19. August 2019
Von Susanne Grau und Dr. Claudia V. Brunner
Am Seminar Bilanzfälschung des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern erläuterten Expertinnen und Experten die Herausforderungen in der Praxis mit gefälschten Zahlen und Bilanzen.
Die Seminarleiterinnen Susanne Grau und Dr. Claudia V. Brunner begrüssten die interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 4. Juli 2019 zu einem Tag, der ganz im Zeichen der Bilanzfälschung stand. Der Kreis von Teilnehmenden setzte sich aus hochinteressierten Personen aus Justiz, Verwaltung und Privatwirtschaft zusammen, deren gemeinsames Interesse darin lag, sich mit der «dunklen Seite der Bilanz» zu befassen.
Bilanzfälschung aus Sicht des Strafrechts
Zu Beginn ihres Referats diskutierte Susanne Grau, Studienleiterin und Dozentin am Institut für Finanzdienstleistungen IFZ Zug der Hochschule Luzern, mit den Teilnehmenden einen aktuellen Fall aus den Medien. Im besagten Beispiel war die Geschäftsführerin die Verursacherin des Debakels. Brisant ist die Tatsache, dass die Revisionsstelle anscheinend nichts von den Ungereimtheiten gemerkt hatte. Wer ist für die falschen Zahlen verantwortlich? Wer legt das fest und wie wird das beurteilt?
In ihrer Einführung griff Susanne Grau zwei massgebende Fälle der Schweiz auf: den Fall Erb und den Fall PostAuto. Bei Erb wurden nach Fertigstellung des Jahresabschlusses die Zahlen mit dem Ziel manipuliert, bei den Banken bestehende Kredite zu verlängern oder neue Kredite zu erhalten (Kreditbetrug). Anhand des Falls PostAuto erläuterte die Referentin, wie fiktive Buchungen in der Betriebsbuchhaltung Fälschungscharakter haben können. PostAuto hatte den abgeltungsberechtigten Spartengewinn verschlechtert, um höhere (ungerechtfertigte) Abgeltungen geltend machen zu können. Die Rede ist von Subventionsbetrug und manipulierten Zahlen.
Die Anwesenden erhielten ausserdem eine Einführung in den Deliktsaufbau der Bilanzfälschung und die einzelnen strafrechtlichen Tatbestandselemente der Falschbeurkundung.
Bilanzkosmetik
Marco Passardi, Professor für Accounting am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern, widmete sich dem Thema der Bilanzpolitik. Brilliant führte er die Anwesenden anhand von anschaulichen Fallbeispielen durch die Materie.
Zunächst griff er die Gliederungsfehler auf, welche häufig keinen deliktischen Hintergrund haben dürften. Eine klare Beeinträchtigung der Aussagekraft der Jahresrechnung können gemäss dem Referenten aber qualitativ wesentliche Fehler bewirken. Bei geschäftlich «angespannten» Verhältnissen, wie beispielsweise einer drohenden Überschuldung, können qualitativ wesentliche Fehler nicht mehr klar von möglichen deliktischen Handlungen abgegrenzt werden.
Wann ist Bilanzkosmetik legal? Marco Passardi lieferte hierzu die Antwort anhand eines interessanten Beispiels. Durch die Möglichkeit, nicht mehr begründete Rückstellungen zu einem beliebigen Zeitpunkt und aus beliebigen Motiven heraus aufzulösen, bietet sich die legale Möglichkeit, den Gewinn gegenüber einem möglichen Investor bei Bedarf besser darzustellen.
Bilanzmanipulation aus Sicht der Revisionsstelle
Vom Mythos der exakten Wissenschaft der Buchprüfung und Revision berichtete Marc Arnet, Mandatsleiter Wirtschaftsprüfung bei Mattig-Suter und Partner. Die langjährige praktische Erfahrung und die Affinität zum Thema Bilanzfälschung des Wirtschaftsprüfers war von Beginn an spürbar.
Gekonnt führte er die Teilnehmenden durch praktische Fallbeispiele und griff dabei den interessanten Fall der deutschen «Flowtex»-Gruppe auf, der auf die Neunzigerjahre zurückgeht. Mit nicht existenten Spezialbohrmaschinen wurde ein fiktives Warenlager aufgebaut und ein Schneeballsystem betrieben.
Im Anschluss an die spannend geschilderten Fälle leitete Marc Arnet über zur Rolle der Revisionsstelle und zum Problem der Erwartungslücke: 89,7 % der Schweizer Firmen haben keine Revisionsstelle, 10 % haben eine eingeschränkte Revision und nur gerade 0,3 % der Firmen führen eine ordentliche Revision durch. Lediglich bei letzterer müssen die Revisoren die Auswirkungen betrügerischer Handlungsweisen im Abschluss in Betracht ziehen.
Der Bilanzfälschung auf der Spur
Zum Abschluss des Seminartages zeigte Ralph Windholz, CEO Forinco AG, wie man anhand von Tools den Fälschungen in der Bilanz auf die Spur kommt.
Der ausgewiesene und erfahrene IT-Forensiker liess es sich nicht nehmen, die Anwesenden über einige Grundlagen der Betrugsermittlung und IT-Spurensuche zu informieren und erklärte unter anderem, dass die Integrität einer Datei mittels Hashwert belegt werden kann. Letzteres ist im Hinblick auf ein allfälliges Gerichtsverfahren unumgänglich.
Mit einer Live-Demonstration zeigte der Referent ausserdem das Auffinden von Unregelmässigkeiten bei Zahlungseingängen auf und erläuterte das Gesetz von Benford. Dieses besagt, dass Zahlenwerte mit «1» als führende Ziffer viel häufiger auftauchen als solche mit einer «9». «Benford’s Law» lässt sich jedoch nur anwenden, wenn es sich um eine uneingeschränkte Zahlenreihe handelt.
Es folgten zwei zweitere Live-Demonstrationen, welche dem Publikum die Komplexität und Herausforderung der Analyse, aber auch die wertvollen Möglichkeiten und Erkenntnisse daraus sehr gut veranschaulichten: Die Prüfung identischer Adressen und die Erkennung von Anomalien in der zeitlichen Ordnung wie beispielsweise bei Buchungen ausserhalb der Arbeitszeit.
Bedürfnis nach Fachwissen
Die angeregten Diskussionen während den Referaten, in den Pausen und während dem gemeinsamen Mittagessen zeigten, wie wichtig und anspruchsvoll das Thema Bilanzfälschung ist. Für Interessierte wird das Seminar Bilanzfälschung am Mittwoch, den 17. Juni 2020 erneut durchgeführt.
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