7. Januar 2019
Mit Urteil vom 7. August 2018 hat das Bundesgericht über einen Fall von Anlagebetrug entschieden, der mit einer Schadenssumme von mindestens 800 Millionen Schweizer Franken die bisherigen Dimensionen bei weitem überragt.
Wer hat schon nicht davon geträumt, sein Erspartes nahezu ohne Risiko sowie mit einer überdurchschnittlich hohen Rendite anzulegen? Dass dies eher eine utopische, als eine wirkliche Vorstellung ist, lässt sich erkennen, wenn man sich mit dem Thema Finanzen etwas näher auseinandersetzt. Letzteres tut in der Schweiz lediglich eine Minderheit der Bevölkerung.
Aber selbst die Kenner des Fachs sind nicht davor gefeit, sich als Opfer eines Betrugsdelikts wiederzufinden. Geht der Täter mit ausreichend Raffinesse vor, können selbst Experten zu Investitionen in ein Anlagekonzept verleitet werden, das bei nüchterner Betrachtung den Mechanismen des Finanzmarktes widerspricht. Dies zeigt das Urteil vom 7. August 2018 mit welchem das Bundesgericht über einen Fall von Wirtschaftskriminalität entschieden hat, dessen Schadenssumme die bisherigen Dimensionen bei weitem überragt.
Was ist passiert?
Gemäss dem Bundesgericht hat der Täter in den Jahren 1998 bis 2004 über vier Hauptvermittler/-vertriebsstränge rund zweitausend Personen zu Investitionen im Umfang von mindestens 800 Millionen Schweizer Franken verleitet. Diese Gelder habe er anschliessend weder in den genannten Anlagegefässen/Finanzprodukten angelegt, noch mittels des angeblich von ihm entwickelten, marktüberlegenen sowie weitgehend risikolosen und jahrelang überdurchschnittlich hohe Renditen erwirtschaftenden, computergesteuerten Handelssystem bewirtschaftet. Verwendet hat er die Investitionen vielmehr für die Begleichung von Zins- und Kapitalrückzahlungen von Anlegern, Provisionen an die Geschäftspartner, Deckung der Geschäftskosten und insbesondere für die Auszahlung der für die Verwendung des Handelssystems erforderlichen Lizenzgebühren.
Die Lizenz für die Nutzung der Handelssystems stellte der Täter über seine Aktiengesellschaft zur Verfügung. Um diese Aktiengesellschaft entwickelte sich mit der Zeit eine ganze Gruppe von Gesellschaften, die vorwiegend auf den Bahamas domiziliert waren und die bei der Abwicklung der Anlagegeschäften in verschiedenen Funktionen eingesetzt wurden. Im Namen dieser Gesellschafts-Gruppe hat der Täter zwischen 1999 und 2003 Lizenzgebühren von insgesamt über 153 Millionen Schweizer Franken in Rechnung gestellt.
Die Besonderheit dieses Handelssystems soll darin bestanden haben, dass es angeblich während 15 Jahren perfektioniert worden sei sowie ohne jegliche menschliche, emotionale Einflussnahme und damit vollständig automatisiert funktioniert habe. So soll das System mit sogenannten RICO-Daten (Real Input Created Output) gearbeitet haben, die künstlich, marktspezifisch sowie für einen Ereigniszeitraum von mehreren hundert Jahren erzeugt worden seien. Dafür habe der Täter ein hochentwickelter, gesetzlich geschützter und nicht offengelegter Prozess verwendet. Gebraucht habe er die Daten, um Marktsituationen zu simulieren und diese mit dem Trading-Handelssystem abzugleichen. In Wirklichkeit bestand die Basis des eingesetzten Systems aber in einer käuflich erworbenen Standardsoftware für die Verwaltung von Börsengeschäften. Diese habe ausserdem über eine eingebaute und leicht erlernbare Toolbox (Programmierumgebung) verfügt, um Detailanwendungen innerhalb des standardisierten Rahmens der gekauften Software selbst zu schreiben.
Somit ertappte sich das revolutionär klingende Handelssystem mit den gewinnreichen Aussichten in Wirklichkeit als ein im Umlageverfahren betriebenes, virtuelles Scheingebilde. Was in interessierten Kreisen als „genuine und vollständige Eigenentwicklung eines Börsengenies“ angepriesen wurde, endete in einem Schuldspruch wegen gewerbsmässigen Betrugs.
Weshalb kam es zum Schuldspruch?
Damit das Gericht eine Verurteilung nach dem Tatbestand des Betrugs aussprechen kann, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein:
Im vorliegenden Fall bestand das irreführende Verhalten des Täters in der „beinahe mythischen Überhöhung“ des von ihm mittels seines EDV-Programms betriebenen Anlagekonzepts gegenüber interessierten Kreisen und teilweise in den Medien. Indem die Täuschung anlässlich zahlreicher Präsentationen wie auch in Dokumentationen und Geschäftsunterlagen wiedergegeben wurde und er überdies noch den Willen vorspiegelte, die akquirierten Gelder bestimmungsgemäss anzulegen, erfüllt das irreführende Verhalten überdies das Kriterium der Arglistigkeit.
Durch die arglistige Täuschung wurde bei den Investoren eine Fehlvorstellung über das Handelssystem hervorgerufen. Folglich unterlagen sie im Hinblick auf die Verwendung ihres Geldes einem Irrtum.
Da die von den Investoren erhaltenen Gelder nicht angelegt, sondern zweckwidrig zur Deckung von Betriebskosten, Verbindlichkeiten gegenüber früheren Anlegern, Vermittlerprovisionen und Lizenzgebühren des Täters verwendet wurden, war die Übergabe des Geldes in bar oder mittels Überweisung geeignet, eine Vermögensverminderung bei den Investoren herbeizuführen. Eine Vermögensdisposition ist erfolgt.
Indem der Täter das von den Investoren zur Verfügung gestellte Geld zweckwidrig verwendet hat, ist bei diesen bereits im Zeitpunkt der Übermittlung des Geldes in Bar oder mittels Überweisung ein Vermögensschaden eingetreten.
Da der Täter im Hinblick auf die Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen überdies mit Vorsatz handelte und darüber hinaus die Absicht verfolgte, sich aus dem Geld der Investoren unrechtmässig zu bereichern, hat er sich nach dem Tatbestand des Betrugs strafbar gemacht. Durch die berufsmässige Betreibung des Handelssystems erfolgte die Verurteilung nach den höheren Sanktionsandrohungen des gewerbsmässigen Betrugs.
Was bedeutet das Urteil für die Praxis?
Delikte aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalistik weisen häufig sehr komplexe Strukturen auf. Meistens sind diese aber nicht bereits zu Beginn des Delikts vorhanden, sondern werden von den Tätern erst im Laufe der Zeit sowie unter grossem Einsatz von Zeit und Kreativität entwickelt. Trotz den vorhandenen und gut greifenden strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten sowie den zunehmenden Bemühungen, solchen Vergehen mittels Corporate Governance, insbesondere mit einer zuverlässigen Compliance und einem effizienten Risk Management präventiv zu begegnen, lassen sie sich nicht vollständig verhindern. Nach wie vor lassen sich Personen bei Aussicht auf einen profitablen Verdienst zu kriminellen Handlungen verleiten. Erforderliche Anpassungen an aktuelle Gegebenheiten, wie beispielsweise neue Technologien, stellen für sie kein Hindernis dar. Im Gegenteil – der Kreativität des Menschen zum Aufbau von täuschenden Strukturen kann keine Grenzen gesetzt werden. Oftmals sind sie uns sogar einen Schritt voraus. Aber nicht nur die potentiellen Täter, sondern auch die potentiellen Opfer lassen sich immer wieder durch verlockende Gewinne täuschen und tragen dazu bei, dass auch in der heutigen Zeit mit ähnlich gelagerten Fällen gerechnet werden muss. Um nicht Opfer eines Anlagebetrugs zu werden, sollte der Anleger die Person des Anlegeberaters, die Modalitäten der Geldüberweisung und insbesondere das Finanzprodukt selber vorgängig nach bestem Wissen und Gewissen kritisch prüfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn bei einem Anlageprodukt das Risiko tief, dafür die Rendite hoch sein soll. Denn letzteres ist und bleibt bedauerlicherweise lediglich ein Traum.
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