10. September 2020
Eine Sonderform von Anleihen stellen Schuldpapiere von staatlichen Institutionen dar. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei Staatsanleihen ist noch wenig verbreitet, das Angebot an Fondsprodukten sehr beschränkt. Woran liegt das? Der folgende Artikel soll diese Frage klären und aufzeigen, welche Schwierigkeiten bei der Integration von ESG-Kriterien in der Selektion von Staatsanleihen bestehen. Der Beitrag ist Teil 4 aus einer Serie von Blog-Beiträgen und stützt sich auf die «IFZ Sustainable Investments Studie 2019». Die Studie wurde u.a. unterstützt von BlackRock, DWS, Raiffeisen Schweiz, UBS, Amundi Asset Management, Candriam, Credit Suisse, Generali, Lombard Odier, OLZ, PIMCO, RobecoSAM und Schroders.
Autoren: Manfred Stüttgen, Brian Mattmann, Felix Seidel
Staatsanleihen werden von Vermögensverwaltern oft als «Stabilisatoren» im Portfolio betrachtet. Sie versprechen eine stabile Wertentwicklung und bringen regelmässige Erträge (=Zins-/Couponzahlungen), zumindest in der Theorie. Darüber hinaus gilt das Segment der Staatsanleihen als tiefstes und liquidestes Segment im Anleihenmarkt. Dank dieser Angebotsbreite und der guten Handelbarkeit, sowie auch aus Diversifikationsgründen, stellen sie einen Kernbaustein für langfristige Investoren dar.
Degroof Petercam und die UBS bieten in der Schweiz die einzigen nachhaltigen Staatsanleihenfonds an
Während eine Vielzahl von Asset Managern und Investmentfonds ESG-Kriterien bei Aktien und Unternehmensanleihen heute schon berücksichtigen, sind ESG-Integrationspraktiken bei Staatsanleihen noch wenig verbreitet. Im Markt für Schweizer Publikumsfonds existieren mit dem «DPAM L Bonds Government Sustainable Fund» und dem «UBS ETF – J.P. Morgan Global Government ESG Liquid Bond UCITS ETF» lediglich zwei Publikumsfonds, die dezidiert in Staatsanleihen investieren und dabei auch Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt – siehe Abbildung 1. Der aktiv verwaltete Anleihenfonds von Degroof Petercam investiert in Schuldtitel der 36 Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) oder deren Gebietskörperschaften und berücksichtigt dabei auch Kriterien der Nachhaltigkeit. Im Rahmen der ESG-Analyse werden die Staaten der OECD auf die fünf Themenfelder Transparenz/ Demokratie, Umwelt, Bildung, Wirtschaft und Bevölkerung/Gesundheit/ Vermögensverteilung untersucht. Insgesamt führen über 55 Einzelindikatoren zu einem Ergebnis pro Land.
Beim Fonds der UBS handelt es um einen passiv verwalteten ETF, der den J.P. Morgan Global Government ESG Liquid Bond Index abbildet und damit die Performance liquider globaler Staatsanleihen spiegelt. Der Index beruht auf der Gewichtung der Börsenkapitalisierung und überprüft die Emittentenländer zudem anhand ökologischer, sozialer und Governance-Aspekte (ESG). Die Länder werden aufgrund ihrer ESG-Scores in zehn Bandbreiten eingestuft und jene mit den niedrigsten ESG-Scores vom Index ausgeschlossen.
Titel | Lancierungsjahr | Fondswährung | Fondsvolumen |
---|---|---|---|
UBS ETF – J.P. Morgan Global Government ESG Liquid Bond UCITS ETF | 2019 | USD | 88 |
DPAM L – DPAM L Bonds Government Sustainable | 2007 | EUR | 693 |
Diesen beiden nachhaltigen «Government Bond»-Fonds stehen in der Schweiz insgesamt 154 Fonds gegenüber, die ihr Vermögen nach konventionellen Kriterien in Staatsanleihen investieren. Fazit: Das Angebot nachhaltiger Staatsanleihenfonds ist in der Schweiz noch äussert eingeschränkt, Anlagevarianten in diesem Segment sucht der Publikumsanleger bisher noch vergeblich.
Die Integration von ESG-Kriterien ist bei Staatsanleihen noch wenig verbreitet
Die geringe Anwendung von ESG-Kriterien bei der Selektion von Staatsanleihen hat mehrere Gründe. Erstens ist die Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien auf Staaten noch relativ neu. Damit fehlt oft das notwendige Wissen, wie ESG-Fragen in die Kreditanalyse von Staatsschulden integriert werden können. Entsprechend können bei der Selektion von Staatsanleihen nicht einfach bestehende und etablierte Nachhaltigkeitskriterien und -strategien übernommen werden, wie dies zum Beispiel bei Aktien der Fall ist. Zweitens dürfte der Mangel an verlässlichen und sinnvollen ESG-Daten ein Grund sein, wieso die Integration von ESG-Kriterien bei Staatsanleihen herausfordernd ist. Dies macht es nicht nur schwierig, «geeignete» Nachhaltigkeitskriterien zu finden und im Anlageprozess zu integrieren, sondern es erschwert auch eine aussagekräftige Beurteilung der ESG-Performance eines Landes. Drittens dürfte ein weiterer Grund des geringen Einsatzes von ESG-Kriterien in der Staatskreditanalyse darin liegen, dass für einen Grossteil der Investoren ESG-Kriterien für Staatsschulden im Vergleich zu ihren Auswirkungen auf Aktien und Unternehmensanleihen weniger wesentlich sind: Laut einer 2018-er Umfrage des CFA Institutes und der PRI Principles for Responsible Investment gibt es Anzeichen, wonach eine Mehrheit der Investoren nicht an einen Zusammenhang zwischen ESG-Risiken und Staatsschuldenpreise glaubt.
Die Methoden und Kriterien für ESG-Länderratings differieren
In der Praxis können wir heute erst eine beschränkte Anzahl an etablierten ESG-Länderratings beobachten. Diese Länderratings versuchen, basierend auf ihren eigenen Methoden, Staaten einem ESG-Scoring zu unterziehen – ähnlich wie dies die zahlreichen ESG-Ratings für Unternehmen tun. Zu den Anbietern von ESG-Staatenratings gehören die klassischen ESG-Ratingagenturen wie zum Beispiel MSCI ESG-Research (MSCI ESG Government Rating), Sustainalytics (Country Risk Rating), ISS ESG (ESG Country Rating) oder Inrate (ESG Country Rating). Darüber hinaus erstellen auch Banken und Asset Manager entsprechende Ratings wie beispielsweise Candriam (ESG Country Score), Swisscanto Invest (Nachhaltigkeitsrating für Staaten), DZ Bank (DZ BANK Seal of Quality for Sustainability) oder RobecoSAM (Country Sustainability Ranking). Zusätzlich gibt es eine Anzahl von proprietären Ratingansätzen, die von Asset Managern angewendet werden, deren Methodik in der Regel aber nicht transparent und öffentlich verfügbar ist.
Wenn wir die verschiedenen Länderratings vergleichen, so stellen wir fest, dass sich bis heute noch kein einheitlicher Standard etabliert hat, im Gegenteil: Die ESG-Länderratings differieren in ihren Methoden und ihrer Länderabdeckung teilweise stark. Industrieländer schneiden in der Nachhaltigkeitsbeurteilung (z.B. in ESG-Länderrankings) in der Regel besser ab als Schwellenländer – vor allem, wenn man sich auf «absolute Levels» und nicht auf die «Veränderungen» konzentriert. Diese Betrachtungsweise kann durchaus kritische Fragen zur ESG-Analyse im Bereich von ESG-Länderratings aufwerfen. Denn dies führt dazu, dass entwickelte Staaten per se aufgrund ihres Entwicklungsstatus über bessere ESG-Profile verfügen. «Alternative» Ansätze versuchen deshalb mit einem Momentum-Faktor explizit auch Verbesserungen oder Verschlechterungen der ESG-Faktoren eines Landes über die Zeit zu berücksichtigen.
IFZ Sustainable Investments Day 2020 – jetzt anmelden
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