16. Januar 2023
Von Claudia Vogt
Der Anteil an Klein- und Mittelunternehmen (KMU) ist in der Schweiz mit 99 % sehr hoch. Sie stellen demnach einen wichtigen Faktor der Schweizer Wirtschaft dar. Entsprechend werden sie von Politik, Gesetzgeber und Regierung geschätzt, gefördert und entlastet. Welche Konsequenzen hat die Allgemeinheit durch diese politische Haltung zu tragen und was könnte dagegen unternommen werden?
Die Förderung der Klein- und Mittelunternehmen (KMU) in der Schweiz führte unter anderem dazu, dass Gesellschaften mit bis zu 249 Vollzeitstellen, einer Bilanzsumme von unter 20 Millionen Schweizer Franken oder einem Umsatz von unter 40 Millionen Schweizer Franken ihre Jahresrechnung seit dem 1. Januar 2008 lediglich einer eingeschränkten Revision unterziehen können. Ein Unternehmen mit maximal 10 Vollzeitstellen, auch Mikrounternehmen genannt, kann vollständig auf eine Revision der Jahresrechnung verzichten. Hierzu benötigt es die Zustimmung der Aktionäre, beziehungsweise der Gesellschafter. Da bei den Mikrounternehmen der Verwaltungsrat, beziehungsweise Geschäftsführer regelmässig identisch mit dem Aktionariat, beziehungsweise den Stammanteilinhabern sind, fehlt im Ergebnis ein Kontrollmechanismus.
Die Revisionsstelle als Prüfinstanz
Vor der Gesetzesänderung waren die Revisionsstellen eine Art unabhängige Instanz in der Organisation der Gesellschaften. Sie waren in gewissen Situationen, wie beispielsweise im Falle einer Überschuldung, gesetzlich verpflichtet, gegen aussen aktiv zu werden. Und weil sie den Jahresabschluss zu prüfen hatten, wurden der Verwaltungsrat oder die Geschäftsführung ermahnt, wenn dieser nicht innert Frist erstellt wurde oder fehlerhaft war. So war es vor der Gesetzesänderung regelmässig möglich, mittels Aktenedition bei der Revisionsgesellschaft der betroffenen Unternehmung wichtige und nützliche Beweismittel zu beschaffen. Heute können sich Staatsanwältinnen und Staatsanwälte den Blick ins Handelsregister grundsätzlich ersparen. Denn ein Grossteil der Gesellschaften, die im Zusammenhang mit einer Strafuntersuchung stehen, haben auf die Revision verzichtet.
Dass den Strafverfolgungsbehörden ein wichtiges Beweismittel nicht mehr zur Verfügung steht, ist nur ein Aspekt der Problematik. Schwerer wiegt die Tatsache, dass mit der Gesetzesänderung ein wichtiger Präventivmechanismus im Bereich der Wirtschaftskriminalität, insbesondere im Hinblick auf Konkursdelikte, weggefallen ist.
Unternehmen führen oftmals nur so lange eine Buchhaltung, wie die finanzielle Lage noch gut ist. Es kommt aber auch vor, dass von Beginn an gar keine Geschäftsbücher geführt werden. Denn niemand fragt danach. Eine Treuhandfirma, welche zur Erstellung der Buchführung beauftragt wurde, wird ihr Mandat niederlegen, wenn die Rechnungen nicht mehr bezahlt werden (können) oder andere Probleme auftauchen. Warum also sollte sich die geschäftsführende Person um die Führung von Geschäftsbüchern bemühen, wenn es doch nur mühsam ist, kostet oder andere Probleme bereitet?
Wer hier auf ein Korrektiv über die Steuerpflicht hofft, wird oftmals ebenso enttäuscht. Nicht selten endet der Beizug von Steuerakten, inklusive Jahresrechnung, im Strafverfahren mit der Rückmeldung der Steuerverwaltung, dass die Gesellschaft mit der Steuererklärung arg im Verzug sei. Oder sie wurde wegen Nichteinreichung der Steuerklärung nach Ermessen veranlagt.
Die Strafverfolgung hat in dieser Situation nur die Möglichkeit, die Täterschaft konkursiter Unternehmen konsequent wegen unterlassener Buchführung oder allenfalls wegen Misswirtschaft zu bestrafen. Hier drohen immerhin eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Allerdings ist es dann bereits zu spät, da das Unternehmen bereits in Konkurs gegangen ist, beziehungsweise aufgrund der objektiven Strafbarkeitsbedingung der Konkurs eröffnet sein muss. Vor dem Konkurs wäre die Bestrafung wegen nicht ordnungsgemässer Buchführung möglich. Diese kann jedoch lediglich mit einer Busse geahndet werden.
Das Strafrecht kann es nicht richten
Wirtschaftsförderung ist wichtig und eine zu hohe Regelungsdichte kann den Unternehmen schaden. Aber die vielen Konkurse, die je länger, je häufiger zur Verfolgung von Konkursdelikten führen, kosten die Allgemeinheit ebenfalls viel Geld. Das Strafrecht soll «ultima ratio» sein und damit nur als letztmögliche Massnahme eingesetzt werden müssen. Demnach sollte der vollständige Verzicht einer Revision politisch überdacht und diskutiert werden. Das im Sommer 2022 von der Bundesversammlung verabschiedete Bundesgesetz über die Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses, berücksichtigt den Aspekt der Revisionspflicht leider nicht.
In der Zwischenzeit liegt es an der Strafverfolgung, die Möglichkeiten des Strafrechts auszuschöpfen und die Vernachlässigung der Führung der Geschäftsbücher gebührend und entsprechend ihrem Schadenspotential zu bestrafen. Sie darf nicht zu einem Kavaliersdelikt verkommen, weil faktisch keine Konsequenzen drohen.
Neben den Strafverfolgungsbehörden können Steuer-, Betreibungs- und Konkursämter ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten. Bei Anzeichen von Konkursverschleppung ist schnelles und nachdrückliches Handeln von grosser Wichtigkeit, damit die Unternehmen auch tatsächlich Konsequenzen zu gegenwärtigen haben.
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