30. Juni 2025
Börsennotierte Unternehmen müssen für die Aufrechterhaltung ihrer Kotierung ihren Abschluss durch die Revisionsstelle ordentlich prüfen lassen. Zusätzlich verfügt die Schweizer Börse über eine eigene Prüfbehörde, welche die Finanzzahlen kritisch begutachtet und mitunter Verstösse gegen die Bestimmungen zur Rechnungslegung verfolgt und sanktioniert.
Bereits im Februar erschien von Marco Passardi der Beitrag „Die Schweizer «Bilanzpolizei» – Fehler in der Rechnungslegung“, der die Rolle der SIX Exchange Regulation bei der Überwachung der Rechnungslegung von börsenkotierten Unternehmen und den Umgang mit Fehlern in Abschlüssen thematisiert. Im folgenden Artikel soll es nun um die Pflicht börsenkotierter Unternehmen gehen, ihre Abschlüsse durch eine Revisionsstelle prüfen zu lassen und um das Vorkommen von Fehlern in der Rechnungslegung sowie dem Umgang mit diesen.
Im Rahmen der Selbstregulierung ist der Bereich Listing & Enforcement der Six Exchange Regulation (SER) zuständig für die Kotierung und Zulassung von Wertpapieren zum Handel. In der Folge kontrolliert dieser Bereich die Einhaltung der Informationspflichten für kotierte Unternehmen: Ad hoc-Publizität und Regelmeldungen, das Corporate Reporting und Management-Transaktionen. Bei Verstössen werden Sanktionsverfahren eingeleitet. Die Sanktionskommission kann Bussen sprechen. Entscheide der Sanktionskommission (oder einer ggf. davor anrufbaren unabhängigen Beschwerdeinstanz) können vor ein Schiedsgericht weitergezogen werden.
Verstösse gegen die Rechnungslegung
Im Rahmen der Medienmitteilungen werden (auch) Verstösse gegen die Rechnungslegungsvorschriften erläutert. Die nachfolgenden Angaben beziehen sich unter anderem auf Cheetham, Malcolm: SIX Exchange Regulation Review Process for financial statements and sanctions, in: EXPERTfocus, 2025/Juni, S. 222-227 – der Autor analysierte über einen Zeitraum von zehn Jahren sämtliche von der SER (öffentlich kommunizierten) Entscheide über Verstösse in der Rechnungslegung. Analysen bezüglich weiterer Verfehlungen – z.B. Verletzung von Meldepflichten im Rahmen der Ad hoc-Publizität – wurden nicht untersucht.
Rechnungslegungsstandard
Per 31.12.2024 wenden 53% aller kotierten Gesellschaften die internationalen Standards IFRS (International Financial Reporting Standards) an, 35.8% die national erlassenen Swiss GAAP FER, die restlichen Anwender wenden die FINMA-Rechnungslegungsvorschriften (7%) sowie die US GAAP (4.2%) an. Wird die Marktkapitalisierung berücksichtigt, so steigt der IFRS-Anteil auf 84.1%, US GAAP belegt mit 8.7% Rang 2, während Swiss GAAP FER mit lediglich 5.2% weniger prominent erscheint; die FINMA-Rechnungslegungsvorschriften machen lediglich 2% aus.
Sanktionen
In den Jahren 2004-2024 verhängte die «Bilanzpolizei» 64 Sanktionen, die teilweise von einer Busse begleitet wurden, teilweise lediglich ein «Restatement» der Vorjahreswerte nötig machten. Interessant dabei ist, dass die zweithöchste Busse (CHF 250’001 – 300’000) durch einen (gravierenden) Verstoss gegen die nationalen Swiss GAAP FER (und nicht die weitaus komplexeren und technischeren IFRS) ausgelöst wurde.
Im Jahr 2025 gab es bis dato keine Fälle, die öffentlich publiziert wurden. Im Jahr 2024 sind exemplarisch die zwei nachfolgenden Fälle von grosser Bedeutung.
Youngtimers AG (31.5.2024) – Ausgangslage
Die Youngtimers AG unterliess es, einen konsolidierten Jahresabschluss für das Jahr 2022 zu erstellen. In diesem Kontext wurden die Vorjahreswerte von 2021 rückwirkend auf eine nicht konsolidierte Darstellung angepasst (Restatement).
Busse der Sanktionskommission der SER
Das Vorgehen des Unternehmens wurde als vorsätzlicher und schwerer Verstoss gegen Swiss GAAP FER beurteilt. Das Unternehmen muss eine Busse von CHF 200’000 entrichten. Dabei wird betont, dass auch die Auswirkungen der Sanktion auf das Unternehmen und dessen Verhalten in den vergangenen Jahren die Höhe der Sanktion beeinflusst haben.
Blackstone Resources (12.2.2024) – Ausgangslage
Der Blackstone Resources AG wird vorgeworfen, Fehler bezüglich der Bilanzierung von Goodwill, der Konsolidierung einer Tochtergesellschaft sowie der buchhalterischen Behandlung des Verkaufs dieser Tochtergesellschaft begangen zu haben.
Busse der Sanktionskommission der SER
Es wird eine Busse von CHF 250’000 wegen grobfahrlässiger Verletzungen der Vorschriften zur Rechnungslegung ausgesprochen. Die Sanktionskommission der SIX hatte eine solche per 22.03.2022 ausgesprochen. Am 24.05.2022 erhob die Blackstone Resources AG dagegen Beschwerde beim Schiedsgericht von SIX Group AG. Mit dem Schiedsspruch vom 04.12.2023 hat das Schiedsgericht die Klage abgewiesen und den Entscheid der Sanktionskommission vollumfänglich bestätigt. Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist ist der Entscheid des Schiedsgerichts am 12.02.2024 in Rechtskraft erwachsen. Per 13.10.2022 wurden die Aktien der Gesellschaft von der SIX Swiss Exchange AG dekotiert. Per 13.08.2024 wurde laut Amtsblatt des Kantons Zug über die Blackstone Resources aus Baar das vorläufige Konkursverfahren eröffnet.
Häufige «Fehler»
Werden die Sanktionen thematisch untersucht, so fällt auf, dass mehr als 40% aller Fälle Bewertungsprobleme betrafen; vor allem die Verbuchung von Finanzinstrumenten und Unternehmensübernahmen scheinen zu Problemen zu führen (17% aller Fälle). Auch die Geldflussrechnung ist mit mehr als 10% aller Verstösse für viele Anwender ein schwieriges Pflaster. Nebst diesen eher «quantitativen» Problemen sind vor allem auch Fragen der Offenlegung ein Problem – Informationen im Anhang werden als unklar und unverständlich wahrgenommen und gehen zu wenig konkret auf die jeweiligen Sachverhalte ein.
Folgen der «Fehler»
Sehr häufig sind die festgestellten Fehler in der Rechnungslegung nicht deliktischer Natur, sondern Ausdruck der Überforderung mit der Komplexität der Rechnungslegungsvorschriften. Indem Unternehmen bei der Untersuchung kooperieren und diese Fehler unaufgefordert korrigieren, können die Sanktionsfolgen zurecht gemildert werden. Die Überforderung äussert sich mitunter auch dadurch, dass oftmals eher kleinere Unternehmen auf dem Radar der SER landen. Für Marktteilnehmer sind die Verstösse jedoch kein Grund zur Beunruhigung – sie sind vielmehr ein Indikator für die Effektivität der Tätigkeit der SER und tragen zu einer konsistenten Auslegung der Rechnungslegungsvorschriften bei.
Der nächste Beitrag auf dem Blog Economic Crime erscheint am 18. August 2025.
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