9. Dezember 2019
Von Michael Dietrich
Wir begehen heute den internationalen Tag der Anti-Korruption. Verschiedene Studien zeigen erfreuliche Trends im Kampf gegen die Korruption. Gibt es am quasi höchsten Feiertag eines Certified Fraud Examiners (CFE) tatsächlich auch etwas zu feiern?
Die Vereinten Nationen haben den heutigen 9. Dezember 2019 zum internationalen Tag der Anti-Korruption ernannt. Die im Jahre 2003 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Anti-Korruptions-Resolution hat zum Zweck, das Bewusstsein für das Phänomen der Korruption zu steigern. Es soll erkannt werden, welche Bedeutung und welche Folgen korruptive Tätigkeiten entfalten können. Damit soll die Verhinderung von Korruption jeglicher Art vermehrt in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt werden.
Wie präsentiert sich die aktuelle Situation, wenn wir unseren Blick auf die Korruptionsentwicklung in der Schweiz und in Deutschland richten? Anhand zweier jüngerer Studien soll eine kurze Standortbestimmung vorgenommen werden.
Bundeslagebild Korruption
Das Bundeskriminalamt (BKA) publiziert periodisch ein Bundeslagebild zur Entwicklung der Korruption in Deutschland. Quelle dieser Informationen sind Daten der Landeskriminalämter, der Bundespolizei, des Zollkriminalamts sowie des BKAs selbst. Der jüngste Bericht zeigt eine um 22% auf noch 3’804 reduzierte Anzahl von Straftaten sowie eine praktisch halbierte Schadensumme von noch 121 Millionen Euro.
Der Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, CPI) von Transparency International misst die Wahrnehmung von Korruption auf der Basis von dreizehn Einzelindizes, verfasst von zwölf unabhängigen Institutionen. Anhand dieser Datenquellen erstellt der CPI eine Länder-Rangliste mit einer Skala zwischen 100 (keinerlei wahrgenommene Korruption) und 0 (entspricht einem hohen Ausmass an wahrgenommener Korruption). Mit dieser breiten Datenbasis gilt der CPI als weltweit bekanntester Korruptionsindex. Die aktuellste Bewertung stammt aus dem Jahr 2018 und umfasst 180 Länder. Nicht ganz ohne Stolz haben wir in der Schweiz unsere Bronzemedaille in diesem aktuellen Ranking zur Kenntnis genommen.
Freude herrscht?
Im Lichte dieser beiden Publikationen könnte man zum Schluss kommen, dass wir das Thema Korruption im Griff hätten. In Deutschland zeigt der Trend signifikant nach unten, in der Schweiz bewegen wir uns stabil auf tiefem Niveau. Also alles in Butter?
So erfreulich die Daten dieser beiden Studien erscheinen: Um uns dem tatsächlichen Stand der Korruption anzunähern, sind weitere Informationen nötig.
Im Bundeslagebild des BKA werden nur jene Korruptionsfälle erfasst, welche durch Staatsanwaltschaften und Polizei bearbeitet wurden. Zahlreiche Unternehmen und Organisationen bringen Korruptionsfälle indessen nicht zur Anzeige. Die so entstandenen Schäden sind entsprechend im Bundeslagebild nicht enthalten. Aus diesem Grund müssen wir die reduzierte Schadenssumme relativieren. Berücksichtigen wir die nicht zur Anzeige gebrachten Fälle, dürfte das tatsächliche Ausmass der durch korruptive Aktivitäten entstehenden Schäden signifikant höher liegen. Der CPI gibt Auskunft über die in der Bevölkerung wahrgenommene Korruption. Diese Wahrnehmung muss nicht zwingend mit der tatsächlich stattfindenden Korruption übereinstimmen. Im Weiteren beschränkt sich der CPI auf die Wahrnehmung der Korruption im öffentlichen Bereich. Korruptive Aktivitäten im privatwirtschaftlichen Umfeld finden also im CPI keinen Niederschlag.
Beide Publikationen wiederspiegeln also nur einen Teilbereich des Phänomens Korruption. Es wäre falsch und gleichermassen riskant, den Kampf gegen die Korruption zu vernachlässigen.
Kleine und mittlere Unternehmen als Opfer
In meiner täglichen Praxis als Certified Fraud Examiner (CFE) erlebe ich, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sich den mannigfaltigen Korruptionsrisiken oft nicht oder zu wenig bewusst sind. Dabei sind es gerade KMU, welche einem höheren Korruptionsrisiko ausgesetzt sind. Zum einen, weil sie im Vergleich zu grösseren Unternehmen typischerweise ein weniger stark ausgeprägtes Kontrollumfeld aufweisen. Zum anderen stehen KMU in der Regel bescheidenere personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung, um korruptive und deliktische Aktivitäten erkennen und verhindern zu können.
Korruption stellt für ein KMU ein Risiko mit bedeutendem Schadenspotential dar: finanziell, operationell und in Bezug auf die Reputation. Die gestiegene öffentliche Wahrnehmung von Korruption als Übel für die Gesellschaft bringt für das KMU erhöhte Reputationsrisiken. Die nationale und internationale Gesetzeslandschaft hat sich in den letzten Jahren signifikant verändert: Seit drei Jahren ist auch die Korruption im Privatsektor in der Schweiz strafbar. Ferner kann das Unternehmen selbst strafrechtlich belangt werden, wenn es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen trifft, um korruptive Handlungen zu verhindern. Schliesslich wird auf ein KMU mit Geschäftstätigkeit im Ausland das dort geltende Recht angewendet, was mitunter drakonische Massnahmen nach sich ziehen kann. Zu nennen sind hier der UK Bribery Act und der Foreign Corrupt Practices Act der USA.
Korruptive Handlungen zu erkennen und zu verhindern, stellt weiterhin eine grosse Herausforderung an den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung eines KMU dar. Es zahlt sich indessen aus, diese Verantwortung vollumfänglich wahrzunehmen.
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