24. März 2025

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Whistleblowing in der öffentlichen Verwaltung: ein Muss mit Mehrwert!

Whistleblowing in der öffentlichen Verwaltung: ein Muss mit Mehrwert!

Von Eric-S. Jeannet

Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) betreibt die gesetzliche Whistleblowing-Meldestelle der Bundesverwaltung. 2017 hat sie die professionelle und sichere Meldeplattform eingeführt, um den Austausch mit anonymen Hinweisgebenden zu vereinfachen. Es hat sich gelohnt: Mehr als die Hälfte der meist anonymen Meldungen ist für die Tätigkeit der EFK nützlich.

Die EFK hat beim Whistleblowing Pionierarbeit geleistet, indem sie verschiedene Stellen der öffentlichen Verwaltung beim Aufbau ihrer Meldestelle unterstützte. 2011 standen noch verschiedene Meldestellen in der Bundesverwaltung miteinander im Wettbewerb, doch nun betreibt die EFK seit über 10 Jahren die offizielle Whistleblowing-Stelle für die gesamte Bundesverwaltung. Ein zentrales Anliegen ist es, die Hemmschwelle der Mitarbeitenden für eine Meldung weiter zu senken.

Die EFK ist eine Aufsichtsbehörde, die risikoorientiert prüft. Wenn sie aufgrund einer Meldung eingreifen muss, hat dies oft Konsequenzen für die betroffene Verwaltungseinheit. Hinweisgebende könnten in einen Loyalitätskonflikt geraten, wenn sie eine EFK-Prüfung miterleben. Daher ist die Hemmschwelle gross, eine Unregelmässigkeit zu melden, die nur als wenig störend empfunden wird. Erst wenn die Situation unerträglich wird, oder Meldungen intern nicht ernst genommen werden, nutzen Hinweisgebende die EFK-Plattform − und dies meist anonym.

Handelt es sich hingegen um strafbare Handlungen, sind die Mitarbeitenden verpflichtet, diese entweder ihren Vorgesetzten, der Strafverfolgungsbehörde oder der EFK zu melden. Tun sie dies nicht, machen sie sich möglicherweise zu Komplizen einer potenziellen Straftat. Gleiches gilt für die Vorgesetzten. Es ist deshalb wichtig, dass die Mitarbeitenden systematisch für den Inhalt von Artikel 22a des Bundespersonalgesetzes (BPG) sensibilisiert werden. Der neue Verhaltenskodex der Bundesverwaltung macht übrigens auf diesen Aspekt aufmerksam, was einen Fortschritt in der Aufklärungsarbeit bedeutet. Weitere Sensibilisierungs- und Kommunikationsmassnahmen wird die EFK auch zukünftig fördern.

Wirkungsvolles Whistleblowing bei der EFK

Die EFK ist die richtige Stelle innerhalb der Bundesverwaltung, um ein wirkungsvolles Whistleblowing zu betreiben. Sie ist zwar Teil der Bundesverwaltung, das Gesetz garantiert ihr aber auch Unabhängigkeit. Durch ihre Kontakte mit den internen Revisionen der Bundesverwaltung, den städtischen und kantonalen Finanzkontrollen sowie den ausländischen Rechnungshöfen ist sie sehr gut vernetzt und pflegt einen regelmässigen Wissens- und Erfahrungsaustausch. Zudem kann sie bei der Bearbeitung von schwierigen und komplexen Fragestellungen auf die vielfältigen Kompetenzen ihrer erfahrenen Prüferinnen und Prüfer zurückgreifen. Sie ist in der Lage, gemeldete Unregelmässigkeiten oder Verstösse zu plausibilisieren und die notwendigen Massnahmen einzuleiten.

Weiter veröffentlicht sie ihre Prüfberichte, so dass die Hinweisgebenden über das Vorgehen der EFK informiert sind, falls eine Meldung zu einer Prüfung führt. Gemäss der Association of Certified Fraud Examiners (ACFE) ermöglicht die Kumulation von externen und internen Revisionen sowie externen Hinweisen eine Aufdeckungsquote bei betrügerischen Handlungen von 60 Prozent. Die EFK kombiniert alle Aspekte durch ihre verschiedenen Tätigkeiten und Aufgaben, was ein wirkungsvolles Vorgehen gewährleistet.

Klare Prozesse und Vertraulichkeit

Die Prozesse sind klar geregelt und die Meldungen werden streng vertraulich behandelt. In Art. 34c BPG ist ein gewisser Whistleblower-Schutz verankert. Daneben spielt aber auch die Anonymisierung eine zentrale Rolle: Das schützt die Hinweisgebenden – sofern sie dies wünschen – zusätzlich. Zudem sucht die EFK oft selbst Beweise, um die Hinweisgebenden so wenig wie möglich zu belasten.  Bei Anhaltspunkten für strafrechtlich relevante Vorkommnisse übermittelt sie den Fall an die Strafverfolgungsbehörden, wobei sie mit den Bundes- und Staatsanwaltschaften, Polizeien und Aufsichtsbehörden eine sehr gute Zusammenarbeit entwickelt hat. Dies erlaubt es ihr, rasch einzugreifen und schwierigen Situationen adäquat zu begegnen.

Stabile Anzahl Fälle

Vor der Einführung der Plattform im Jahr 2017 wurden jährlich im Durchschnitt 74 Fälle behandelt. Danach stieg die Anzahl ständig an. Insbesondere während der Covid-19-Pandemie nahmen die Fälle stark zu (siehe Abbildung).

Statistik aus dem EFK-Jahresbericht 2024

Zwischen 2020 und 2022 gingen über 500 Hinweise auf potentielle Betrugsfälle bei Kurzarbeitsentschädigungen auf der Plattform ein. Diese Hinweise wurden zur Plausibilisierung anonymisiert an die Aufsichtsbehörde beim SECO weitergeleitet. Falls nötig, wurden sie anschliessend durch eine Arbeitgeberkontrolle validiert. Bei jedem dritten Fall konnten Unregelmässigkeiten bestätigt werden. Mehr als ein Dutzend Fälle wurden zudem bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht. Über 20 Millionen Franken wurden bereits zurückgefordert. Das SECO hat auch direkte Hinweise erhalten.

Die Covid-19-Pandemie dürfte dazu geführt haben, dass der Bekanntheitsgrad der EFK-Plattform zugenommen hat, denn nach 2022 haben die Gesamt-Fallzahlen nicht abgenommen, obwohl die Covid-19-relevanten Fälle rückläufig waren. Im Jahr 2024 hat die EFK-Meldestelle die Voraussetzungen verschärft, damit eine Meldung als Fall weiterbehandelt wird. Dies war nötig, weil es zu einer starken Zunahme von Meldungen kam, für welche die EFK nicht zuständig ist. Die Anzahl behandelter Fälle hat sich nun bei 375 stabilisiert (Vorjahr 372).

Drei Fünftel der Hinweise sind nützlich für die EFK-Prüfungen

Im Jahr 2024 waren 215 Hinweise von Nutzen für die Risikoanalyse oder Prüfungen der EFK. In 16 Fällen war es notwendig, rasch zu reagieren und Sofortmassnahmen zu ergreifen. Dabei ging es insbesondere um Führungsprobleme in einer öffentlichen Organisation, die zu einer für zahlreiche Mitarbeitenden unerträglichen Situation geführt hatten, so dass mehrere anonyme Meldungen bei der EFK eingingen. Die Situation konnte in der Zwischenzeit bereinigt werden. Weitere Meldungen betrafen einen Korruptionsverdacht in einer dezentralen Organisation, der an die Bundesanwaltschaft weitergeleitet und von der Strafverfolgungsbehörde abgeklärt wurde. Das Verfahren wurde mangels stichhaltiger Beweise eingestellt.

Die Meldestelle schafft einen Mehrwert

Die Meldestelle hat dazu beigetragen, Transparenz zu schaffen und die Situation in bestimmten Organisationen zu verbessern − sei es in Bezug auf eine ungesunde Unternehmenskultur, eine chaotische Organisation, nicht ordentlich ausgeschriebene Beschaffungen, mangelnde IT-Sicherheit in sensiblen Geschäftseinheiten, Betrugs- oder Korruptionsverdacht und Vieles mehr. Der EFK ist kein Fall bekannt, in welchem die hinweisgebende Person aufgrund ihrer Meldung bedrängt oder entlassen worden wäre. In Fällen, in denen die Hinweisgebenden gefährdet sind, verfolgt die EFK die Entwicklung der Situation und stellt sicher, dass sie nicht zum Opfer ihres Mutes werden. Eine Whistleblowing-Stelle ist somit ein Muss und schafft Mehrwert!

Autor: Eric-S. Jeannet

Eric-Serge Jeannet arbeitet bei der Eidgenössische Finanzkontrolle als Vizedirektor, Leiter der Fachbereiche und der Whistleblowing-Stelle der Bundesverwaltung. Er ist Vorstandsmitglied des Institute of Internal Auditors Switzerland (IIAS) und Co-Leiter des CAS Public Sector Audit and Oversight beim Institut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) der Universität Lausanne. Er besitzt einen Master in Public Administration, ist Certified Internal Auditor und zugelassener Revisionsexperte.

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