8. Mai 2023

Allgemein,

Forensics & Investigation,

Wirtschaftskriminalistik

Whistleblowing – ein effizientes Frühwarnsystem

<strong>Whistleblowing – ein effizientes Frühwarnsystem</strong>

Von Mona Fahmy

Hinweisgebende Personen decken im Idealfall dunkle Machenschaften auf. Doch anders als in der EU müssen Unternehmen in der Schweiz noch keine Whistleblowing-Hotline einführen. Dabei gäbe es gute Gründe dafür.

Ohne sogenannte «Whistleblower», also hinweisgebenden Personen, würden Missstände in Unternehmen, Behörden oder Institutionen oft verborgen bleiben. So machte beispielsweise der ehemalige Mitarbeiter des amerikanischen Nachrichtendienstes CIA, Edward Snowden, bekannt, wie die USA weltweit Kommunikationsflüsse überwachte. Eine andere Whistleblowerin, die ehemalige US-Armeeangehörige Chelsea Manning, brachte Videos von US-Angriffen auf Zivilisten an die Öffentlichkeit. Einer der bekanntesten Whistleblower in der Schweiz ist Adam Quadroni, der das Bündner Baukartell enthüllte.

Obwohl Whistleblower dank ihres Insiderwissens bestenfalls den entscheidenden Hinweis zur Aufdeckung dunkler Machenschaften geben, werden sie oft als Nestbeschmutzer bezeichnet. Sie haben mit Konsequenzen zu rechnen, wenn bekannt wird, dass sie den Missstand gemeldet haben. Mit der EU-Richtlinie 2019/1937, der sogenannten EU-Whistleblower-Richtlinie, sind hinweisgebende Personen in der EU mittlerweile besser vor Repressalien beziehungsweise Vergeltungsmassnahmen geschützt. Die Richtlinie trat im Dezember 2019 in Kraft. Bis Dezember 2021 mussten die EU-Mitgliedstaaten die Vorgaben in nationales Recht umsetzen. Mehrere EU-Staaten, darunter auch Deutschland, schafften es jedoch nicht, fristgerecht ein Gesetz zu verabschieden. Das vom Deutschen Bundestag im Dezember 2022 verabschiedete Gesetz hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 10. Februar 2023 abgelehnt. Bundesregierung und Bundestag müssen nun zunächst einen Kompromiss finden. Das Gesetz schützt hinweisgebende Personen insbesondere vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen, wie beispielsweise einer Kündigung.

In der Schweiz ist die EU-Richtlinie nicht direkt anwendbar. Schweizer Unternehmen, die im EU-Raum Geschäfte tätigen, können aber davon betroffen sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie in der EU Niederlassungen mit 50 oder mehr Mitarbeitenden betreiben. Diese Unternehmen müssen künftig über eine Whistleblowing-Hotline verfügen.

Whistleblowing-Hotline schützt Unternehmen

Bei grösseren Unternehmen und Behörden gehören Whistleblowing-Hotlines mittlerweile aus gutem Grund zur sogenannten «Best Practice», also zu den bewährten Vorgehensweisen. Hinweisgebende Personen weisen die Geschäftsleitungen frühzeitig auf Fehlverhalten oder Straftaten im Betrieb hin und eröffnen dadurch die Möglichkeit, Missstände anzugehen, bevor der Schaden zu gross ist und/oder rufschädigende Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Damit können Reputationsrisiken, finanzielle Schädigungen, Verwarnungen von Aufsichtsbehörden und Strafen verhindert werden.

Hinweise über Fehlverhalten können sowohl intern, mittels eines eigens dafür eingerichteten Meldesystems, als auch extern, über eine Whistleblowing-Hotline, die Strafverfolgungsbehörden oder die Medien, anonym erfolgen. Der Schritt nach aussen erfolgt meist dann, wenn der Versuch, intern auf Missstände hinzuweisen, gescheitert ist oder wenig Vertrauen in die internen Untersuchungsabläufe besteht. Ein sorgsamer und überlegter Umgang mit Whistleblower-Meldungen, nicht zuletzt, um den Gang an die Öffentlichkeit zu verhindern, liegt demnach im Interesse der Unternehmen.

Herausforderungen beim Umgang mit hinweisgebenden Personen

Hinweisgebende Personen können von Mobbing betroffen sein. Im schlimmsten Fall droht gar der Jobverlust. Aus diesem Grund ist es entscheidend, ihre Anonymität zu wahren. Ebenso wichtig ist es, Whistleblower bereits vor der Meldung auf die Risiken von Mobbing bis zum Jobverlust aufmerksam zu machen, beispielsweise mit einem Disclaimer auf der Hinweisgeber-Plattform.

Da Nachfragen zur Abklärung des Sachverhalts oft unerlässlich sind, sollte die Whistleblowing-Hotline beziehungsweise -Plattform über anonyme Kanäle verfügen, mit denen eine Kommunikation mit den hinweisgebenden Personen möglich ist. Ausserdem ist darauf zu achten, dass die Plattform unabhängig betrieben wird und diejenigen, welche die Meldungen prüfen, sich nicht in einem Interessen- oder Loyalitätskonflikt befinden.

Eine weitere Herausforderung stellt die Überprüfung der Meldungen auf ihre Richtigkeit hin dar. Kann diese stimmen? Will die hinweisgebende Person jemanden anschwärzen? Handelt sie aus Rache? Es kann vorkommen, dass die Personen nicht ehrenhaft und uneigennützig handeln, sondern persönliche Motive im Vordergrund stehen. Daher ist es wichtig, den Sachverhalt genau zu klären und die Meldung in den Gesamtkontext zu stellen.

Für Personen, die aufgrund von Hinweisen mit Vorwürfen konfrontiert, also eines Fehlverhaltens beschuldigt werden, gilt stets die Unschuldsvermutung. Bevor eine Untersuchung nicht die nötigen Beweise liefert, sollten die Unternehmen unverhältnismässiges Verhalten gegenüber den betroffenen Personen vermeiden. Denn letzteres könnte unerwünschte Konsequenzen zur Folge haben und überdies bei den Betroffenen zu schädigenden Verhaltensweisen gegenüber dem Unternehmen oder anderen Personen führen.

Börsenkotierte internationale Unternehmen verfügen meistens über das nötige rechtliche und investigative Wissen, um adäquat und zielgerichtet mit solchen Meldungen umzugehen. Kleineren und mittleren Unternehmen fehlen hingegen häufig das Fachwissen und die Ressourcen. Deswegen müssen sie aber nicht auf eine Whistleblowing-Hotline verzichten. Externe Fachpersonen können sie dabei von der Triage der Meldungen, also deren Ersteinschätzung und Einordnung, bis hin zur Untersuchung des Sachverhalts unterstützen.

Whistleblowing-Plattformen sind Frühwarnsysteme

Whistleblowing-Plattformen sind im Hinblick auf die Bekämpfung von unethischem Verhalten sowie von strafbaren Handlungen in Unternehmen, Behörden und Institutionen wichtige Frühwarnsysteme. Sie helfen den Organisationen, sich vor Reputationsschäden und finanziellen Verlusten zu schützen. Anders als in der EU ist in der Schweiz der Schutz von Whistleblowern nicht ausreichend geregelt. Dies ist in Bezug auf den Umgang mit hinweisgebenden Personen stets zu beachten. Ebenfalls ist es wichtig, die Klärung des Sachverhalts, den sogenannten Faktencheck, stets sorgfältig vorzunehmen. Die Motivation der hinweisgebenden Person sollte bekannt und die Meldung auf ihre Plausibilität hin überprüft worden sein. Dadurch lässt sich das Risiko vermindern, dass Unschuldige zu Unrecht beschuldigt werden.

Autorin: Mona Fahmy

Monica Fahmy ist Ökonomin (MA UZH) und Absolventin des MAS Economic Crime Investigation. Sie ist COO bei der auf Third Party Due Diligence, Investigations und Business Intelligence spezialisierten Firma AC Assets Control AG und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Expertenvereinigung zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität SEBWK.

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