12. November 2018
Von Monica Fahmy
Um die Zukunft der Währungen ging es an der Tagung der Expertinnen und Experten in der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität. Es waren fesselnde Referate.
Kryptowährungen und ihre Chancen, rechtliche Herausforderungen, Geldwäschereirisiken: Virtuelle Finanzmittel faszinieren und werfen gleichzeitig viele Fragen auf. Über 160 Fachleute in der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität hörten sich am vergangenen Freitag an der Tagung der Schweizerischen Expertenvereinigung „Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“, SEBWK, im Berner Hotel Bellevue Palace spannende Vorträge zur „Zukunft der Währungen“ an.
„Wenn der Kurs von Bitcoin und anderen Kryptowährungen sich stabilisiert, ist es durchaus möglich, dass sie sich als Zahlungsmittel etablieren“, schätzt Frank Kilchenmann, SwissBanking. Und wenn dies geschieht, schadet es nicht, zu wissen, womit man es zu tun hat. Im gemeinsamen Vortrag mit Dominik Witz, Compliance und RegTech, Swisscom Banking, nannte Kilchenmann Vor- und Nachteile von Kryptowährungen bei der Bekämpfung von Geldwäscherei.
Risikoerhöhend wirken sich unter anderem die Anonymität der Nutzer, die globalen Netzwerke ohne territoriale Grenzen und die fehlende oder lückenhafte Regulierung aus. Demgegenüber senken die Transparenz von öffentlichen Blockchain, die Unveränderbarkeit der Information auf der Blockchain und die Rückverfolgbarkeit aller Transaktionen das Geldwäschereirisiko. Insgesamt seien die Risiken nicht höher oder geringer als diejenigen im traditionellen Finanzsystem, sie müssten allerdings mit anderen Mitteln beurteilt werden, sagt Dominik Witz.
Auf die Frage, wie die Zukunft von Kryptowährungen in zehn, fünfzehn Jahren aussehen werde, meint er: „Ich sehe vor allem eine grosse Bedeutung von kryptografischen Tokens, die reale Werte repräsentieren und Miteigentumsanteile übertragen. Etliche Kryptowährungen, die wir heute sehen, werden aber verschwinden.“
Ein riskanter Markt
Ursprungsidee von Bitcoin war ja, zwischen Peers eine elektronische Version von Bargeld zu schaffen, die ohne dazwischen geschaltete Institutionen Anonymität gewährleistet, sagt Jean-Claude Rochat, Group Internal Audit, UBS. Zu den Vorteilen von Blockchain und Kryptoanlagen gehören die Unveränderbarkeit der Transaktion und die nahtlose Verfolgbarkeit. Zu den Nachteilen zweifelsohne die Dezentralisierung mit entsprechend kaum vorhandenen Verantwortlichkeiten. Märkte für Kryptoanlagen seien zudem anfällig für Marktmanipulationen, da sie noch nicht ausgereift seien. Rochat weist auch darauf hin, dass Börsen für Kryptoanlagen schon gehackt wurden. Ebenso Unternehmen, welche die private Keys, die Passwörter von Kunden, verwalten. Die verlorenen Anlagen wiederzufinden ist mit grossem Aufwand verbunden und selten von Erfolg gekrönt. Auch bei sogenannten Initial Coin Offering (ICO) könnten Verbraucher auf unterschiedliche Weise wirtschaftlichen Schaden erleiden und hätten dabei kein Anspruch auf Entschädigung.
Etwas weniger kritisch sehen Luca Brunoni und Olivier Baudet-Labrecque, Institut de lutte contre la criminalité économique, ILCE, die Thematik von ICOs. Ihr Fazit: Es gebe durchaus auch gute Beispiele gelungener ICOs. Aber auch welche, bei denen mit einer einfachen Recherche über die betreffende Firma schnell feststeht, dass definitiv etwas nicht stimmen kann, etwa, wenn sich alle gut klingenden Zertifizierungen als blosse Verpackung, gekauft von dubiosen Firmen in irgendwelchen Offshore-Paradiesen erweisen. Auf unterhaltsame Weise führten die beiden Experten durch eine Recherche über eine windige Firma, die Anlegern traumhafte Renditen versprach und sich als ein Luftschloss entpuppte.
„Ich denke, Kryptowährungen sind hier, um zu bleiben“, sagt Luca Brunoni auf die Frage nach der Zukunft der Währungen. Unklar sei, ob die gewünschten Aspekte der Dezentralisierung und der geringen Kontrolle sich durchsetzen können. Es gebe viele Elemente der Kryptowährungen, die auf Vertrauen beruhen, sagt Olivier Baudet-Labrecque. „Wenn die Volatilität sich verringert, dürften sie sich besser etablieren. Ob sie zurück in den Untergrund gehen oder Mainstream werden, lässt sich heute nicht sagen. Das sehen wird erst in den kommenden Jahren“.
Nach der geistigen Nahrung knurrte manchen der Magen. Den Stehlunch nutzten die Teilnehmenden zum Networking und zu vertiefenden Gesprächen mit den Referenten. Am Nachmittag ging es nicht weniger interessant weiter. Alexis Roussel, CEO Bity SA erzählte über Bitcoin, die Entstehung einer digitalen Währung, ihre Chancen und Herausforderungen und Dr. Mónika Molnár, Partner MME Legal, Board Member Crypto Valley Association, bettete Blockchain und Smart Contracts in das Schweizerische Privat- und Steuerrecht ein.
Eine Anzeige lohnt sich
Über die Herausforderungen, die Kryptowährungen für Strafverfolger darstellen, sprachen Daniel Nussbaumer, Chef Cybercrime, und Markus Mächler, Cyberermittler, Kantonspolizei Zürich. Die Cyberkriminalität sei heute ein Business von 6 Milliarden US-Dollar, im Vergleich zu 4 Milliarden US-Dollar bei Drogen, sagt Daniel Nussbaumer. Dies sei eine grössere Summe als das Bruttoinlandprodukt von Schweden. Cyberkriminelle gingen sehr professionell vor, sie hätten sogar Zeiterfassungen von ihren Mitarbeitern. Und Businesspläne. „Wir hören oft, weshalb soll ich eine Anzeige machen, da ist ja alles anonym, was soll die Polizei da schon machen?“, sagt Markus Mächler. Dies sei ein Irrtum. Strafverfolger haben schon mehrmals entwendete Kryptowährungen aufspüren und den Geschädigten zurückerstatten können. Wichtig sei, dass die Anzeige schnell erfolge und bei der Polizei das nötige Knowhow vorhanden sei.
Am Ende der Tagung erwähnt Andreas Müller, Vorstandsmitglied der SEBWK, dass die Schürfung von Kryptowährungen sehr energieintensiv sei. Allein das Schürfen von Bitcoin entspricht der Energieverbrauch von Dänemark in einem Jahr. Und die meisten Bitcoin werden in China geschürft mit mongolischer Braunkohle. Man müsse sich bewusst sein, dass es ökologisch ein dreckiges Geschäft sein. Es gebe aber wirtschaftlich auch positive Auswirkungen. Risiken, aber auch Chancen, bei Kryptowährungen ist alles vorhanden, sagt Sébastien Jaquier, Präsident des Vorstands SEBWK.
Die Zukunft der Währungen? Noch ist alles möglich.
Mehr über die Schweizerische Expertenvereinigung „Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“: www.seeci.ch
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