25. Mai 2020
Von Michael Burri
Fälschungen und Fehlleitungen von hochpreisigen Medikamenten haben in den vergangenen Jahren ständig zugenommen. Was können Staatsanwaltschaften und Swissmedic als Strafverfolgungsbehörden dagegen tun?
Der Kaufmann, der von seinem Homeoffice in Zürich aus einen schwungvollen Handel mit Arzneimitteln aus Südafrika betrieb, dürfte nicht schlecht gestaunt haben, als sein Lieferant ihm mitteilte, er habe zu Tarnungszwecken einige dieser Medikamente einer «Desmond Tutu HIV Clinic» geschenkt. Dies hielt den Zürcher Kaufmann aber nicht davon ab, mit dem Handel fortzufahren. Ebenso wenig tat dies eine weitere Nachricht seines südafrikanischen Geschäftspartners, wonach es in Sambia ein «kleines Durcheinander» gegeben habe, der aber noch «die alte Verpackung» betroffen habe.
In einem Verwaltungsstrafverfahren des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic zeigte sich dann, worum es hier ging: Um Arzneimittel zur AIDS-Prophylaxe, die ins südliche Afrika geliefert, dort dann aber in gefälschte deutschsprachige Verpackungen umgepackt und vom Zürcher Kaufmann nach Europa reimportiert wurden. Nur ein verschwindend kleiner Teil davon gelangte bis zu den Bedürftigen vor Ort.
Attraktive, aber illegale Geschäfte
Fälle wie dieser sind leider keine Seltenheit, denn der Handel mit «fehlgeleiteten» Medikamenten-Hilfslieferungen, sogenannten «diverted medicines», ist ein äusserst lukratives Geschäft. Überlebenswichtige Arzneimittel, die von Pharmaunternehmen aus humanitären Gründen stark vergünstigt oder gar umsonst in die Dritte Welt geliefert wurden, werden von skrupellosen Händlern entgegen ihrer Zweckbestimmung wieder nach Europa zurückgeführt und hier zu marktüblichen Preisen verkauft.
Aber auch Fälschungen von Medikamenten sind in den internationalen Vertriebskanälen keine Seltenheit. Zwar bleiben die Patienten in der Schweiz fast immer davon verschont. Unser Land ist aber mitbetroffen, weil hier Zwischenhändler aktiv sind, die mit solchen Arzneimitteln Handel treiben. Gemäss der Statistik des Pharmaceutical Security Institute PSI – einer Non Profit-Organisation, welche Informationen über illegale Transaktionen mit Arzneimitteln sammelt – hat sich die Zahl der Fälle gefälschter, fehlgeleiteter oder gestohlener Medikamente zwischen 2014 und 2018 weltweit mehr als verdoppelt.
Strafrechtliche Instrumente
In meiner Abschlussarbeit im Rahmen des Studiengangs «MAS Economic Crime Investigation» habe ich untersucht, nach welchen Tatbeständen des Vermögensstrafrechts und des Heilmittelgesetzes solche Fälschungen und Fehlleitungen von Arzneimitteln strafrechtlich verfolgt werden können. Als Grundlage dienten mir die Fälle, die der Strafrechtsdienst von Swissmedic in den letzten 15 Jahren selber verfolgt oder bei denen er eine andere Strafverfolgungsbehörde unterstützt hat Die Swissmedic und das Heilmittelgesetz gibt es erst seit 2002.
Wer Arzneimittel-Hilfslieferungen fehlleitet, erfüllt den Tatbestand des Betrugs. Denn für die Pharmaunternehmen, welche die Arzneimittel vergünstigt oder unentgeltlich ausliefern, ist es in der Regel nicht möglich, den weiteren Vertriebsweg ihrer Produkte zu kontrollieren. Durch die Fehlleitung ihrer Hilfslieferungen werden sie somit arglistig getäuscht, und ebenso werden sie an ihrem Vermögen geschädigt. Gerichtsurteile, welche dies anders beurteilen, vermögen nicht zu überzeugen.
Die späteren Abnehmer von fehlgeleiteten Hilfslieferungen können sich zudem der Hehlerei schuldig machen, wenn sie die Herkunft der Ware und die Berechtigung ihrer Lieferanten nicht mit der erforderlichen Sorgfalt prüfen; sie unterliegen damit einem «Know your Supplier»-Gebot. Noch weitergehende Pflichten kennt das Heilmittelrecht für die Prüfung von Verpackungen und Analysezertifikaten und die Laboranalyse von Mustern. Wer diese Pflichten nicht beachtet, wird von Swissmedic verfolgt und bestraft. Die Sorgfaltspflichten sind damit zentraler Ausgangspunkt für die Beurteilung von Verstössen sowohl gegen das Heilmittelgesetz wie gegen das Strafgesetzbuch.
Die Fälschung von Arzneimitteln konnte bis Ende 2018 lediglich als Warenfälschung verfolgt und bestraft werden. Seit 2019 gibt es im Heilmittelgesetz nun aber eine eigenständige Strafnorm, die im Unterschied zur Warenfälschung nach Strafgesetzbuch auch die fahrlässige Tatbegehung ahndet und deutlich höhere Strafen vorsieht. Damit wird ein Kernanliegen der «Medicrime»-Konvention des Europarats, die für die Schweiz anfangs 2019 in Kraft getreten ist, umgesetzt. Mit dieser Konvention sollen die Instrumente zur Bekämpfung des illegalen Arzneimittelhandels verbessert werden
Arbeitsteilung zwischen Strafverfolgern
Der Handel mit gefälschten und fehlgeleiteten Medikamenten ist somit nach Strafgesetzbuch wie auch nach Heilmittelgesetz strafbar. Zur Verfolgung der Tatbestände des Strafgesetzbuches sind die Staatsanwaltschaften zuständig, bei Straftaten nach dem Heilmittelgesetz ist es Swissmedic. Es ist aber nicht sinnvoll, wenn mehrere Strafverfolgungsbehörden wegen des gleichen Sachverhalts je ein eigenes Verfahren führen.
In meiner Arbeit bin ich deshalb zum Schluss gelangt, dass die Swissmedic ihre Verfahren, die sie bei fehlgeleiteten Arzneimittel-Hilfslieferungen wegen Verdachts auf Sorgfaltspflichtverletzungen führt, an die zuständige Staatsanwaltschaft abtreten soll. Umgekehrt scheint es sinnvoll, dass die Staatsanwaltschaften der Swissmedic „den Vortritt lassen“, wenn es um Arzneimittelfälschungen geht. Dafür sprechen neben der höheren Strafdrohung und der umfassenderen Geltung des Tatbestands des Heilmittelgesetzes das bei Swissmedic vorhandene Fachwissen und die Verpflichtung, gefälschte Arzneimittel zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zurückzurufen.
Meine Erkenntnisse sollen dazu beitragen, den illegalen Handel mit gefälschten und fehlgeleiteten Arzneimitteln wirkungsvoller als bisher zu bekämpfen. Mindestens im Fall des eingangs erwähnten Zürcher Kaufmanns war dieser Kampf erfolgreich. Er wurde zu einer (bedingten) Geldstrafe und einer Busse verurteilt und musste der Swissmedic einen illegal erzielten Gewinn in der Höhe von rund 0.75 Millionen Schweizer Franken abliefern.
Weiterführende Informationen liefert der Artikel „Eine zweite Swiss Connection“ des Beobachters vom 8. November 2016.
Der nächste Beitrag auf dem Blog Economic Crime erscheint am 8. Juni 2020.
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