8. Januar 2024
Von Thomas Hunkeler und Jasna Mosimann-Stojanovic
Mit der Siegelung kann verlangt werden, dass die Strafverfolgungsbehörden die sichergestellten Daten nicht einsehen können. Damit kann unter Umständen die Beweissicherung für die Strafverfolgungsbehörden verunmöglicht und das Verfahren unverhältnismässig verzögert werden. Im Einzelfall ist daher zwingend zu prüfen, ob Siegelungsgründe tatsächlich vorliegen, bevor langwierige Entsiegelungsverfahren überhaupt erst ins Rollen kommen.
Die Inhaberin oder der Inhaber von Aufzeichnungen und Gegenständen, darunter fallen auch Daten auf diversen Speichermedien, kann gemäss Art. 248 Abs. 1 Strafprozessordnung StPO gestützt auf ein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts oder aus weiteren Gründen die Siegelung verlangen, um damit allfällige Geheimhaltungsinteressen vor dem staatlichen Eingriff zu schützen. Die Strafbehörden dürfen diese Aufzeichnungen sodann weder einsehen noch verwenden, bis ein entsprechendes Entsiegelungsgesuch von einem Gericht rechtskräftig gutgeheissen wurde. Erfolgt eine (teilweise) Ablehnung des Gesuchs, so bleiben die Aufzeichnungen oder Gegenstände versiegelt und können von der Strafbehörde nicht als Beweismittel ins Verfahren eingebracht werden.
Die Siegelung ist schnell, formlos und somit einfach verlangt. Betroffene Personen müssen zwingend über ihr Siegelungsrecht aufgeklärt werden, damit sie sich umgehend gegen eine allfällige Durchsuchung und Beschlagnahme zur Wehr setzen können. Allerdings sieht das Gesetz vor, dass dieses Instrument nur dann genutzt werden kann, wenn bestimmte Siegelungsgründe vorliegen und glaubhaft gemacht werden. Um dem Rechtsschutzinteresse der Sofortmassnahme gerecht zu werden, verlangt die bundesgerichtliche Praxis nicht, dass die Inhaberin oder der Inhaber bereits zum Zeitpunkt der Sicherstellung ihr Siegelungsbegehren im Detail begründen. Immerhin muss ein spezifischer Siegelungsgrund sinngemäss angerufen werden. Das Bundesgericht hält weiter dazu fest, dass die Strafverfolgungsbehörden ein offensichtlich unbegründetes oder missbräuchliches Siegelungsbegehren ablehnen dürfen.
Schützenswerte Geheimhaltungsinteressen
Das Bundesgericht bestätigte einen Entscheid, in welchem festgestellt wurde, dass kein gültiges Siegelungsbegehren vorlag, da der Beschuldigte weder bei der Hausdurchsuchung, noch anlässlich der Einvernahme Siegelungsgründe geltend gemacht habe, obwohl er ausreichend Gelegenheit dazu gehabt hätte. Sofern bei der Sicherstellung schützenswerte Geheimhaltungsinteressen vorgebracht wurden, müssen diese spätestens im Entsiegelungsverfahren ausreichend substantiiert werden. Dies gilt insbesondere bei grossen Datenmengen. Die entsprechenden Dateien, welche dem Geheimnisschutz unterliegen, sind zu bezeichnen.
Gerade weil das Instrument der Siegelung als Sofortmassnahme weitreichende Wirkungen entfaltet, sollte das zuständige Gericht zunächst prüfen, ob im Gesetz vorgesehene, gerechtfertigte Siegelungsgründe geltend gemacht wurden, bevor es überhaupt auf ein langwieriges Entsiegelungsverfahren eintritt. Kommen Betroffene ihrer Mitwirkungs- und Begründungspflicht nicht nach, so ist es nicht Aufgabe des Gerichts, nach allfälligen Geheimhaltungsinteressen zu suchen. Wo es also nichts zu siegeln gibt, ist auf das Entsiegelungsgesuch nicht einzutreten und das Siegel umgehend zu entfernen.
Siegelung als Mittel für Verfahrensverzögerungen
Ist eine Verfahrensverzögerung erwünscht, werden erfahrungsgemäss alle Register gezogen und die Siegelung «aus anderen Gründen» auch dann verlangt, wenn keinerlei schützenswerte Geheimhaltungsinteressen vorliegen. Der Gesetzgeber hat das Missbrauchspotenzial dieser Generalklausel erkannt und bei der Revision der Strafprozessordung auf diese verzichtet beziehungsweise die Siegelungsgründe präzisiert. Die offene Formulierung habe es erlaubt, beliebige Gründe heranzuziehen, da sich gemäss Botschaft die «gemeinten Konstellationen nicht ohne weiteres allein aus dem Gesetzeswortlaut ergeben».
Die Siegelung kann gemäss revidierter Fassung von Art. 248 E-StPO, welche seit dem 01.01.2024 gültig ist, verlangt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass eine Durchsuchung oder Beschlagnahme von Aufzeichnungen oder Gegenständen wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts nicht vorgenommen werden darf oder weil diese Fabrikations-, Geschäfts- oder Privatgeheimnisse enthalten. Ob diese Präzisierung dazu führt, dass weniger oder besser begründete Siegelungsgesuche gestellt werden, ist zu bezweifeln. Analog zu den «anderen Gründen» werden die in der revidierten StPO aufgeführten «Privatgeheimnisse» die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte weiter beschäftigen, insbesondere im Zusammenhang mit der Durchsuchung von Mobiltelefonen.
Konsequenzen der Siegelung für die Strafverfolgungsbehörden
Die Konsequenzen einer Siegelung sind weitreichend: Die im Hinblick auf die Durchsuchung und Beschlagnahme sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenstände werden den Strafbehörden längerfristig entzogen. Die Dauer eines Entsiegelungsverfahrens hängt von zahlreichen Faktoren ab und kann insbesondere bei komplexen Sachverhalten, umfangreichen Datenmengen und hohen technischen Anforderungen zu erheblichen, jahrelangen Verzögerungen führen. Die StPO sieht in einem Zwischenverfahren keine vorsorglichen Massnahmen vor, welche die Strafverfolgungsbehörden für die Sicherung von relevanten Beweismitteln verlangen könnten. Die Strafverfolgungsbehörden stehen bei der Ausübung ihrer Kernaufgaben – namentlich der Beweiserhebung und der Beweissicherung – möglicherweise jahrelang im Abseits.
Notwendigkeit einer Verhältnismässigkeitsprüfung
Glaubhaft gemachte, schützenswerte Privatgeheimnisse sind dem Strafverfolgungsinteresse im Einzelfall im Lichte der Verhältnismässigkeit gegenüber zu stellen. Stossend sind diejenigen Fälle, in welchen für das Verfahren nicht relevante Aufzeichnungen, welche den Privatbereich betreffen und deren Schutz in keinem Verhältnis zu dem Strafverfolgungsinteresse steht, ein langwieriges Entsiegelungsverfahren zur Folge haben und die Beweissicherung blockieren oder sogar gefährden. Es gibt durchaus Möglichkeiten, mildere Massnahmen für den Schutz der Privatsphäre zu treffen, als unverhältnismässig aufwendige Triagen zu vollziehen oder übermässig viele Daten versiegelt zu lassen. Die Strafverfolgungsbehörden sollten im Rahmen des Entsiegelungsverfahrens dem zuständigen Zwangsmassnahmengericht Massnahmen aufzeigen, welche sie bei der Durchsuchung und Auswertung der Aufzeichnungen für den Schutz des Privatbereichs der betroffenen Personen treffen kann.
Schliesslich verfügt die betroffene Person bis zum Abschluss des Verfahrens über die Möglichkeit, Beweisverwertungsverbote geltend zu machen. Den Strafverfolgungsbehörden sind im Falle einer endgültigen Siegelung die Hände gebunden. Damit ist keine Waffengleichheit mehr gegeben. Der mit einer Siegelung verbundene Aufwand, die damit herbeigeführte Verzögerung des Strafverfahrens, die Kosten des Zwischenverfahrens sowie das hohe Risiko von Beweisverlusten sind nur gerechtfertigt, wenn tatsächlich die im Gesetz vorgesehenen Siegelungsgründe vorliegen und die Sieglung rechtmässig verlangt und substanziell begründet wurde. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Instrument der Siegelung einzig dazu dient, das Strafverfahren aus taktischen Gründen zu verzögern und wichtige Beweismittel zu vereiteln.
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