27. Januar 2020
Von Dr. Claudia V. Brunner und Sascha Brun
Nach rund 18 Jahren endet ein Finanzstrafverfahren wegen Steuerhinterziehung in einem Freispruch und zieht eine Verurteilung der Republik Österreich zu einer Strafzahlung wegen eines exzessiven Verstosses gegen das Recht auf ein faires Verfahren sowie eine millionenschwere Schadenersatzforderung nach sich.
Wir schreiben das Jahr 2000. In den Medien ist die geplatzte Dotcom-Blase omnipräsent, bei der Kleinanleger viel Geld verloren haben. Der Euro existiert erst als Buchgeld und in Österreich wird noch mit dem österreichischen Schilling (ATS) bezahlt. Und der Salzburger Baumeister Markus Voglreiter? Der sieht sich mit einem Finanzstrafverfahren wegen Steuerhinterziehung konfrontiert. Ihm wird vorgeworfen, im Zeitraum von 1999 bis 2005 Steuern in der Höhe von 2,5 Millionen Euro hinterzogen zu haben.
Im Juni 2018 hat die Wirtschaft die Dotcom-Blase und die globale Finanzkrise überstanden. Der Euro steckt seit längerem in der Krise und in den Medien ist der Brexit omnipräsent. Und der Salzburger Baumeister Markus Voglreiter? Der sieht sich nach wie vor mit dem Finanzstrafverfahren wegen Steuerhinterziehung konfrontiert. Doch der Freispruch steht kurz bevor. Nach über 18 Jahren und siebenmaligem Richterwechsel kann Markus Voglreiter endlich aufatmen. Zumindest vorübergehend. Begründet wurde der Freispruch des Salzburger Baumeisters von der Richterin damit, dass das Gericht zwar davon ausgehe, dass Steuern hinterzogen wurden, die Zahlen des Finanzministeriums jedoch nicht nachvollziehbar seien. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass zu Beginn des Verfahrens 2,5 Millionen Euro eingeklagt waren, diese Zahl aber im Verlauf des Verfahrens mehrmals nach unten korrigiert wurde und die Anklagesumme letztlich noch 1,3 Millionen Euro betrug, lässt sich in etwa erahnen, was darunter zu verstehen ist.
Und trotz des Freispruchs ist das Leben von Markus Voglreiter ein Scherbenhaufen. Nicht nur hat er den Verlust seines Vermögens zu beklagen, sondern er trägt auch die Last eines massiven Reputationsschadens. Dass er den Spiess nun umdreht und die Republik Österreich auf rund 18 Millionen Schadenersatz verklagt, ist in Anbetracht der Umstände nachvollziehbar.
Das zweifelhafte Verfahren
Im Jahr 2011 wurde ein Absolvent des MAS Economic Crime Investigation als Berater zum Fall hinzugezogen, der sich als Jurist auf die vertrauliche Beratung solch heikler und anspruchsvoller Fälle spezialisiert hat. Dabei habe er sich einer Unzahl von rechtlich fragwürdigen Handlungen seitens der Strafverfolger, Justiz und Finanzbehörde gegenüber gesehen. So habe die Strafverfolgung der Verteidigung zum Beispiel nicht nur sämtliche Ergebnisse der Telefonüberwachung vorenthalten, sondern diese darüber hinaus auch noch von den Datenträgern gelöscht. Erst durch die Unterstützung eines IT-Forensikers und Professors der Hochschule Luzern konnten die Daten letztlich auf verschlungenen Pfaden ausfindig gemacht und gerettet werden. Im Ergebnis habe dies dazu geführt, dass der damalige Vorsitzende des Schöffengerichts die Ergebnisse der Telefonüberwachung für nicht relevant erklärte.
Aber auch der Verteidiger sei völlig unzulänglich sowie situationsinadäquat eingeschritten. So habe es dieser beispielsweise nicht der Rede wert gefunden, bei der Hausdurchsuchung im Jahr 2006 anwesend zu sein oder jemanden als Stellvertreter zu beordern. Die Konsequenz daraus sei gewesen, dass zahlreiche (Bank-)Dokumente verschwunden seien, deren Inhalt nur mühsam und partiell mit Hilfe der kontoführenden und projektkreditierenden Banken rekonstruiert werden konnte.
Handwerkszeug für den Freispruch
Die solide Basis für den erzielten Erfolg bildete das im MAS Economic Crime Investigation erlangte Wissen in den Bereichen Recht, Wirtschaftswissenschaften und Informatik sowie die vermittelten kriminaltaktischen Vorgehensweisen, ist der hinzugezogene Berater überzeugt. Ohne dieses Wissen wäre es ihm nicht möglich gewesen, die taktische und strategische Herangehensweise an den Prozess zu strukturieren und das Verfahren zu einem für Markus Voglreiter zumindest halbwegs versöhnlichen Abschluss zu bringen.
Verurteilung der Republik Österreich
In Anbetracht der zahlreichen Jahre, die seit Erhebung des Vorwurfes verstrichen sind, ist wenig erstaunlich, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Republik Österreich wegen eines exzessiven Verstosses gegen das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK zu einer Strafzahlung in der Höhe von 16’000 Euro verurteilte. Dabei hat der Europäische Gerichtshof dem Entscheid nicht einmal die rund 18 Jahren zugrunde gelegt, denen sich Markus Voglreiter dem Ganzen gegenübersah, sondern eine Verfahrensdauer von elf Jahren, zwei Monaten und zehn Tagen angenommen. Der Grund dafür war, dass der Gerichtshof nicht die Einleitung des Verfahrens durch das Finanzamt am 18. Oktober 2000, sondern erst die im Jahr 2006 wegen dem Vorwurf der Steuerhinterziehung durchgeführte Hausdurchsuchung in den Privat- und Büroräumlichkeiten als die für den Zeitenlauf auslösende Verfahrenshandlung betrachtete. Es ist zu hoffen, dass die künftigen Verfahren weniger lang dauern und Markus Voglreiter nicht bis ins Jahr 2037 warten muss, bis er den Entscheid über die Schadenersatzforderung in den Händen hält.
Der nächste Beitrag auf dem Blog Economic Crime erscheint nach den Sportferien am 17. Februar 2020.
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