5. Oktober 2020

Corporate Crime,

Financial Crime,

Geldwäsche

Handelsbasierte Geldwäscherei am Beispiel von Gold

Handelsbasierte Geldwäscherei am Beispiel von Gold

Von Dr. Daniel L. Bühr, Dr. Adam El-Hakim und Tabea T. Segessenmann

Falsche Abrechnungen im internationalen Goldhandel führen seit Jahren zu Wertlücken in der Höhe von Milliarden US-Dollars zwischen exportierenden Schwellenländern und den Industrienationen. Vier der grössten Goldraffinerien der Welt befinden sich in der Schweiz. Zusammen können sie 40 Prozent der weltweiten Goldproduktion verarbeiten, was entsprechend grosse (handelsbasierte) Geldwäschereirisiken für die involvierten Schweizer Firmen und die Finanzinstitute birgt.

Jedes Jahr verursachen falsche Handelsabrechnungen in exportierenden Schwellenländern und Entwicklungsländern Wertlücken von hunderten Milliarden US-Dollars.

Als Wertlücke wird im internationalen Handel der Unterschied zwischen den beiden Werten bezeichnet, die zwei Staaten in einem bilateralen Handelsaustausch melden. Wenn zum Beispiel Staat X im Jahr 2019 USD 40 Millionen an Exporten in die Schweiz meldet, die Schweiz aber im gleichen Jahr USD 60 Millionen an Importen aus dem Staat X meldet, entspricht dies einer Abweichung, oder einer Wertlücke, von USD 20 Millionen.

Wertlücken weisen auf falsche Abrechnungen im Handel hin. Solche falschen Handelsabrechnungen entstehen, wenn Importeure und Exporteure auf den Rechnungen für die importierten oder exportierten Waren absichtlich falsche Preise und/oder Mengen vermerken. Damit werden potentiell unrechtmässig erlangte Vermögenswerte über internationale Grenzen transferiert, Steuer- und/oder Zollpflichten vermieden, Erlöse aus kriminellen Aktivitäten gewaschen, Währungskontrollen umgangen und Gewinne im Ausland versteckt[1].

Global Financial Integrity («GFI»), eine in Washington, D.C., basierte Denkfabrik, veröffentlichte im März 2020 den Bericht «Trade-Related Illicit Financial Flows in 135 Developing Countries: 2008-2017». GFI untersuchte die durch die Regierungen an die Vereinten Nationen gemeldeten Handelsdaten und stellte eine Wertlücke von USD 8,7 Billionen im Handel zwischen 135 Entwicklungsländern und 36 entwickelten Ländern in den Jahren 2008-2017 und USD 817,6 Milliarden allein im Jahr 2017 fest[2]. Diese Transaktionen fördern potentiell nicht nur kriminelle Aktivitäten, sondern verkürzen auch die öffentlichen Ressourcen[3].

Falsche Abrechnungen im Goldhandel

Falsche Handelsabrechnungen kommen in verschiedenen Industriesektoren auf der ganzen Welt vor, zum Beispiel auch im Goldhandel. GFI veröffentlichte am 20. Mai 2020 den Report «Sudan and Trade Integrity», welcher die internationalen Wertlücken des Sudans im Handel mit den zentralen Rohstoffen Gold und Öl adressiert. Gemäss GFI werden Goldexporte aus dem Sudan unterverrechnet[4]. Zwischen 2012 und 2018 hat der Sudan «nur» Gold im Wert von USD 8,6 Milliarden exportiert, während die Handelspartner des Sudans Gold im Wert von USD 12,7 Milliarden importierten[5]: zum Beispiel meldeten die Vereinigten Arabischen Emirate («VAE»), Indien, Italien und auch die Schweiz höhere Werte für Goldimporte als der Sudan für Goldexporte[6].

Die VAE sind bei weitem der grösste Importeur von Gold aus dem Sudan. Gemäss der Central Bank of Sudan, welche bis Januar 2020 im Sudan als einzige Entität rechtmässig Gold kaufen und exportieren durfte, importierten die VAE während dem untersuchten Zeitraum von 7 Jahren 95 Prozent der Goldexporte des Sudans[7].

Die Wertlücke der Schweiz und ihre Relevanz in der Goldindustrie

Gemäss den Zahlen der Central Bank of Sudan wurde zwischen 2012 und 2018 kein Gold in die Schweiz exportiert[8]. Die Schweiz meldete gemäss der Comtrade Datenbank der Vereinten Nationen, welche alle offiziellen globalen Handelsdaten enthält, im gleichen Zeitraum allerdings Goldimporte aus dem Sudan im Wert von USD 11,4 Millionen[9]. Die Wertlücke von USD 11,4 Millionen ist zwar verhältnismässig klein, zeigt aber exemplarisch handelsbasierte Risiken auf.

Zudem befinden sich vier der grössten Goldraffinerien der Welt in der Schweiz. Zusammen verfügen sie über Kapazitäten, um 40 Prozent der weltweiten Goldproduktion zu verarbeiten. Gemäss dem Bericht einer NGO gehören Schweizer Gesellschaften zu den wichtigsten Käufern von Gold aus den VAE, während behauptet wird, die VAE als globaler Goldhändler stünden in Verbindung mit Gold aus Konfliktregionen im Sudan, der Demokratischen Republik Kongo oder Liberia.

Nach der OECD „Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas», sollen Marktteilnehmer, welche Gold über konfliktbetroffene und Hochrisikogebiete kaufen, deren Lieferkette sehr kritisch überprüfen. So verweigert beispielsweise eine Schweizer Raffinerie die Verarbeitung von Gold aus Dubai, da die Herkunft nicht ohne Zweifel festgestellt werden könne. Eine Prüfung der Eidgenössischen Finanzkontrolle hat ergeben, dass die Effektivität von Importkontrollen und das Monitoring des Handels und Schmelzens von Edelmetallen signifikant verbessert werden sollten.

Falsche Handelsabrechnungen als Ursprung für Handelsbasierte Geldwäschereirisiken

Wird eine handelsbasierte Wertlücke festgestellt, stellt sich unter anderem auch für Finanzintermediäre die Frage der rechtlichen Einordnung und allfälliger Massnahmen. Stehen den inoffiziellen Exporten inoffizielle Zahlungen oder andere geldwerte Vorteile gegenüber? Bei inoffiziellen Zahlungen sind Finanzinstitute mit hohen handelsbasierten Geldwäschereirisiken konfrontiert. Die Wertlücken werden durch Transaktionen «gefüllt», die durch das globale Finanzsystem fliessen und wahrscheinlich bei Banken in Ländern mit starken Finanzsektoren landen[10]. Diese Länder sind zusammen mit den Entwicklungsländern in der Pflicht, Geldflüsse im Zusammenhang mit Wertlücken und falschen Handelsabrechnungen zu unterbinden[11].

Finanzintermediäre müssen deshalb gemäss Unternehmensstrafrecht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren treffen, um ihre Kunden zu identifizieren und zu kennen, um zweifelhafte Transaktionen, welche im Zusammenhang mit inoffiziellem Handel stehen könnten, zu untersuchen. Der Fokus sollte auf politisch exponierte und diesen nahestehenden Personen aus Ländern mit wichtigen Handelswertlücken liegen. (Schweizer) Banken müssen im Umgang mit solchen Personen besonders wachsam sein und sorgfältig handeln. Es gelten für sie besondere Sorgfaltspflichten für Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken. Dies insbesondere dann, wenn solche Kunden Zahlungen ohne erkennbaren wirtschaftlichen Grund und ohne marktkonforme Gegenleistung, das heisst ohne glaubhaften Nachweis tatsächlich erbrachter Leistungen oder hergestellter, gehandelter oder gelieferter Produkte erhalten. Hinweise auf potentielle Merkmale für handelsbasierte Geldwäscherei liefern das Department of the Treasury Financial Crimes Enforcement Network sowie die Financial Action Task Force. Haben die Schweizer Finanzintermediäre Kenntnis oder begründeten einfachen Verdacht, dass die Vermögenswerte kriminellen Ursprungs sein könnten, sind sie nach heutiger Rechtsprechung verpflichtet, solche verdächtigen Transaktionen der schweizerischen Meldestelle für Geldwäscherei zu melden.

Der nächste Beitrag auf dem Blog Economic Crime erscheint nach den Herbstferien am 19. Oktober 2020.

Autor: Daniel Lucien Bühr

Daniel Lucien Bühr ist Berner Fürsprecher (1993) und MBA (Columbia University, New York, und London Business School; 2004). Er ist Partner bei LALIVE und spezialisiert auf Prozessführung sowie Risiko- und Compliance Management. Er ist Co-Leiter des Normenkomitees 207 – Governance of Organisations der Schweizerischen Normenvereinigung und Mitglied der Expertenkommissionen der Internationalen Organisation für Standardisierung ISO für Compliance-Managementsysteme und für Governance of Organisations. Er ist Co-Gründer und Chairman von Ethics and Compliance Switzerland (www.ethics-compliance.ch).

Autor: Adam EL-Hakim

Adam EL-Hakim hat 2014 sein Anwaltspatent erlangt und arbeitete seither als Rechtsanwalt bei einer Zürcher Kanzlei und als Assistenz-Staatsanwalt des Bundes bei der Bundesanwaltschaft (Abteilung Wirtschaftsdelikte). Er ist seit 2019 bei LALIVE und auf Wirtschaftsstrafrecht, Compliance, internationale Rechtshilfe und interne Untersuchungen spezialisiert. Adam El-Hakim hat einen Bachelor- und Masterabschluss der Universität Basel (2008/2010), einen LL.M.-Abschluss der University College London, UCL (2011, Dr. Gadient Engi Stipendiat) und promovierte an der Universität Basel (2017, Dr. Gadient Engi Stipendiat). Seine Doktorarbeit behandelt die Thematik von Mitbeschuldigten im abgekürzten Verfahren gemäss Art. 358 ff. der Strafprozessordnung und wurde in der Basler Reihe publiziert.

Autorin: Tabea Tsering Segessenmann

Tabea Tsering Segessenmann hat 2013 ihr Anwaltspatent erlangt und war mehrere Jahre als Gerichtsschreiberin an der Strafabteilung des Obergerichts des Kantons Bern tätig. Während ihrer Tätigkeit in der Berner Justiz hat sie zudem einen Einsatz als a.o. Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland absolviert. Seit 2020 ist sie Rechtsanwältin bei LALIVE und im Bereich Wirtschaftsstrafrecht, Compliance, internationale Rechtshilfe und interne Untersuchungen tätig. Tabea Tsering Segessenmann hat ihr Studium der Rechtswissenschaften (Bachelor of Law, Master of Law) an der Universität Bern abgeschlossen (2010). Sie verfügt zudem über ein Certificate of Advanced Studies in Forensics von der Universität Luzern (2017).

[1] Global Financial Integrity (GFI), Trade-Related Illicit Financial Flows in 135 Developing Countries: 2008-2017, März 2020, S. 1.
[2] Global Financial Integrity (GFI), Trade-Related Illicit Financial Flows in 135 Developing Countries: 2008-2017, März 2020, S. 1 und 2.
[3] Global Financial Integrity (GFI), Trade-Related Illicit Financial Flows in 135 Developing Countries: 2008-2017, März 2020, S. 5.
[4] Global Financial Integrity (GFI), Sudan and Trade Integrity, Mai 2020, S. 3.
[5] Global Financial Integrity (GFI), Sudan and Trade Integrity, Mai 2020, S. 3.
[6] Global Financial Integrity (GFI), Sudan and Trade Integrity, Mai 2020, S. 78.
[7] Global Financial Integrity (GFI), Sudan and Trade Integrity, Mai 2020, S. 77.
[8] Global Financial Integrity (GFI), Sudan and Trade Integrity, Mai 2020, S. 77 und 78.
[9] Global Financial Integrity (GFI), Sudan and Trade Integrity, Mai 2020, S. 74 und 77.
[10] Global Financial Integrity (GFI), Trade-Related Illicit Financial Flows in 135 Developing Countries: 2008-2017, März 2020, S. 6.
[11] Global Financial Integrity (GFI), Trade-Related Illicit Financial Flows in 135 Developing Countries: 2008-2017, März 2020, S. 6.

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