7. April 2025

Allgemein

Der Fall RUAG: Konsignationslager

Der Fall RUAG: Konsignationslager
Von Prof. Dr. Marco Passardi

Ereignisse bei der RUAG rund um mutmassliche Veruntreuungen und zweckentfremdete Vermögenswerte werfen die Frage auf, wie mit Konsignationswaren im Rahmen der Rechnungslegung umzugehen ist.

Im Zusammenhang mit fragwürdigen Geschäften mit den Kampfpanzern Leopard 1 und 2 ersuchte die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte (FinDel) die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) um eine unabhängige Beurteilung möglicher Betrugsaspekte bei der RUAG MRO Holding AG (RUAG). Die EFK kommt in ihrem Bericht zu den möglichen Betrugsaspekten zum Schluss, dass es ausreichende Hinweise auf möglichen Betrug gebe, insbesondere durch ein ehemaliges Kadermitglied mit Doppelfunktion in der Schweiz und Deutschland. Der potenzielle finanzielle Schaden wird auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt, verursacht durch Verkäufe unter Marktwert, nicht eingehaltene Lieferverpflichtungen und betriebswirtschaftlich fragwürdige Transaktionen.

Interessante Aspekte zum Fall RUAG

Der Fall RUAG weist drei Aspekte auf, welche im Rahmen des Economic Crime Blog in drei Beiträgen näher betrachtet werden. Prof. Dr. Marco Passardi widmet sich zunächst dem Umgang mit Konsignationswaren im Rahmen der Rechnungslegung, Susanne Grau beleuchtet die Rolle und Verantwortung eines Verwaltungsrates und Mona Fahmy greift schliesslich den Aspekt des Umgangs mit Whistleblowern auf.

Umgang mit Konsignationswaren

Die Untersuchung der EFK brachte Hinweise zu Tage, wonach RUAG unbewilligt Ersatzteile aus dem Konsignationslager im Besitz der Armee für ihr eigenes Geschäft mit Dritten verwendet haben könnte. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung zum Konsignationslager hat die EFK in ihrem Bericht «Prüfung der Lagerverwaltung» festgehalten. Unter dem Begriff des «Konsignationslagers» ist im Bericht der EFK die durch RUAG an ihren Standorten geführten und bewirtschafteten Warenlager gemeint. Die Waren in diesen Lagern befinden sich im Eigentum des Eidgenössischen Departementes für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS).

Handelsrechtliche Beurteilung

Konsignationswaren verbleiben im Eigentum des Kommittenten (hier: VBS) und gehören deshalb nicht zu den uneingeschränkt nutzbaren Aktiven des Kommissionärs (hier: RUAG). Deshalb dürfen sie von diesem gemäss Art. 959 Abs. 1 OR nicht aktiviert werden. Trotzdem ist eine situationsgerechte Erfassung der Warenbestände und deren Veränderung (Bestandsnachweis gem. Art. 958c Abs. 2 OR) aus Sorgfaltspflicht gegenüber dem Kommittenten erforderlich (und deshalb sinnvollerweise auch Bestandteil des Anhangs der Jahresrechnung). Im Rahmen der Untersuchung stellte die EFK fest, dass Art. 10.3 des Master Agreements bzw. die Ziff. 4.1 der Grundsätze im Umgang mit Konsignationslagern von der RUAG verlangt hätte, ein angemessenes Reporting mit Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators, KPI) zur Lagerhaltung der Konsignationswaren einzuführen.

Speziell von Bedeutung wäre dabei z.B. die Messung der Lagerreichweite gewesen. Wie im Bericht jedoch festgehalten ist, fehlten solch elementare Tools: Das zur Steuerung verwendete Excel erlaubte zum Beispiel nicht, den Vergleich des aktuellen Bestandes mit dem Vorjahresbestand vorzunehmen. Als besonders problematisch erwies sich vor allem, dass die Vorgaben in Bezug auf (grundsätzlich unproblematische) Leihentnahmen unklar waren und zu wenig genau überwacht und kontrolliert wurden.

Praktische Schlussfolgerung für die Unternehmensführung

Die Pflicht zur Vornahme einer für die Bestandesermittlung notwendigen sachgerechten Inventur erstreckt sich nicht nur auf bilanzierte Aktiven. Für eine ordnungsgemässe, betriebswirtschaftlichen Grundsätzen folgende Steuerung und Überwachung einer Organisation ist es unabdingbar, auch nicht aktivierte, aber verwaltete und (teilweise) genutzte Vermögenswerte zu «überwachen». Nebst den Konsignationswaren wäre hier z.B. auch an Fahrzeuge im Leasing (die handelsrechtlich nicht bilanziert werden müssen/Operating Leasing) oder aufgrund von Aktivierungsuntergrenzen nicht bilanzierte Vermögenswerte (wie z.B. IT-Equipment, Kleinmaterial wie Papier etc.) zu denken.

Vorteile der ordnungsmässigen Buchführung und Rechnungslegung

Der Fall der RUAG verdeutlicht den Stellenwert eines sorgfältig geführten Rechnungswesens. Eine konsistente Buchführung und Rechnungslegung hätten den problematischen Umgang mit Konsignationswaren weitestgehend verhindert oder doch zumindest stark erschwert.

Der nächste Beitrag auf dem Blog Economic Crime erscheint am 5. Mai 2025.

Quellenangaben:

EFK-24134: Prüfung der Lagerverwaltung vom 09.01.2025 (https://www.efk.admin.ch/prufung/lagerverwaltung-vbs-und-ruag-mro/), abgerufen am 22.03.2025

EFK-24192 vom 10.01.2025: Prüfung möglicher Betrugsaspekte (https://www.efk.admin.ch/prufung/moegliche-betrugsaspekte-ruag-mro/), abgerufen am 22.03.2025

Autor: Prof. Dr. Marco Passardi

Prof. Dr. Marco Passardi ist Professor für Accounting an der Hochschule Luzern. Er wirkt als Dozent am Institut für Finanzdienstleistungen Zug der Hochschule Luzern und ist Lehrbeauftragter der Université de Neuchâtel und der ETH Zürich. Er verfügt über mehrjährige Erfahrungen als Verwaltungsrat, u.a. bei der von der Finanzmarktaufsicht (FINMA) mandatierten der FINcontrol Suisse AG. Zudem wirkt er als Gutachter für Fragestellungen der OR-, Swiss GAAP FER- und IFRS-Rechnungslegung. Er ist seit über 20 Jahren bei EXPERTsuisse engagiert und leitet dort die Ausbildung der angehenden Auditors im Bereiche internationale Rechnungslegung nach IFRS.

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