26. November 2018
Interview: Monica Fahmy
Der Bundesrat will das Geldwäschereigesetz verschärfen. Was taugt die Vorlage wirklich?
Im Juni hat der Bundesrat den Gesetzesvorentwurf in die Vernehmlassung geschickt. Wo stehen wir heute und was bringen die Änderungen am Geldwäschereigesetz?
Die Vernehmlassung ist seit Ende September abgeschlossen, der Bundesrat prüft Vorschläge von Interessengruppen und hat bereits in der Zwischenphase gewisse Rückschritte gemacht. Die Pflicht für Finanzintermediäre, den wirtschaftlich Berechtigten zu überprüfen, hat man zum Beispiel fallengelassen.
Weshalb?
Es wäre eine zu starke Abkehr von der bisherigen Praxis gewesen. In einer Vertragsbeziehung identifiziert der Finanzintermediär den Vertragspartner, das geschieht bereits seit den VSB 1977. Der Vertragspartner gibt den wirtschaftlich Berechtigten der Vermögenswerte an. Nun wollte der Bundesrat, dass man den in Zukunft auch in irgendeiner Form überprüft. Doch breite Kreise fragten: Wie sollen Finanzintermediäre einen „Dritten“ überprüfen, zu dem sie keine direkte Beziehung haben? Der Vertragspartner kann wahrscheinlich nicht mehr Informationen liefern als bisher, zumal er schon heute (also seit 1977) zumindest im Grundsatz sicher sein muss, dass die Angaben stimmig erscheinen. Also hat man die Pflicht zur expliziten Überprüfung wieder fallengelassen.
Der Bundesrat will das Melderecht bei Verdacht auf Geldwäscherei, das neben der Meldepflicht besteht, aufheben. Zu Recht?
Die Aufhebung des Melderechts ist konsequent und meiner Meinung nach schon lange überfällig. Aus dem Melderecht ist schon längstens eine Meldepflicht geworden.
Dass die 20 Tage-Frist, um eine Meldung zu prüfen, bei der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) aufgehoben wird, ist dagegen totaler Unsinn. Wenn innert 20 Tagen keine genügenden Abklärungen stattfinden können, dann wird es auch nach 30 oder 40 nicht der Fall sein. Leidtragender ist dabei einmal mehr der Finanzintermediär, der bis zur Mitteilung des Entscheides der MROS „Kundenaufträge, welche die gemeldeten Vermögenswerte betreffen“, weiter ausführen muss. Die Aufhebung der Frist dient letztlich nur der Verwaltung, die sich mehr Zeit lassen kann. Mit etwas Erfahrung sieht man allerdings schnell, ob es sich bei einer Meldung lohnt weiter zu bohren oder nicht.
Man braucht wirklich nicht lange und viel, um dies festzustellen, ausser man hat keine Ahnung, worauf man schauen muss. Also stellt sich die Frage, ob die Kapazitäten fehlen, die Anzahl Meldungen zeitnah zu behandeln?
Seit es das Geldwäschereigesetz gibt, haben die Meldestellen die Finanzintermediäre dazu gedrängt, mehr Fälle zu melden, und sie teilen mit schöner Regelmässigkeit in jedem Tätigkeitsbericht immer neue Rekorde mit. Viele Finanzintermediäre melden auch einfach, um die Verantwortung an die Behörden abzugeben. Doch die Fälle müsste man schnell behandeln.
Bis ins Jahr 2009 konnten Finanzintermediäre nach Melderecht die Meldung an die Strafverfolgungsbehörden richten. Die konnten relativ schnell entscheiden, ob man etwa eine Sperre verfügen oder eine Hausdurchsuchung machen muss, oder ob man eine Meldung nicht weiter verfolgen muss. Der Bundesrat wollte aber alles bei der Meldestelle zentralisieren, mit der Folge, dass es dort nun einen Flaschenhals gibt. Einen selbst verursachten. Nun muss man überlegen, wie man dies in Zukunft handhaben will. Die Verlängerung der Behandlungsfrist halte ich aber für keine Lösung. Wenn schon, so müsste man konsequenterweise die Meldestelle mit zusätzlichem, gut qualifiziertem Personal versehen.
Sie kritisieren den Vorschlag des Bundesrates, die Kategorie der „Beraterinnen und Berater“ zu schaffen, womit vor allem Anwälte und Revisoren gemeint sind, die ebenfalls die Sorgfaltspflichten nach Geldwäschereigesetz erfüllen müssten.
Dass man versucht ist, die mit der Gründung von Gesellschaften befassten Dienstleister stärker in die Pflicht zu nehmen, ist grundsätzlich ein sinnvoller Gedanke. Jedenfalls in den Fällen, wo Personen offensichtlich die Verfügungsmacht ins Ausland verschieben, um die hiesigen Sorgfaltspflichten und die damit verbundene Aufsicht zu umgehen. Für alle anderen Fälle kommt einfach eine neue Prüfpflicht für Unternehmen hinzu, die eigentlich gar nicht mit Vermögenswerten direkt zu tun haben. Hier gibt es eine klare Ausdehnung der Bürokratie und eine markante Erhöhung der Prüfkosten für die Betroffenen. Diese sind ja heute keine Finanzintermediäre und müssen keine besonderen Pflichten erfüllen. Was mit „Beratern“ geschieht, die sich nicht prüfen lassen und sich nicht an diese Pflichten halten, ist auch nicht ganz klar. Eine Meldepflicht ist ja für sie nicht vorgesehen, weil sie keine Vermögenswerte haben, die sie melden könnten.
Aus Sicht der Geldwäschereibekämpfung, würde es nicht Sinn machen, die Menschen, die in manchen Fällen die einzigen sind, die über umfassende Informationen verfügen, stärker in die Pflicht zu nehmen?
Wenn ein Finanzintermediär Verdacht schöpft, muss er das melden. Zwischen ihm und dem Kunden ist auch eine klare Trennung da, der Finanzintermediär hat ein starkes Eigeninteresse daran, einen Verdacht zu melden, um später keine Probleme zu bekommen. Im Falle der „Berater“ handelt es sich aber um eine ganz andere Art von Kundenbeziehung, die übrigens gerade bei den Anwälten und den Revisoren einem besonderen Schutz untersteht. Beratung ist eine klassische Anwaltstätigkeit. Anwälte könnten ihre Tätigkeit schlecht ausführen, wenn sie nicht umfassend durch ihren Klienten informiert wären. Wenn der Klient befürchten müsste, dass der Anwalt einen Geldwäschereiverdacht meldet, würde dies die Kundenbeziehung grundlegend ändern. Dies gilt ebenso für Revisoren, die einen umfassenden Einblick in Geschäftsgeheimnisse und Zahlungsströme haben und die primär ihrem Auftraggeber verpflichtet sind.
Was bringt das neue Geldwäschereigesetz in Sachen Terrorfinanzierung?
Die Haltung der Schweiz zu den „Terror-Vereinen“ ist eine sehr zwiespältige: Tatsächlich waren genau diese Vereine, zum Beispiel die NGO, die Gelder sammeln für Gruppierungen im Nahen Osten, der Grund dafür, dass man im Strafgesetzbuch die eventualvorsätzliche Terrorfinanzierung für straflos erklärte und die Freiheitskämpfer sogar ganz aus der Bestimmung nahm. Der Eintrag im Handelsregister für diese Vereine, der dann zu einer zusätzlichen Dokumentationspflicht betreffend Organe sowie zu einer Buchführungs- und Revisionspflicht führt, ist ein Schritt. Und es ist sicher nicht falsch, für mehr Transparenz in dem Bereich zu sorgen. Man sollte aber gleichzeitig dann auch die Bestimmung zur Terrorfinanzierung anpassen, sonst ist es nicht konsequent.
Zusammenfassend, was ist positiv an den vorgeschlagenen Gesetzes-Änderungen und was führt einfach zu mehr Kosten aber nicht zu mehr Effizienz?
Nebst dem bereits gesagten soll die Barzahlungsschwelle bei Händlern reduziert werden. Das ist reine Augenwischerei. Man redet zwar von Geldwäscherei, meint aber eigentlich Steuerhinterziehung. Mit Bargeld wurde in den letzten Jahren nicht mehr im grossen Stil Geld gewaschen. Es geht hier nur um eine Anpassung an die FATF Standards – „weil es die anderen auch so machen“.
Dass man den Auftrag der „Berater“ genauer anschaut, ist vor dem Hintergrund von Enthüllungen wie den Panama Papers sicher legitim. Man darf aber nicht alle in einen Topf werfen. Man könnte zum Beispiel bestehende Regulierungen so anpassen, dass sie diejenigen „Berater“ betreffen, die eigentlich alle Aufgaben eines Finanzintermediärs erfüllen, ausser ein Konto zu führen.
Meine Kritik ist noch eine andere. Wer die Regeln umgehen will, findet einen Weg und wird es tun. Aus der Kriminologie ist schon lange bekannt, dass primär die Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden und nicht in erster Linie die Höhe einer zu erwartenden Strafe zu einem konformen Verhalten führen. Der Gesetzgeber hat offenbar das Gefühl, schärfere Regeln würden die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass jemand erwischt wird. Nur stimmt das so nicht, denn wer das System genügend gut kennt, kann es auch umgehen. Er wird beispielsweise einfach eine Schattenbuchhaltung machen oder fiktive Belege erstellen. Der Nutzen der Regeln ist wie seit Beginn der Geldwäschereibekämpfung, dass man in erster Linie befreundeten Staaten Rechtshilfe leisten und z.B. Vermögenswerte sperren kann. Wenn man tatsächlich einmal in der Schweiz ein Strafverfahren gegen eine Person führt, dann hat man dann die Möglichkeit, ihn zu bestrafen. Der Nutzen ist beschränkt, aber die Kosten würden massiv steigen. Diese Debatte müsste man führen.
Dies wurde bisher nicht gemacht?
Nicht gross nein. Es ist eher so, dass die interessierten Kreise sich in der Vernehmlassung äussern. Das ist typisch. Der Bundesrat präsentiert ohne vorhergehende öffentliche Debatte einen Gesetzesentwurf und schickt ihn in die Vernehmlassung. Dann gibt es einen kurzen Aufschrei, meistens in den Medien. Dann äussern sich interessierte Gruppen in der Vernehmlassung, es gibt ein paar Anpassungen und meistens ist dann die Gesetzesvorlage da. Manchmal wird sie im Parlament diskutiert, oft nicht, denn die Haltung ist verbreitet, dass man keinen Handlungsspielraum habe, weil alle anderen Länder es auch so handhaben würden. Interessant ist dabei, dass sich die Legislative ihre eigentliche Kompetenz von Verwaltungsdelegationen abnehmen lässt. Bei den Vertretern der Schweiz in den jeweiligen Organisationen wie FATF / GAFI, OECD etc. handelt es sich ja nicht um Volksvertreter, sondern um Mitarbeiter der Verwaltung.
Sollte die Schweiz weniger auf die FATF-Empfehlungen aus den Länderexamen reagieren und mehr Eigenes machen?
Wenn man Teil eines internationalen Verbundes ist, kann man nicht ungestraft etwas Eigenes machen. Insofern muss man sich mit der Realität auseinandersetzen, dass die anderen Länder Erwartungen haben und man diese nicht folgenlos einfach missachten kann.
Ich kritisiere vielmehr, dass keine nationale Debatte stattfindet, welche die Schweiz dann in der FATF einbringen könnte. Es wird nachgebetet, was dort vorgebetet wird. Obwohl klar ist, dass Geldwäschereiregulierung auch eine Form von Finanzmarktregulierung und somit wirtschaftlicher Regulierung ist. Und man sollte auch beachten, dass bei den gegenseitigen Länderevaluationen die meisten Länder nicht sämtliche Empfehlungen der FATF umsetzen und damit offenbar ganz recht leben können. Jedenfalls scheint primär nur die Schweiz bzw. die Schweizer Verwaltung ein Problem darin zu sehen, dass man nicht in allen Punkten den Empfehlungen folgt.
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