6. März 2023

Corporate Crime,

Wirtschaftsrecht

Die Schweiz – ein Paradies für Konkursreiter und Unternehmensbestatter?

<strong>Die Schweiz – ein Paradies für Konkursreiter und Unternehmensbestatter?</strong>

Von Roland Berli

Das nationale Parlament will den Sumpf organisierter Konkursreiterei mit Unternehmensbestattung in der Schweiz trockenlegen und mit diversen Gesetzesänderungen bekämpfen. Aber können die beschlossenen Gesetzesänderungen den missbräuchlichen Konkurs tatsächlich (nachhaltig) eindämmen?

Für selbstständig Erwerbende ist es ein Schreckgespenst: Erledigte Aufträge oder Warenlieferungen an vermeintlich seriöse Unternehmen werden nicht bezahlt, auf Mahnungen wird nicht reagiert. Auch das anschliessende Betreibungsverfahren führt nicht zum erhofften Erfolg. Selbst nach einem durchgeführten Konkursverfahren bleibt kaum Vermögen übrig, das unter den vielen Geschädigten verteilt werden kann. In den meisten Fällen stellen die Konkursrichter solche Verfahren mangels Aktiven ein und die Geschädigten gehen definitiv leer aus. Denn höchstens aus persönlichen Gründen ist jemand bereit, einen Vorschuss für die Durchführung des Konkursverfahrens zu leisten und damit «gutes Geld schlechtem» nachzuwerfen. Das muss sich ändern, sind sich die eidgenössischen Räte einig und haben ein Massnahmenpaket gegen sogenannte «Unternehmensbestatter» geschnürt.

Der Weg in die Insolvenz

Eine Unternehmung ist nicht von heute auf morgen zahlungsunfähig, vielmehr ist bereits im Vorfeld aus den verschiedensten Gründen einiges schiefgelaufen. Meistens haben die Unternehmensorgane versagt, indem sie Warnsignale, sogenannte «Red Flags», zu wenig beachteten oder ganz einfach ignorierten.

Quelle: Lizenzierte iStocks des Autors

So ziehen beispielsweise in der Baubranche sogenannte Wegwerfgesellschaften – das sind Gesellschaften, bei denen der Konkurs Bestandteil des Geschäftsmodells ist – mit Dumpingpreisen Aufträge an Land. Um die unrentablen Aufträge finanziell bewältigen zu können, zahlen deren Inhaberinnen und Inhaber die öffentlich-rechtlichen Abgaben oder Sozialversicherungsbeiträge nicht. Nur so können sich finanziell angeschlagene Unternehmen für eine gewisse Zeit ihre Liquidität sichern und sich im Markt halten – der Schaden ist aber bereits angerichtet. Da sich die Inhaberinnen und Inhaber darüber hinaus grosszügig aus der Betriebskasse bereichern, drückt irgendwann der Schuldenberg und das Unternehmen ist nicht mehr zu retten. Nun greifen sie zu drastischen Mitteln: Sie vertrauen auf die «Rettung in der Not», die sogenannte Firmenbestattung. Von einer solchen wird gesprochen, wenn eine Rechtseinheit planmässig in den Konkurs geführt wird und ihr dabei sämtliche Vermögenswerte entzogen werden. Trennungswillige Organe geben dabei einer Vermittlerin oder einem Vermittler gegen Honorar den Auftrag, die finanziell marode Unternehmung «zu bestatten» und verfolgen damit das Ziel, sich den angehäuften Schulden zu entledigen. Zu diesem Zweck setzen die Vermittlerinnen oder Vermittler sogenannte «Strohleute» als «Scheinorgane» ein, die die Unternehmen willentlich in den Konkurs laufen lassen. Zuvor schaffen die bisherigen Inhaberinnen und Inhaber alle werthaltigen Aktiven beiseite. Das Scheinorgan bestellt in der Folge Güter aller Art auf die Unternehmung, ohne diese zu bezahlen und bereichert damit sich selbst. Eine Zahlungsabsicht besteht längst nicht mehr.

Die Strippen werden im Hintergrund gezogen

Die Geschicke der überschuldeten Gesellschaft leiten sogenannte «Strippenzieher», also Personen im Hintergrund, die sich nicht selbst in den Fokus strafrechtlicher Verfolgung bringen wollen. Auch sie bereichern sich widerrechtlich an den Bestellungsbetrügen des Scheinorgans. Ausser Schulden ist in der untergehenden Gesellschaft letztlich nichts mehr vorhanden.

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Die abtretenden Organe wollen sich in einem drohenden Strafverfahren nicht dem Vorwurf der Misswirtschaft aussetzen. Stellt die Strafverfolgungsbehörde allerdings fest, dass die Unternehmung längst überschuldet gewesen war und die rechtlich gebotene Überschuldungsanzeige unterblieben ist, droht eine Verurteilung. Dabei hilft es den abtretenden Organen nicht, wenn sie ihre Unternehmung einem Vermittler anvertrauen und mit einem Scheinorgan «an die Wand fahren» lassen. Denn die Fehler passierten in aller Regel schon vor der Unternehmensbestattung.

Wie will das Parlament der Konkursreiterei zu Leibe rücken?

Fünf Massnahmen verbessern ab 2024 den Kampf gegen den missbräuchlichen Konkurs:

  1. Stellt das Konkursamt in einem Konkursverfahren strafbares Verhalten der Organe fest oder liegt ein Missbrauchsverdacht vor, muss es bei der zuständigen Staatsanwaltschaft zwingend Strafanzeige erstatten. Bei Verurteilungen durch das Gericht können gegen straffällige Personen Tätigkeitsverbote ausgesprochen werden, was im Handelsregister zu einer Löschung ihrer Funktionen für eine festgelegte Zeitspanne führt.
  2. Im Handelsregister werden die Datenbanken der Rechtseinheiten, also diejenigen der Unternehmen sowie deren Personen, zusammengeführt. Damit wird es für jedermann möglich, den «Werdegang» von Personen sichtbar zu machen und festzustellen, in welchen Unternehmen sie welche Funktionen ausüben oder ausübten. Personen mit gerichtlich auferlegten Tätigkeitsverboten sind als gelöscht gekennzeichnet.
  3. Der Mantelhandel wird im Obligationenrecht mit dem neu geschaffenen Artikel 684a verboten. Die Bestimmung gilt für Unternehmen, die keine geschäftliche Tätigkeit mehr ausführen, über keine Aktiven verfügen und überschuldet sind. Handelsregisterämter können bei Missbrauchsverdacht Bilanzen einverlangen und gegebenenfalls den Eintrag von Eigentümerwechseln verweigern.
  4. Das rückwirkende Opting out, gemeint ist damit der rückwirkende Verzicht auf eine Revisionsstelle, wird abgeschafft. Ein Opting out ist künftig nur noch für das Folgejahr möglich und dies auch nur dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind.
  5. Öffentlich-rechtliche Anstalten, wie beispielsweise Steuerämter oder die schweizerische Unfallversicherung SUVA, können nicht mehr wie bis anhin auf Pfändung betreiben, sondern nur noch (zwingend) auf Konkurs.

Problem gelöst?

Es dauerte über 10 Jahre und benötigte drei Differenzbereinigungen der eidgenössischen Räte, bis sich das Parlament auf einen Konsens einigen konnte. Dabei verfolgte die kleine Kammer stets eine konsequentere Linie als der Nationalrat. Die vom Parlament im Frühjahr 2022 verabschiedeten, gesetzlichen Verschärfungen sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Den missbräuchlichen Konkurs werden sie jedoch kaum verhindern können. Dies schon deshalb nicht, weil nur Gerichte Tätigkeitsverbote aussprechen können. Die meisten Verfahren werden aber bereits von der Staatsanwaltschaft mit einem Strafbefehl erledigt. Damit wird es zu weitaus weniger Tätigkeitsverboten kommen, als sich dies das Parlament wünscht. Es bleibt zu hoffen, dass die parlamentarischen Kompromisse in den vorberatenden Rechtskommissionen im Ergebnis nicht dazu führen, dass die gesetzlichen Anpassungen in der Bekämpfung missbräuchlicher Konkurse zum zahnlosen Tiger verkommen.

Autor: Roland Berli

Roland Berli blickt auf eine über 18-jährige Ermittlungstätigkeit bei der Kantonspolizei Zürich zurück. Ab 2001 machte er sich mit seiner Unternehmung R. Berli TREUHAND AG selbstständig. Nebst einer Polizei- und Treuhänderausbildung verfügt er über ein juristisches Grundstudium, zwei Executive MBA in Wirtschaftsrecht und Unternehmensnachfolge sowie einen MAS in Economic Crime Investigation. Derzeit verfasst er eine Dissertation zum Thema «Konkursreiterei» an der Middlesex University London.

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