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Weiterbildung

Interview mit Felix Hirschburger zum Thema «Lösungsfokussierte Führung»

Interview mit Felix Hirschburger zum Thema «Lösungsfokussierte Führung»

Dozent und Coach in den Bereichen HRM und Leadership

  • Lic. oec. publ. Universität Zürich
  • Professional Certified Coach (PCC/ICF)
  • Langjährige Erfahrung als Unternehmer, Coach, Trainer, Assessor, HR-Spezialist, Team-Entwickler bis zum C-Level in der Unternehmensberatung und als HR Manager in der Industrie
  • Operations Director (GL-Mitglied), Aufbau und Führen des schweizweiten Beratungsteams des Marktführers im Bereich Karriere Coaching und Outplacement
  • Hochschuldozent im Bereich HRM und Leadership

Herr Hirschburger, Sie leiten den Fachkurs «Lösungsfokussierte Führung». Was versteht man unter diesem Ansatz?

Hirschburger: Bei der lösungsfokussierten Führung geht es darum, positive Unterschiede im täglichen Führungsalltag sowie bei Fragen des strategischen Managements zu erkennen und zu verstärken. Dank einer Veränderung des Blickwinkels von der Problem- zur Lösungsebene wird der Fokus konsequent auf das Ziel und auf die vorhandenen Ressourcen gerichtet. Interaktionen mit Mitarbeitenden richten sich auf Stärken, erwünschte Resultate und deren positive Auswirkungen. Dadurch wird das vorhandene Potenzial optimal genutzt und gewünschte Resultate werden effizienter und mit mehr Leichtigkeit erreicht.

Können Sie uns etwas über die «Schule» der lösungsfokussierten Beratung erzählen? Wo kommt der Ansatz ursprünglich her?

Hirschburger: Erstmals wurde der Ansatz unter dem Namen «Solution Focused Brief Therapy» 1982 von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg vorgestellt. Er geht von dem Standpunkt aus, dass es hilfreicher ist, sich auf Wünsche, Ziele, Ressourcen, Ausnahmen vom Problem zu konzentrieren anstatt auf Probleme und deren Entstehung. Deshalb «lösungsfokussiert» und «brief therapy», weil das langwierige Analysieren des Problems und deren Ursachen wegfällt. Mittlerweile ist dieser Ansatz im Coaching-Bereich, in der Pädagogik sowie im Management weit verbreitet und anerkannt.

Ganz generell: Ist es nicht etwas trivial, nur einseitig die Lösung (eines Problems) zu betonen? Nach dem Coaching-Gespräch sind die Probleme ja immer noch da?

Hirschburger: Wenn wir es mit statischen und vorausschaubaren Problemstellungen zu tun haben, macht es absolut Sinn, in die Problemlösung einzutauchen. Doch wenn es sich um Systeme handelt, die sich konstant verändern, wie bei einer Organisation, einem Team oder bei Mitarbeitenden, gehe ich mit Albert Einstein einig, der sagte: «Probleme kann man niemals auf derselben Ebene lösen, auf der sie entstanden sind.» Dies bedeutet, dass wir das Problem nicht wirklich auf der Problemebene lösen können (Analyse, Ursache finden und diese beheben), sondern wir überlegen uns, was wir stattdessen möchten. Das heisst, es geht grundsätzlich nicht um die Problemlösung, sondern darum, eine Lösung zu erarbeiten. Dies ist ein echter Paradigmenwechsel oder, wie es Paul Watzlawick ausdrückte, eine Lösung zweiter Ordnung. Wenn also ein Mitarbeiter mit einem Problem zu seiner Vorgesetzten geht, kann diese mit gutem Gewissen fragen: «Woran wirst du konkret bemerken, dass unser Meeting hilfreich war?» Und schon ist man direkt in der Lösungsebene, die oft nichts mit dem eigentlichen Problem zu tun hat. Beispielsweise beschwert sich der Mitarbeitende über das Verhalten eines Kunden in Bezug auf Terminverschiebungen (Problem). Gemeinsam erarbeitet man nun die optimale Kundenbeziehung (Lösung) und findet ähnliche Situationen in der Vergangenheit (Vorboten der Lösung). Im Gespräch zeigt sich nun z.B., dass die Termintreue und die Kundenbeziehung schon deutlich besser waren, als der Mitarbeitende zu Beginn des Kundentreffens wichtige Fragen zum aktuellen Betrieb stellte. Das Problem ist nun zwar noch da, doch der Mitarbeitende weiss genau, worauf es ankommt, um in Richtung Lösung zu gehen.

Wie kann man sich ein lösungsfokussiertes Coaching ganz konkret vorstellen, wie läuft so ein Coachinggespräch ab?

Hirschburger: Wenn genügend Zeit vorhanden ist, dauert ein solches Gespräch rund 45 Minuten. Im Führungsalltag ist dies jedoch selten möglich und so kommen dort einfach einzelne Elemente davon zur Anwendung. Nur schon eine einzige lösungsfokussierte Coaching-Frage kann helfen, wieder auf Kurs zu kommen. Das Coaching-Gespräch beginnt damit, dass eine Frage zu den bestmöglichen Auswirkungen im Alltag gestellt wird. Also nicht: «Was ist Ihr Problem? Was kann ich für Sie tun? Was führt Sie zu mir?» oder so ähnlich. Bereits zu Beginn wird auf die Unterschiede in der gewünschten Zukunft fokussiert. Und dort verweilt man dann auch, indem man mehr Details darüber erfahren möchte. Beispielsweise: «Woran wird dein grösster Kunde bemerken, dass du das Problem gelöst hast? Und wie wird sich dies auf unsere Geschäfte mit ihm auswirken?»

In einem zweiten Schritt möchte man herausfinden, welche Erlebnisse aus der Vergangenheit des Coachees oder Mitarbeitenden bereits zumindest ansatzweise in die gewünschte Richtung gehen. Es geht hier darum, Ressourcen, Fähigkeiten und Vorboten der gewünschten Zukunft zu erforschen. Z.B.: «Wann hattest du in einem Kunden-Meeting bereits genau das oder etwas Ähnliches erlebt? Und wie hast du das geschafft?»

Im dritten Schritt geht es darum, Auswirkungen von nächsten kleinen Schritten zu beleuchten. Eine Frage könnte folgendermassen lauten: «Nehmen wir an, auf einer Skala von 1-10 (10 bedeutet, deine Kundenbeziehung mit x ist absolut optimal, und 1 steht für das Gegenteil davon) kommst du einen kleinen Schritt voran, woran wirst du das bemerken, woran merkt das dein Kunde und wie erfahre ich davon?»

Wichtiger als das korrekte, schrittweise Vorgehen ist die Haltung des Coaches respektive der Führungskraft: Konkrete Wertschätzung und Fokus auf positive Unterschiede.

Inwieweit unterscheidet sich der lösungsfokussierte Führungs-/Coaching-Ansatz von verwandten Ansätzen, wie z.B. dem stärkenorientierten Ansatz (evtl. weitere Abgrenzungen)?

Hirschburger: Der lösungsfokussierte Ansatz nutzt Elemente, die in einem stärkenorientierten Modell oder in anderen moderneren Ansätzen (beispielsweise aus der Positiven Psychologie) zentral sind, und bringt sie in eine pragmatische und effektive Form. Ein wichtiger Teil des Ansatzes ist ebenfalls, Stärken, Fähigkeiten, Talente, positive Unterschiede und Funktionierendes zu beleuchten. Doch dies ist nur ein Element. Wichtiger noch ist die Überzeugung, dass der Coachee respektive der Mitarbeitende der Experte ist und dass im Gespräch eine passende Lösung, die nichts mit der Problemstellung zu tun haben muss, gemeinsam co-konstruiert werden kann.

Was steht in Ihrem Kurs im Fokus? Welche Lernziele zeichnen den Kurs aus?

Hirschburger: Die Grundhaltung des Ansatzes verstehen, erleben und verinnerlichen sowie bei eigenen aktuellen (Führungs-)Herausforderungen überraschend schnell grosse Fortschritte zu machen. Es wird grossen Wert auf einen praxisorientierten und interaktiven Unterricht gelegt. Gesprächserfahrungen, viel Interaktion und Lehrgespräche haben einen wichtigen Stellenwert und sorgen für einen abwechslungsreichen und auf die Teilnehmenden massgeschneiderten Unterricht. Zwischen den einzelnen Blöcken wird das Gelernte in die Praxis umgesetzt und weiter vertieft.

Wo sehen Sie für die Zukunft die grössten Herausforderungen für Führungskräfte?

Hirschburger: Durch die sich immer schneller verändernde Umwelt muss die Zusammenarbeit agiler werden. Dies bedeutet für die Führungskräfte auch mehr Selbstverantwortung an die eigentlichen Experten, die Mitarbeitenden, abzugeben und diese mit Lösungs- und Ressourcenfokus zu empowern. Dies ist für viele ein völlig neues Führungsverständnis und kann aus meiner Sicht mit Lösungsfokussierung und Coaching optimal begleitet werden.

Beenden Sie den folgenden Satz: Der am weitesten verbreitete Irrglauben oder Mythos im Bereich Leadership ist, …

Hirschburger: … dass die Führungskraft immer alles wissen muss.

Mehr Informationen zum Thema und zum Fachkurs «Lösungsfokussierte Führung» finden Sie hier: www.hslu.ch/loesungsfokus

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