13. November 2024
Welche Rolle spielen Biodiversität und Naturkapital für Investoren? Diese Frage mag auf den ersten Blick exotisch erscheinen, doch sie gewinnt zunehmend an Relevanz für die Finanzwelt. Der Verlust von Artenvielfalt beeinflusst nicht nur die Umwelt, sondern birgt auch finanzielle Risiken und Chancen. Doch wie lässt sich dieses komplexe Thema in der Investmentstrategie umsetzen? Die beiden Autoren Manfred Stüttgen und Brian Mattmann nehmen diese Fragen in der «IFZ Sustainable Investments Studie 2024» in den Fokus. Der Sustainable Investments Day bot die Gelegenheit, diese Fragen mit Expertinnen und Experten aus der Praxis zu diskutieren.
Autor: Fadri Beer
Auch in diesem Jahr nahmen wieder über 100 Gäste – darunter Investoren, Asset Manager, Bankberater und ESG-Dienstleister – am Sustainable Investments Day im Zunfthaus zur Schmiden in Zürich teil. Im Mittelpunkt der Diskussion standen diesmal nachhaltige Fonds und das Thema Biodiversität. Der folgende Blog-Beitrag bietet Einblicke in die verschiedenen Präsentationen.
Um das Thema Biodiversität richtig einzubetten und einzuführen, gab Dr. Severin Dressen, Direktor des Zoo Zürich, am Sustainable Investments Day einen vertieften Einblick in die Bedeutung der Biodiversität. Mit eindrücklichen Zahlen verdeutlichte Dressen die Dringlichkeit: Täglich sterben rund 150 Arten aus, bis zum Jahr 2100 könnten bis zu zwei Millionen Arten unwiederbringlich verloren gehen. Diese alarmierenden Fakten unterstreichen, wie wichtig es ist, Biodiversität in nachhaltige Investmentstrategien zu integrieren. Bei der Biodiversität sind die Kipppunkte unbekannt, so dass es schwierig ist zu sagen, wann etwas unwiederbringlich zerstört oder verloren ist. So kann der Verlust von Arten zu einem unbekannten Zeitpunkt zum Zusammenbruch von Ökosystemen führen.
Nach der Einführung in das Thema Biodiversität präsentierte Prof. Dr. Manfred Stüttgen die Ergebnisse der «IFZ Sustainable Investments Studie 2024». Die Studie zeigt, dass nachhaltige Fonds in der Schweiz aktuell vor einigen Herausforderungen stehen. Zwar ist in den letzten zwölf Monaten das Angebot nachhaltiger Fonds um 161 Produkte gewachsen, was einem Plus von 7 Prozent entspricht. Heute stehen Schweizer Investoren 2’325 nachhaltige Publikumsfonds zur Verfügung – dreimal so viele wie 2020. Die während langen Jahren hohen Wachstumsraten beim Zufluss von frischem Kapital in nachhaltige Fonds sind allerdings aktuell rückläufig. Gründe dafür können eine gewisse Marktsättigung oder Performanceüberlegungen sein: Während nachhaltige Strategien jahrelang gute Renditen erzielten, sind sie seit 2022 zunehmend gefordert. Insbesondere das geringere Engagement in fossilen Energieträgern und Rüstungsgütern kann je nach Marktlage Vor- oder Nachteile haben.
Die Schweizer Retailbanken bilden im Vergleich zum Gesamtmarkt eine Ausnahme, sie setzen überproportional stark auf nachhaltige Produkte. Sie bieten 490 eigene Fonds an, von denen mehr als die Hälfte klar als nachhaltig positioniert sind. Im Gegensatz zum Gesamtmarkt fliessen bei diesen Banken 87 Prozent der Neugelder in nachhaltige Fonds, was die hohe Priorität dieses Segments in der Kundenberatung und Vertriebsstrategie verdeutlicht. Ein wichtiger Treiber für diese Entwicklung dürfte die neue Selbstregulierung der Schweizerischen Bankiervereinigung zu nachhaltigen Anlagen sein: Seit Anfang 2024 müssen Banken in der Schweiz die Nachhaltigkeitsvorlieben ihrer Anleger zwingend abfragen.
Beim diesjährigen Vertiefungsthema Biodiversität spielen einerseits branchenspezifische Faktoren eine wichtige Rolle: Ausgewählte Branchen weisen eine hohe Abhängigkeit von Naturkapital auf. Andere Branchen zerstören die Biodiversität und sind dadurch transitorischen Risiken ausgesetzt, insbesondere durch zunehmende Regulierung. Investoren verlangen zunehmend eine Entschädigung für die Übernahme solcher Biodiversitäts- und Naturkapitalrisiken. Andererseits gibt es Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen einen Beitrag leisten zum Schutz der Biodiversität und der Förderung von Naturkapital. Im Fokus stehen Investitionen in Unternehmen mit innovativen Produkten und Lösungen aus den Bereichen Kreislaufwirtschaft, saubere Wasserversorgung, Abfall- und Plastikvermeidung, nachhaltige Forstwirtschaft und Infrastruktur. Das kann für entsprechende Unternehmen eine finanzielle Chance darstellen.
Dr. René Nicolodi, Head of Equities bei Swisscanto, erläuterte die Bedeutung von Naturkapital und Kreislaufwirtschaft. Naturkapital umfasst lebenswichtige Ressourcen wie Luft, Wasser und Biodiversität und bietet essenzielle Ökosystemdienstleistungen im Wert von rund 58 Milliarden USD. Nicolodi betonte, dass ineffiziente Wertschöpfungsketten, wie etwa die 1,7 Millionen Tonnen Plastik, die jährlich im Meer landen, eine nachhaltige Entwicklung gefährden.
Um eine nachhaltigere Wirtschaft zu fördern, hat Nicolodi ein Anlageportfolio vorgestellt, das gezielt in Unternehmen investiert, die sich den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft verschrieben haben: Reduzieren, Recyceln und Wiederverwenden. Ziel des Portfolios ist es, durch innovative Lösungen sowohl ökologische als auch finanzielle Vorteile zu erzielen und so den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft aktiv zu unterstützen.
Berit Gehring, Client Portfolio Managerin bei Robeco, zeigte auf, wie sich Unternehmen identifizieren lassen, die sich der Förderung der Biodiversität und der Minimierung von Umweltschäden verschrieben haben. Die Strategie konzentriert sich auf Investitionen in Branchen wie nachhaltige Landwirtschaft, Fischerei und Recycling, um Biodiversitätsverluste durch Lösungen wie vertikale Landwirtschaft und pflanzenbasierte Produkte aktiv zu bekämpfen. Dabei wird grosser Wert auf nachhaltige Beschaffung gelegt, und es wird aktiv darauf hingewirkt, Unternehmen zu motivieren, ihre Umweltauswirkungen kontinuierlich zu reduzieren. Diese Strategie verdeutlicht, wie eine naturfreundliche Wirtschaft und ökologisch ausgerichtete Anlagestrategien miteinander verbunden werden können.
Dr. Jürg Tobler von der Pensionskasse der Stadt Zürich (PKZH) erläuterte ihre Nachhaltigkeitsstrategie und speziell, wie sowohl Biodiversitäts- als auch Klimarisiken adressiert werden. Diese Themen bilden ein eng verbundenes «Zwillingspaar», das zwar ähnliche Ziele verfolgt, im Falle der Biodiversität aber mit weitaus komplexeren Herausforderungen verbunden ist. Die PKZH setzt verschiedene Strategien ein, um diese Risiken im Portfolio zu berücksichtigen, vor allem durch aktives Engagement und gezielte Investitionen im Immobilienbereich. Massnahmen wie begrünte Dachflächen, die Vernetzung von Grünräumen und der Verzicht auf Pestizide leisten einen direkten Beitrag zum Erhalt der Biodiversität. Tobler betonte, dass solche Investitionen nicht nur nachhaltig wirken, sondern auch die Resilienz des Portfolios stärken und die wirtschaftlichen Interessen der Versicherten schützen. Mit einem ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz will die PKZH nicht nur die langfristige Rentabilität sicherstellen, sondern auch ihre ökosoziale Verantwortung bei Anlageentscheide berücksichtigen.
Den Abschluss der Konferenz bildete eine von Dr. Brian Mattmann moderierte Podiumsdiskussion mit den Referenten und Fragen aus dem Publikum. Es wurden zahlreiche Fragen von den Teilnehmenden aufgeworfen, beispielsweise wie seriös Labels im Bereich Nachhaltigkeit sind oder inwiefern sich Asset Manager bereits mit der Integration von Biodiversität auskennen. Auch kam die Performance von Themen- und Nachhaltigkeitsfonds zur Sprache und inwiefern sich die Gesamtkosten eines Produkts während dessen Lifecycle (Total Cost of Ownership) verhalten. Speziell wurde nochmals die Nachhaltigkeitsstrategie der PKZH besprochen, welche aktuell überarbeitet wird.
Am Donnerstag, 21. November 2024 von 08:30 bis 09:30 Uhr werden die Ergebnisse der «Sustainable Investments Studie 2024» zusätzlich in einem Webinar vorgestellt. Mehr Informationen zum Webinar sind hier zu finden.
Die «IFZ Sustainable Investments Studie 2024» kann unter ifz@hslu.ch für 190 Franken bestellt werden. Eine digitale Version der Studie ist hier verfügbar.
Wir danken allen Sponsoren herzlich für die wertvolle Unterstützung! Sponsoren und Partner der «IFZ Sustainable Investments Studie 2024»
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