Wenn das Risikomanagement versagt

Wenn das Risikomanagement versagt

Autor: Bettina Hübscher

Hochschule Luzern - W Dozentin & Projektleiterin

Obwohl Unternehmen und Organisationen integrierte Risikomanagement- und Compliance-Management-Systeme aufweisen, gibt es in der Wirtschaft immer wieder schwerwiegende Vorfälle. Diese Skandale haben sowohl erhebliche Auswirkungen auf die Finanzen als auch auf die Reputation einer Unternehmung. Michelle Stamm, Studentin im Bachelor of Science in Business Administration, Major Management & Law, an der Hochschule Luzern – Wirtschaft, hat in ihrer Bachelorarbeit sieben solcher Fallbeispiele aus der Wirtschaft der letzten Jahre unter die Lupe genommen und untersucht, warum solche schwerwiegenden Vorkommnisse trotz eines implementierten Risikomanagements auftreten können.

Ausgehend von der Literaturrecherche und geführten Interviews konnten diverse Aspekte eruiert werden, welche zum Versagen des Risikomanagements führen können.

Wo liegen die Stolperfallen?

Strategie & Management: Ein Aspekt zeigt sich in der Wahrnehmung des Risikomanagements. Für viele Verwaltungsratsgremien stellt das Risikomanagement nur eine Pflichtübung dar. So wird es zwar mit grossem Effort erarbeitet, dann aber nicht oder zu wenig gut gepflegt und die Diskussion über Veränderungen in der Risikowelt und über die getätigten Massnahmen bleibt aus.

Die Ertragsorientierung des Managements ist ein zentrales Problem. Um wertorientierte Ziele zu erreichen, werden oft falsche oder risikoreiche Anreize gesetzt. Die Anreize zur Erreichung der Unternehmensziele animiert Manager dazu, zusätzliche Risiken einzugehen. Weitere Problemfelder zeigen sich in der fehlenden Berücksichtigung strategischer Risiken in der Unternehmenspraxis sowie der Erarbeitung von entsprechenden Massnahmen.

Kultur: Weiter hält Michelle Stamm fest, dass in vielen Unternehmen eine Zero-Tolerance-Kultur herrscht. Dadurch getrauen sich die Mitarbeitenden nicht, offen über Probleme zu kommunizieren oder Fehler anzusprechen. Eine mangelhafte Fehler- und Unternehmenskultur kann zu einem fehlenden Bewusstsein für Gefahren führen. Der fehlende vertrauensvolle Umgang im Unternehmen kann dann schwerwiegende Folgen haben.

Prozesse: Bei der Risikoidentifikation werden häufig die «Umwelt und Trends» vernachlässigt. Diese sind ständig im Wandel und aufgrund dessen muss man sich in Leitungsgremien fortdauernd Überlegungen zu neuen Risiken machen. Ferner müssen die im Risikomanagement definierten und umgesetzten Massnahmen periodisch überprüft werden – ein gutes Controlling ist unabdingbar.

Mitarbeitende: Ein weiteres Problem zeigt sich in fehlenden Verantwortlichkeiten oder einem Übermass an Kompetenzen für einzelne Mitarbeitende. Und gleichermassen beim menschlichen Verhalten zeichnen sich Herausforderungen ab, wenn Menschen kriminelle Energie aufweisen. Dabei kann sich kriminelle Energie graduell entwickeln. Dies hat mit fehlenden «Hürden» im Unternehmen zu tun. Merken Mitarbeitende, dass ohne Weiteres beispielsweise Geld veruntreut werden kann, entwickelt sich ein Muster und es wird dem Unternehmen nach und nach eine höhere Summe an Geld abgezogen. Solche oder andere Aspekte des menschlichen Verhaltens können auf fehlender wahrgenommene Wertschätzung der eigenen Person im Unternehmen basieren. Haben Mitarbeitende das Gefühl, sie werden zu wenig für ihre Arbeit entschädigt, oder ihnen fehlt anderweitig Wertschätzung, kann es sein, dass sie das Unternehmen schädigen.

Zu berücksichtigende Aspekte

Eine gesunde Unternehmenskultur, ständige Kontrolle des Risikomanagements und Wertschätzung der Mitarbeitenden sind entscheidend. Kriminelle Energie von Mitarbeitenden kann schwer umgangen werden. Die Unternehmung muss akzeptieren, dass Fehler passieren, und sollte daher eine offene Kommunikation im Unternehmen führen. Es ist wichtig, dass die Unternehmung mit Mitarbeitenden zusammen Lösungen sucht und findet. Das «Wir»-Gefühl ist dabei von zentraler Bedeutung.

Zudem kann es hilfreich sein, sich mit Skandalen anderer Unternehmen auseinanderzusetzen, das eigene Risikomanagement auf die sich dort gezeigten problematischen Punkte hin zu überprüfen und durch solche Vorfälle schlussendlich zu profitieren. Wertvoll ist zudem der Austausch mit anderen Unternehmen oder innerhalb von Branchenverbänden. So kann ein Einblick gewonnen werden, wie andere mit Risiken umgehen und das eigene Risikomanagement kann überprüft, besser eingeschätzt und weiterentwickelt werden.


Bettina Hübscher, MLaw/MRisk ist Dozentin, Studiengang- und Projektleiterin mit Schwerpunkt in den Bereichen Arbeitsrecht, Datenschutz, öffentliches Recht und Risikomanagement. Sie ist Vorstandsmitglied im Netzwerk Risikomanagement.

Michelle Stamm, Studentin Bachelor of Science in Business Administration, Major Management & Law, Hochschule Luzern – Wirtschaft.

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