit den Mitarbeitenden.

Was sind die Vor- und Nachteile von New Work gegenüber herkömmlichen Arbeitsweisen?

Vorteile: Mehr Eigeninitiative, mehr Unternehmertum, mehr Autonomie, mehr Raum für Kreativität und Innovationen, mehr Beteiligungsmöglichkeiten

Nachteile: Gefahr Zunahme psychischer Erkrankungen, Gefahr der Überforderung, Gefahr prekärer Arbeitsplätze und Bindungslosigkeit, Verlust WIR-Gefühl, Gefahr der Verzettelung durch zu viele Entscheidungsmöglichkeiten.

Gibt es Arbeitskontexte, wo es unmöglich ist, sich vom Old Work Ansatz zu lösen?

Ja, New Work Konzepte verfolgen ja keinen Selbstzweck, überall dort, wo New Work Konzepte keinen Beitrag zur Wertschöpfung leisten, werden sie sich nicht durchsetzen. Das ist z.B. in einigen Bereichen von Hochrisiko-Organisationen der Fall wie z.B. Spitäler, Militär, Flugsicherheit, Atomkraftwerke usw. – In diesem Organisationstyp sind Freiheiten in Bezug auf die Arbeitsorganisation teilweise beschränkt, jedoch auch nicht in allen Bereichen.

Wichtig ist auch, dass man die Stärken seiner Mitarbeitenden im Blick behält, nicht jeder Mitarbeitende kann gleich gut mit Autonomie umgehen und das sollte man in der Führung unbedingt berücksichtigen. Das ist ein wichtiger Aspekt in unseren Führungsweiterbildungen, u.a. im CAS Programm Creative Leadership and Transformation in the Digital Age.

Stephanie Kaudela-Baum studierte Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Augsburg und Basel. Sie promovierte an der Universität Basel zum Thema Strategisches Human Resource Management und verfügt über mehrjährige Lehr- und Forschungserfahrung in Themen von Management- und Leadership. Aktuell forscht und lehrt sie an der Hochschule Luzern und begleitet als Co-Leiterin des «Competence Center Unternehmensentwicklung, Führung und Personal» Transformationsprozesse in Organisationen. Als Programmleiterin von Führungsweiterbildungen entwickelt sie Modelle zur Entwicklung von Führungskompetenzen im New Work Zeitalter.

Stepanie Kaudela

Weiterbildung zum Thema

CAS Creative Leadership and Transformation in the Digital Age Kompetenzentwicklung für Führungspersonen in der Arbeitswelt 4.0

Kreativ-unternehmerisch führen, Change-Prozesse im digitalen Wandel agil gestalten – In neue Arbeits- und Lernformen eintauchen

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