21. Januar 2021
Weiterbildungen boomen. Rund um das Thema stellen sich auch arbeitsrechtliche Fragen. Bereits vor einiger Zeit befassten wir uns hier auf dem Management & Law-Blog mit den Weiterbildungskosten. Ein weiterer arbeitsrechtlicher Dauerbrenner ist die Frage, ob bzw. wann eine Weiterbildung an die Arbeitszeit angerechnet werden kann.
Im schweizerischen Arbeitsrecht enthalten sowohl das Arbeitsvertragsrecht (Art. 319 ff. des Obligationenrechts [OR]) als auch das Arbeitsgesetz (ArG) Bestimmungen zur Arbeitszeit. Diese sind auch im Zusammenhang mit der Frage relevant, ob Weiterbildungszeit als Arbeitszeit zu qualifizieren ist und welche Konsequenzen daraus resultieren.
Art. 13 Abs. 4 der Verordnung 1 zum ArG sieht vor, dass eine Weiterbildung dann als Arbeitszeit im Sinne des ArG gilt, wenn sie auf Anordnung der Arbeitgeberin besucht wird oder von Gesetzes wegen vorgeschrieben ist. Letzteres ist gemäss den Erläuterungen des SECO in der Wegleitung zum Arbeitsgesetz etwa bei gewissen vorgeschriebenen Fortbildungen für Berufsfeuerwehrleute der Fall. Weiter erlangt diese Regelung Bedeutung für den Pflichtunterricht von Lehrlingen, der zufolge gesetzlicher Anordnung obligatorisch ist.
Im Umkehrschluss ergibt sich aus Art. 13 Abs. 4 der Verordnung 1 zum ArG, dass Weiterbildungen, die Mitarbeitende aus eigener Initiative besuchen und die weder gesetzlich noch arbeitgeberseitig angeordnet sind, nicht als Arbeitszeit im Sinne des ArG gelten. Dass die Arbeitgeberin auch hier regelmässig einen Nutzen hat, ändert gemäss herrschender Rechtspraxis nichts daran, dass die aufgewendete Zeit als Freizeit zu qualifizieren ist.
Die beschriebene Differenzierung (gesetzlich oder arbeitgeberseitig angeordnete Weiterbildungen als Arbeitszeit vs. freiwillige Weiterbildungen als Freizeit) gilt nicht nur im arbeitsgesetzlichen, sondern auch im arbeitsvertragsrechtlichen Kontext.
Dass die Zeit, die ein Arbeitnehmer für eine angeordnete Weiterbildung aufwendet, Arbeitszeit im Sinne des OR ist, hat zur Folge, dass sie zwingend zu entschädigen ist, da der Arbeitsvertrag gemäss der Konzeption des Schweizer Rechts immer entgeltlich ist (Art. 319 OR).
Haben die Parteien nichts Abweichendes abgemacht, entspricht der Lohn demjenigen Lohn, der auch für die sonstige Arbeit geschuldet ist. Zudem können aus der Weiterbildungszeit Überstunden resultieren, die mangels abweichender Abrede mit einem Zuschlag zu entlöhnen sind (Art. 321c OR). In der Praxis werden allerdings häufig Vereinbarungen getroffen, dass die Weiterbildungszeit im übrigen Lohn inbegriffen ist. Dies ist prinzipiell zulässig, denn Arbeitnehmer und Arbeitgeberin dürfen den Lohn im Einvernehmen frei bestimmen.
Weitere Konsequenzen ergeben sich aus dem ArG. Bei Weiterbildungszeit, die Arbeitszeit ist, sind die in ArG 9 ff. vorgesehenen Regeln zu beachten. Sie betreffen Maximalarbeitszeiten, wöchentliche Arbeitszeit und deren Verteilung, Nacht- und Sonntagsarbeit. Im Gegensatz zur arbeitsvertragsrechtlichen Überstundenarbeit nach OR, für die der Lohnzuschlag vertraglich wegbedungen werden kann, ist Überzeitarbeit (d.h. die Überschreitung der arbeitsgesetzlichen Maximalarbeitszeit) mit Freizeit der gleichen Dauer oder durch Lohn mit zwingendem Zuschlag zu entschädigen (Art. 13 ArG).
Um Unklarheiten und Konflikte zu vermeiden, empfiehlt es sich, bei einer geplanten Weiterbildung neben der Kostenübernahme auch die zeitlichen Aspekte vorgängig zu diskutieren und in einer präzisen Regelung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeberin einvernehmlich festzuhalten. Nicht nur grosse Unternehmen profitieren darüber hinaus davon, wenn sie basierend auf den gesetzlichen Vorgaben für ihren Betrieb passende Grundsätze ausarbeiten und reglementarisch festhalten. Dies erleichtert die Planung sowie die transparente und faire Handhabung für Führungspersonen und Mitarbeitende.
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