23. September 2024
Von Loris Baumgartner und Anja Schäfers
Medienarbeit im Kontext des Strafrechts ist ein heikles Thema. Die öffentliche Wahrnehmung eines Strafverfahrens kann erheblichen Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens, das Ansehen der beteiligten Personen und die zukünftigen Chancen der betroffenen Parteien haben. Wie kann Kooperation mit den Medien zum Vorteil des beschuldigten Mandanten eingesetzt werden?
Das Recht der Öffentlichkeit auf Information über Strafverfahren ist in der Schweiz tief verankert. Medien nehmen dabei eine zentrale Rolle ein, indem sie die Strafbehörden zur Einhaltung eines korrekten Verfahrensablaufs anhalten und so das Vertrauen und die Akzeptanz der Bevölkerung in den Rechtsstaat fördern.
Menschen sind sensationsgierig. Das Strafrecht eignet sich daher ausgezeichnet für eine skandalisierende Berichterstattung. True Crime Stories sind in Filmen, Serien und Podcasts bei den Konsumentinnen und Konsumenten äusserst beliebt, weshalb auch Tagesmedien diese Faszination gerne aufgreifen und über strafrechtliche Fälle berichten – zuweilen auch vorverurteilend. Dennoch müssen Journalisten beachten, dass ihre Berichterstattung nicht grenzenlos ist. Es ist essenziell, dass Beschuldigte und Geschädigte mit wenigen Ausnahmen durch die Medienberichte nicht identifizierbar werden.
Da (Strafverfolgungs-)Behörden oft aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes oder des Amtsgeheimnisses bei laufenden Verfahren zu bestimmten Themen keine Auskünfte erteilen, müssen die Medienschaffenden ihre Informationen aus anderen Quellen beziehen. Zu denken ist an Zeugen, Drittbeteiligte, anonyme Whistleblower oder den Beschuldigten oder dessen nahe Angehörige selbst. Auch wenn solche Aussagen oft von eigenen Überzeugungen und Eindrücken gefärbt sind, werden diese aufgrund der Emotionalisierung und Personalisierung der Berichterstattung gerne aufgegriffen. Dies kann zu Fehlinformationen oder einseitiger Berichterstattung führen und einen Mandanten in ein falsches Licht rücken.
Die Kombination aus skandalisierter Berichterstattung und schneller Verbreitung von Fehlinformationen birgt eine erhöhte Gefahr von schädlichen Auswirkungen der medialen Begleitung für die beschuldigte Person, etwa einer massiven Prangerwirkung oder einer medialen Vorverurteilung. Dazu kommt, dass speziell ausländische Medien auch vor Persönlichkeitsverletzungen nicht zurückschrecken. Zwar sind in der Schweiz Bild- und Tonaufnahmen per Gesetz während den Verhandlungen verboten, was einige Medienschaffende jedoch nicht davon abhält, ausserhalb dieses Umfeldes – sei es beim Eingang des Gerichtes oder in anderen Situationen – Bild- und Tonaufnahmen der involvierten Personen zu machen.
Der vorliegende Beitrag beleuchtet drei unterschiedliche Strategien für eine erfolgreiche Kommunikation mit den Medien in der Strafverteidigung und zeigt auf, wie diese eingesetzt werden können, um Risiken vorzubeugen, die Rechte der betroffenen Personen zu schützen als auch den berechtigten Informationsanspruch der Öffentlichkeit zu wahren. Im Ergebnis wird dadurch bezweckt, die Ausgangsposition des Beschuldigten – sowohl im Strafverfahren als auch in der Öffentlichkeit – zu verbessern.
1. Keine Kommunikation
Strategie: Absolutes Stillschweigen
Ziel: Vermeidung jeglicher medialer Aufmerksamkeit und Schutz der Privatsphäre
Ganz unter dem Motto «Schweigen ist die beste Verteidigung» ist der Ansatz des absoluten Stillschweigens gegenüber sämtlichen Medien zu verstehen. Aus der Perspektive der Strafverteidigung hat sich diese Strategie in vielen Fällen bewährt und schützt die beschuldigte Person, indem ein medialer Brennpunkt vollumfänglich vermieden werden soll. Diese Strategie ist erfolgreich, weil die Masse an Straffällen von den Medien gar nicht verarbeitet werden kann. Daher wird nur über vereinzelte Fälle berichtet. Auch ein einmaliger kurzer Beitrag geht in der Menge an Fällen und Artikeln gerne unter. Dies gilt insbesondere dann, wenn aufgrund der Berichterstattung keine Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Täters oder des Opfers möglich sind. Durch den Verzicht jeglicher Äusserungen bleibt das nachgelagerte mediale Interesse minimal. Solange ein Fall die Öffentlichkeit nicht emotional oder persönlich bewegt, bleibt dieser auch für Medienschaffende oft uninteressant. Zu diesen Fällen gehören kleinere Steuerrechtsverfahren, Verfehlungen im Strassenverkehr, aber auch kleinere Diebstähle, Betrügereien oder auch kleinere Körperverletzungsdelikte. Diese Strategie ist aber nicht nur auf Bagatelldelikte beschränkt. Komplexe Straffälle mit häufig unbekannten Involvierten (z.B. im Finanzbereich, Fintech, IP oder ähnliches) oder technisch anspruchsvolle Sachverhalte sind durch ihre Technizität für das breite Publikum oft nur schwer verständlich und daher auch für Medienschaffende uninteressant.
Zudem kann es sich lohnen, diese Kommunikationsstrategie zu verfolgen, wenn die mediale Berichterstattung rein aus der Tatsache erfolgt, dass die beschuldigte Person ein Angehöriger einer bekannten Persönlichkeit ist. Als Beispiel kann das Verfahren gegen den Sohn von Altbundesrat Ueli Maurer wegen Fahrens im angetrunkenen Zustand bezeichnet werden. In diesen Fällen kann man sich bei der jeweiligen Redaktion beschweren, dass der Fall nur aufgrund der Verwandtschaft oder Angehörigkeit zu einer bekannten Person relevant ist und veröffentlicht wurde. Im Normalfall wird der Artikel gelöscht, und die Redaktion macht keine weiteren Artikel dazu. Sollte dies nicht erfolgreich sein, meldet man den Fall beim Presserat und kann so weitere Berichterstattung unterbinden.
Die Strategie des absoluten Stillschweigens macht vor allem dann Sinn, wenn es keine Gegenpartei gibt oder diese sich nicht zu den Vorfällen äussert oder äussern kann. So werden seitens der Behörden in der Regel keine Auskünfte zu laufenden Verfahren gegeben. Behörden sind aufgrund des Untersuchungsgeheimnisses verpflichtet, sich zu laufenden Ermittlungen oder Verfahren nicht bzw. nur spärlich zu äussern, was die Informationslage für die Medien weiter einschränkt. Eine (detaillierte) Äusserung der Strafbehörden ist lediglich unter stark eingeschränkten Voraussetzungen zulässig, bspw. zur Warnung oder Beruhigung der Bevölkerung (vgl. Art. 74 StPO). Ohne bestätigte Informationen oder neue Entwicklungen bleibt die Berichterstattung häufig oberflächlich und sporadisch. Dies kann aber – je nach Mandatssituation – auch ein Nachteil sein, wie das Negativbeispiel im Fall Brian Keller zeigt. Das Fehlen klarer Kommunikation der Behörden führte zu einem medialen Shitstorm und schadete «Carlos» erheblich.
Die Strategie des absoluten Stillschweigens setzt beim bereits beschriebenen Desinteresse bzw. nur oberflächlichen Interesse der Bevölkerung an. Durch den Verzicht auf öffentliche Statements seitens der beschuldigten Person bleibt die Aufmerksamkeit der Medien in der Regel gering. Einzelne Medienberichte mögen zwar erscheinen, doch ohne die Fütterung durch offizielle Statements oder Informationen von der betroffenen Person oder ihrem Umfeld verliert das Thema oft schnell an Brisanz und Interesse. Dies liegt insbesondere daran, dass viele strafrechtliche Fälle für die breite Öffentlichkeit nicht von besonderer Bedeutung sind, solange keine spektakulären oder aussergewöhnlichen Aspekte – die Berühmtheit des Täters oder des Opfers oder eine spezielle Raffinesse oder Brutalität der Tatausführung – hinzukommen.
Hält man jedoch stur an dieser Strategie fest, besteht die Gefahr von einseitiger Berichterstattung oder Missverständnissen. Eine gewisse Flexibilität und Kombination der verschiedenen Strategien kann entscheidend sein. Sobald ein Statement der Gegenpartei oder einer beteiligen Person oder einem Zeugen kommt, der die Situation mit persönlichen Anekdoten bereichert, ist diese Strategie äusserst schwierig. Gerade wenn das mutmassliche Opfer durch die Straftat in emotionaler Weise getroffen ist, neigen gewisse Personen dazu, selbst die Medienaufmerksamkeit zu suchen. Liefert man auf einschlägige Vorwürfe gar keine Erklärung, wird dies von der Öffentlichkeit unter Umständen als «Eingeständnis» verstanden. Um am absoluten Stillschweigen trotzdem festzuhalten, kann beispielsweise in sehr heiklen Fällen der Ausschluss der (Publikums- oder Medien-)Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen verlangt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht im Abschluss eines Non-Disclosure-Agreement (Geheimhaltungsvereinbarung; NDA) mit der Gegenpartei. Ein solches NDA kann beispielsweise mit einer Konventionalstrafe abgesichert werden. Bei einem solchen Vorgehen sind die Chancen und Risiken hingegen äusserst gut abzuwägen, da die Person die Vereinbarung ablehnen und das Angebot eines NDAs Publik machen könnte.
Werden trotz aller Massnahmen und Geheimhaltung Informationen oder Berichte publiziert, gibt es verschiedene Massnahmen, um dagegen vorzugehen. Es kann nach Art. 28 ZGB eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten in Verbindung mit einer Schadenersatzforderung geltend gemacht und/oder die Unterlassung von zukünftigen Publikation gerichtlich erwirkt werden. So verhielt es sich beispielsweise im Fall von Carl Hirschmann, wobei Publikationen veröffentlicht wurden, die die Persönlichkeit des Millionenerben verletzten. Carl Hirschmann ging dagegen vor. Seither blieb es ruhig um ihn – die Strategie zeigte offensichtlich Wirkung. Wird bei der Berichterstattung gegen die Unschuldsvermutung verstossen, kann unter Umständen ein Strafantrag gegen die publizierende Person wegen übler Nachrede oder gar Verleumdung eingereicht und gleichzeitig Schadenersatz beantragt werden.
Kommt es trotz allem zu medialer Präsenz bei Verhandlungen und möchte die beschuldigte Person auf keinen Fall – insbesondere mit dem Gesicht – in die Medien kommen, empfiehlt es sich, mit dem Gericht einen alternativen Zugang abzusprechen oder andere Schutzvorkehrungen zu veranlassen. Im schlimmsten Fall muss das Gesicht zum Schutz mittels Kleidung oder Gegenständen verdeckt werden.
Mit dem absoluten Stillschweigen soll jegliche mediale Aufmerksamkeit verhindert werden und die Privatsphäre umfassend geschützt werden. Wichtig ist, den Mandaten zu instruieren und auch Angehörige in diese Strategie einzubinden und dem Druck von Medienschaffenden standzuhalten. Denn sofern keine spektakulären oder aussergewöhnlichen Aspekte hinzukommen, wird die Öffentlichkeit die Geschichte bald vergessen.
2. Reaktive Kommunikation
Strategie: Beschränkung der Kommunikation auf das Notwendigste
Ziel: Verhinderung der Eskalation der Berichterstattung
Reaktive Kommunikation konzentriert sich darauf, die Kontrolle über das öffentliche Narrativ zu behalten bzw. wiederzuerlangen und falsche oder schädliche Berichterstattung zu korrigieren, ohne dabei proaktiv in die Öffentlichkeit zu treten. Diese Strategie erlaubt es, den Fokus auf die gerichtlichen Angelegenheiten zu richten, während man dennoch auf mediale Anfragen reagiert, um das Schlimmste zu verhindern. Dies kann insbesondere beim Vorwurf von Sexualdelikten zielführend sein. Weiter ist diese Strategie zu wählen, wenn eine prominente Person wegen eines kleineren Verfahrens in die Medien gerät.
Ein prominentes Beispiel für diese Strategie ist der Fall von Rammstein-Frontmann Till Lindemann. Hier wurde nur auf direkte Anfragen von Medienschaffenden reagiert, und kurze, präzise Stellungnahmen wurden abgegeben, um falsche Gerüchte zu korrigieren.
Eine reaktive Kommunikationsstrategie kann das Risiko bergen, dass unklare oder zurückhaltende Aussagen Spekulationen in den Medien fördern. Dies kann nicht nur die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen, sondern auch Zeugen beeinflussen, was den Verlauf des Verfahrens erheblich beeinträchtigen kann. Wichtig ist in dieser Situation, dem Druck der Medien standzuhalten. Die Glaubwürdigkeit der behaupteten Quellen und Beweise sollte immer hinterfragt werden, und ein klarer Hinweis auf mögliche rechtliche Schritte kann oft ausreichen, um den Druck abzuflachen. Medienhäuser sind durchaus bereit, getätigte Aussagen richtigzustellen oder schädigende Beiträge zu löschen, wenn die Medienhäuser mit entsprechenden Beweisen konfrontiert werden.
Um negative Auswirkungen zu minimieren, können (und müssen teilweise) rechtliche Massnahmen ergriffen werden. Konkret steht Art. 28 ZGB mit Klagen zur Löschung aber auch zur Berichtigung zur Verfügung. Ebenfalls besteht die Möglichkeit einer Gegendarstellung gemäss Art. 28g ff. ZGB. Dies ermöglicht der Person, sich – in der Regel im gleichen Medium – zur vorgebrachten Sache zu äussern und Missverständnisse zu klären. Eine Gegendarstellung erweist sich in der Praxis jedoch häufig als weniger zweckdienlich, da das Medienhaus die Gegendarstellung zwar publiziert, aber den Hinweis anbringt, dass an der ursprünglichen Darstellung festgehalten wird.
In bestimmten Fällen, insbesondere im Sexualstrafrecht, kann auch hier der Ausschluss der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen beantragt werden. Weitere Schutzmassnahmen könnten die Verwendung von Non-Disclosure-Agreements (Geheimhaltungsvereinbarungen), Strafanträge wegen übler Nachrede und Verleumdung oder private und behördliche Schutzvorkehrungen umfassen, was jedoch mit den bereits erläuterten Risiken verbunden ist.
Mit der Beschränkung der Kommunikation soll auf bereits existierende Publikationen reagiert werden, um eine gewisse Kontrolle der Berichterstattung (wieder) zu erlangen. Dabei soll die Berichterstattung auf das Notwendigste reduziert werden, wobei nur Gerüchte und Falschinformationen korrigiert werden sollen, ohne neue Informationen preiszugeben.
3. Aktive Kommunikation (Litigation PR)
Strategie: Proaktive Öffentlichkeitsarbeit und gezielte Medienkampagnen
Ziel: Beeinflussung der öffentlichen Meinung und Schaffung eines positiven Bildes über die beschuldigte Person
Wer den ersten Schritt in die Öffentlichkeit wagt, hat oft gute Chancen, die Meinungshoheit zu erlangen und seine Sichtweise aktiv zu gestalten. Dies ist besonders in Fällen wichtig, bei denen das öffentliche Interesse hoch ist, wie bei sehr grossen oder medienpräsenten Strafverfahren. Es können Pressekonferenzen, Interviews und Social Media gezielt genutzt werden, um die Unschuld des Mandanten zu betonen und die juristischen Aspekte des Falls klarzustellen. Experten können (und müssen) hinzugezogen werden, um die Öffentlichkeit fundiert zu informieren. Ziel der sogenannten Litigation-PR ist es, die juristische Strategie zu unterstützen und gleichzeitig den Ruf des Mandanten durch prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit zu schützen. Allerdings sollte diese Form der Kommunikation stets von einem erfahrenen Medienexperten begleitet werden.
Ein (gelungenes) Beispiel dafür sind Klimaaktivisten oder andere ideologisch geprägte Bewegungen, die gezielt Medienarbeit nutzen, um ihre Anliegen zu bewerben und ihre Position zu stärken. So wird bereits im Vorverfahren auf das höhere Ziel (Verhinderung bzw. Verlangsamung des Klimawandels) hingewiesen und während dem Verfahren stets auf die Ideologie und die Sache selbst verwiesen. Dadurch wird ein positives Framing der entsprechenden Anliegen bewirkt. Strafrechtliche Aspekte gelangen in den Hintergrund.
Die Strategie bleibt aber mit grossen Risiken verbunden. Nur selten kann eine derartige Medienarbeit auch auf den Prozessausgang Einfluss nehmen. So stellte der Fall von Pierin Vincenz in dieser Hinsicht eher eine Ausnahme dar. Ob gewollt oder ungewollt: Der Fall war in den Medien äusserst präsent und beeinflusste durchaus die öffentliche Wahrnehmung der Beteiligten. Dies wirkte sich – zwar nicht auf die Schuldfrage – aber dafür im Verfahren vor Bezirksgericht deutlich auf das Strafmass aus. Ob sich die Reduktion aufgrund medialer Vorverurteilung tatsächlich durchsetzt, ist noch offen: Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt und das Verfahren, samt Festlegung des Strafmasses, muss wiederholt werden. Ob eine solche Reduktion «gerecht» ist, ist eine moralische und keine strafrechtliche oder strategische Frage. So schränkte bspw. der Tagesanzeiger den Medienbonus von Pierin Vincenz ein: «Es sind ja letztlich prominente Opfer, die diesen Bonus bekommen.» Ob gerecht oder nicht, die Strategie für eine derartige Strafminderung ist hochriskant, dürfte eine Ausnahme bleiben und selbst wenn sie funktioniert, bringt sie erhebliche Nachteile wie eine zerstörte Reputation mit sich.
Für den Mandanten kann die intensive Medienarbeit zudem eine enorme Belastung darstellen. Diese darf in keiner Weise unterschätzt werden. Insbesondere wenn der Täter in den Medien anders dargestellt wird als erhofft – im schlimmsten Fall als «mediengeil»–, kann die Person nachhaltig geschädigt werden. Weiter besteht die Gefahr, dass persönliche Details aufgedeckt werden, die den Ruf nachhaltig schädigen und zukünftige Karrierechancen beeinträchtigen können. Ein weiterer Nachteil ist, dass einmal veröffentlichte Informationen kaum mehr rückgängig gemacht werden können. Weiter kann durch diese Art der Kommunikation ein objektives Verfahren gefährdet werden, denn auch Richterinnen und Richter können sich der Berichterstattung nicht gänzlich entziehen.
Die kritischen Stimmen gegen diese Strategie sind (richtigerweise) laut. So warnt etwa Hans Dahs in seinem „Handbuch des Strafverteidigers“: «Der Verteidiger sollte sich von allem fernhalten, was sich auch auf die indirekte Beeinflussung der Öffentlichkeit – und damit der Justiz – durch von ihm gegründete oder geförderte «Unterstützungskomitees», «Solidaritätsinitiativen», u.Ä (= pressure groups») bezieht. Dass solche für den Mandaten Vorteile im Verfahren bringen, kann wohl mit Sicherheit ausgeschlossen werden.» Er betont, dass solche Massnahmen dem Mandanten im Verfahren kaum Vorteile bringen und potenziell sogar schädlich sein können.
Auch die Autoren raten im Rahmen der Strafverteidigung grundsätzlich nicht zu einer solchen aktiven Kommunikation. Sollte eine solche dennoch gewollt bzw. unumgänglich sein, ist die Strategie zwingend in Begleitung eines Medienexperten zu verfolgen.
Kommunikation zur Eigenwerbung der Strafverteidigerin oder des Strafverteidigers kommt nie gut an. Dies wirkt peinlich und trägt auch nicht zur Zielerreichung des Mandanten bei. Aber: Veröffentlichungen, die die Verteidigung selbst persönlich angreifen, müssen und sollen nicht geduldet werden.
Litigation PR ist eine sehr heikle Strategie. Sie soll nur mit einem Medienexperten eingesetzt werden, und auch nur da, wo eine langfristige Schädigung nicht absehbar ist, denn seinen Ruf verliert man nur einmal.
Alternative: Ausgewählte aktive Kommunikation
Eine Unterform der aktiven Kommunikation kann in einer ausgewählten aktiven Kommunikation bestehen. Dabei wählt man einen vertrauenswürdigen Medienpartner aus, mit welchem ein partnerschaftliches Verhältnis aufgebaut werden soll. Als einziges involviertes Medium wird sich der Partner auf eine Vereinbarung einlassen. Es können zwischen den Partnern sodann Rahmenbedingungen festgelegt werden, wie und welche Kommunikation erfolgen soll. Solche Vereinbarungen werden in der Regel vertraulich behandelt und können eine „Win-Win-Situation“ schaffen. Dem Medienpartner wird z.B. ein Exklusivinterview angeboten. Durch die vereinbarten Rahmenbedingungen kann besser gesteuert und sichergestellt werden, dass die Berichterstattung objektiv und fundiert bleibt.
Dennoch sollte man auch hier vorsichtig agieren und sich der Risiken bewusst sein, da eine zu starke Zurückhaltung oder Verzögerung die Zusammenarbeit gefährden kann. Ein Hinhalten wird von einem Journalisten nur hingenommen, wenn er als Exklusivpartner für eine Story ausgewählt ist, die sich auch nachhaltig auszahlt. Ein Zuwarten bei Tagesthemen lohnt sich oft nicht.
Die ausgewählte aktive Kommunikation kann eine Abschwächung der eigentlichen Litigation PR sein, wobei gezielt mit einem Medium zusammengearbeitet wird. In Zusammenarbeit mit einem Medienexperten soll eine «Win-Win-Situation» für das Medienhaus und den Beschuldigten geschaffen werden.
4. Fazit
Die Entscheidung, welche Art von Medienarbeit in einem strafrechtlichen Verfahren sinnvoll ist, hängt stark von den individuellen Umständen des Falls und der betroffenen Person ab. Während absolute Stille die Privatsphäre schützen kann, kann reaktive Kommunikation dazu dienen, Gerüchte zu kontrollieren. Aktive Kommunikation hingegen kann helfen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und im besten Fall die Chancen auf einen positiven Ausgang oder eine Strafreduktion erhöhen. Die richtige Strategie kann nicht nur den Verlauf des Verfahrens, sondern auch die Zukunft der betroffenen Person massgeblich beeinflussen.
Eine massgeschneiderte Verteidigungsstrategie auch im Hinblick auf die Medienarbeit ist daher unerlässlich, um die Rechts- und Reputationsrisiken eines Strafverfahrens umfassend zu adressieren. Ein professionelles und flexibles Medien-Krisenmanagement ist daher zwingend. Es muss sich an veränderte Umstände anpassen können und dabei stets die Anliegen des Mandanten im Blick behalten. Letztlich bleibt die Umsetzung der Beratungsstrategie jedoch im Entscheid des Klienten, den er muss mit dieser medialen Belastung umgehen können. Es ist jedoch entscheidend, nicht nur den Ausgang des Strafverfahrens zu bedenken, sondern auch die langfristigen Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Person. Auch ein Freispruch garantiert nicht, dass die mediale Aufmerksamkeit ohne negative Folgen für das spätere Leben bleibt, denn seinen Ruf verliert man nur einmal.
Der nächste Beitrag auf dem Blog Economic Crime erscheint am 21. Oktober 2024.
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