18. März 2019

Corporate Crime

Kriminalität am Arbeitsplatz

Kriminalität am Arbeitsplatz

Von Dr. Claudia V. Brunner und Susanne Grau

Was verleitet Mitarbeitende zu fehlbarem Verhalten im Unternehmen? Welche Bedingungen begünstigen solches Verhalten und wie kann sich eine Organisation wirkungsvoll davor schützen?

Damit Missstände im Unternehmen wirkungsvoll verhindert werden und fehlbares Verhalten und Probleme von Mitarbeitenden aktiv angesprochen werden, braucht es gemäss Dr. Franziska Hofer, Partner & Co-Founder brainability GmbH, mehr als eine vertrauliche Meldemöglichkeit. Entscheidungsprozesse, Kommunikationsmuster oder auch Routinen und Gewohnheiten («das war schon immer so») tragen viel dazu bei, ob Fehlverhalten als soziale Norm im Unternehmen toleriert oder angesprochen wird.

Präventive Ansätze sollten daher über den Einsatz von Integritätstests und Sensibilisierungskampagnen hinausgehen und darauf abzielen, die impliziten, verhaltenswirksamen Regeln und Normen in der Organisation aufzuspüren. Führungskräfte sind dabei – gerade in Zeiten des digitalen Wandels – besonders gefordert, nebst Innovativität und Kreativität auch eine Kultur der Fehlerfreundlichkeit und des Vertrauens zu fördern.

Interne Untersuchungen sind in Grossunternehmen heute etablierte Mittel, mögliches Fehlverhalten durch Mitarbeitende abzuklären. Dabei stehen gemäss Horst Oertle, Stellvertretender Leiter Security Forensics Switzerland, Credit Suisse AG, nicht nur die „klassischen“ Wirtschaftsdelikte wie Veruntreuung, ungetreue Geschäftsbesorgung oder Urkundenfälschung im Vordergrund, sondern auch weitere potenzielle Verstösse gegen interne Richtlinien. Werden diese nicht frühzeitig erkannt und Mitarbeitende in ihrem schädigenden Verhalten nicht gehindert, drohen einem Unternehmen nicht nur finanzielle, sondern auch Rechts- und vor allem Reputationsrisiken mit möglicherweise weitreichenden Folgen. Die professionelle Untersuchung und konsequente Ahndung von unternehmensinternem Fehlverhalten sind deshalb für ein Unternehmen von zentraler Bedeutung. Sie stehen aber erst am Schluss in der Reihe möglicher Massnahmen. Das Ziel eines Unternehmens sollte primär sein, schädigendes Verhalten gar nicht erst zuzulassen. Dies kann erreicht werden durch zielgerichtete Prävention, effiziente Früherkennung und nicht zuletzt durch eine auf Integrität und gegenseitigem Vertrauen basierende Unternehmenskultur.

Bedrohliches Verhalten oder subtile Anspielungen erzeugen Angst, verunsichern und tangieren das subjektive Sicherheitsgefühl. Oftmals liegen diese Handlungen gemäss Stephan Hofmann, Stellvertretender Dienstchef Lagezentrum/Analyse, Zuger Polizei, unterhalb der Schwelle zur strafrechtlichen Relevanz. Die Polizei hat jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, im Rahmen von kantonalen (und in speziellen Fällen eidgenössischen) Gesetzen aktiv zu werden. In verschiedenen Polizeikorps wurde deshalb das Instrument «Bedrohungsmanagement» installiert. Das Ziel dieses Instrumentes liegt in der Gefahrenabwehr und der Prävention von schweren Gewaltstraftaten. Die Polizei hat die Möglichkeit beratend im Hintergrund oder aktiv, z.B. mittels Präventivansprachen bei der Urheberschaft, zu unterstützen. Dabei steht die gemeinsame Absprache über die optimale Art der Unterstützung und die möglichen Massnahmen im Vordergrund des polizeilichen Handelns. Die polizeiliche Unterstützung ist eine mögliche Variante einer zielgerichteten Prävention, welche seine Mitarbeitende als Menschen achtet und deren Sicherheit als zentrale Aufgabe sieht.

Ist in einem Unternehmen ein Verdacht auf einen schweren internen Weisungsverstoss oder eine kriminelle Handlung entstanden und wird eine interne Untersuchung angestrebt, um die Verdachtsmomente vor der Ergreifung interner Sanktionen sowie einem allfälligen Beizug der Strafverfolgungsbehörden weiter zu erhärten, kann diese gemäss Dr. Reto Fanger, Rechtsanwalt, Advokatur Fanger, mittels der folgenden Verfahrensschritten angegangen werden:

  • Analyse der Verdachtsmomente,
  • Planung von internen Untersuchungen,
  • Durchführung der internen Untersuchung,
  • Berichterstellung
  • Bei Bedarf Beizug der sowie Berichterstattung an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden.

Bei der Analyse der Verdachtsmomente werden nach der Meldung durch Dritte oder nach eigenem Verdacht des Unternehmens das Vorliegen eines begründeten Verdachts geprüft, um die Notwendigkeit einer weiteren Untersuchung überhaupt bestimmen zu können.

Liegen begründete Verdachtsmomente vor, kann die Planung von unternehmensinternen Untersuchungen in Angriff genommen werden, um den Verdacht für einen allfälligen späteren Beizug der Strafverfolgungsbehörden erhärten zu können. Im Rahmen dieser Planung ist neben der Festlegung der personellen Verantwortlichkeiten sowie der einzusetzenden Mittel insbesondere der rechtliche Rahmen solcher interner Untersuchungen massgebend: Ausgehend von der arbeitgeberischen Fürsorgepflicht, dem daraus sich ergebenden Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmenden sowie deren Treuepflicht, dienen die einschlägigen persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Bestimmungen aus dem Arbeitsvertragsrecht (insbesondere Art. 328b OR), aus dem Datenschutzgesetz sowie aus der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (insbesondere Art. 26 ArGV3) zur Festlegung des zulässigen Vorgehens. Dabei stellen sich sowohl Fragen zur Zulässigkeit sowie der Durchführung einer Verhaltensüberwachung wie auch in Bezug auf Arbeitsplatzdurchsuchungen und Mitarbeiterbefragungen.

Bei der Durchführung einer solchen internen Untersuchung können zunächst Beweise durch technische Überwachungsmassnahmen, wie beispielsweise durch Überwachung des E-Mail-Verkehrs, der Internet- und Telefonnutzung des verdächtigen Arbeitnehmers sowie allfälliger Dritter oder ergänzend – vorausgesetzt die rechtliche Zulässigkeit und insbesondere die Verhältnismässigkeit dieser Massnamen ist im Einzelfall anhand der Schwere des möglichen Verstosses gegeben – durch den Einsatz von Spyware sowie Videoüberwachung erhoben werden. Weitere Beweisbeschaffungsmassnahmen umfassen Durchsuchungen des Arbeitsplatzes sowie des verdächtigen Arbeitnehmers oder die Befragung des verdächtigen Arbeitnehmers oder allfälliger Dritter.

Mit der Berichterstellung werden die gesammelten Beweise systematisch erfasst und ausgewertet, so dass nach allfälliger Erhärtung unternehmensinterner Sanktion ergriffen werden können oder als weitere Eskalationsstufe in schwerwiegenden Fällen auch der Beizug der zuständigen Strafverfolgungsbehörden erfolgen kann.

Sind Sie daran interessiert, detaillierter Informationen zu den angesprochenen Themen zu erhalten? Dann besuchen Sie unser Seminar „Kriminalität am Arbeitsplatz“, das am Mittwoch, den 15. Mai 2019 von 08.45 bis 16.45 Uhr am Institut für Finanzdienstleistungen in Zug stattfindet. Während den Pausen und dem Mittagessen haben Sie nicht nur die Möglichkeit, die erwähnten Expertinnen und Experten persönlich kennenzulernen, sondern haben ausserdem die Gelegenheit, sich mit weiteren Interessierten auszutauschen. Über Ihr Kommen würden wir uns sehr freuen!

Autorin: Dr. Claudia V. Brunner

Rechtsanwältin Dr. Claudia V. Brunner ist verantwortlich für den Themenbereich Wirtschaftskriminalistik, Dozentin und Projektleiterin am Institut für Finanzdienstleistungen Zug der Hochschule Luzern sowie Partnerin bei Jositsch Brunner Rechtsanwälte. Sie verfügt über weitreichende Erfahrungen im Bereich Wirtschaftskriminalität, Compliance und Wirtschaftsstrafrecht. Zudem hat sie bei der BrunnerInvest AG ein Mandat als Vizepräsidentin des Verwaltungsrats inne und ist Vorstandsmitglied der SRO PolyReg.

Autorin: Susanne Grau

Susanne Grau ist verantwortlich für den Themenbereich Wirtschaftskriminalistik, Dozentin und Projektleiterin am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern sowie Inhaberin und Geschäftsführerin der SUSANNEGRAU Consulting GmbH. Sie amtet als Vizepräsidentin von SwissAccounting und Verwaltungsrätin der Controller Akademie AG. Zudem ist sie Vorstandsmitglied der Schweizerischen Expertenvereinigung zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität SEBWK und des ACFE Switzerland Chapters.

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