3. Mai 2021
Von Cindy Hofmann
Wie das kürzlich veröffentlichte KPMG Forensic Fraud Barometer zeigt, ist Wirtschaftskriminalität nach wie vor ein fundamentaler Träger finanzieller Verluste in der Schweiz. Unternehmen sollten Massnahmen ergreifen, um ihre Vermögenswerte zu schützen – und insbesondere um im Härtefall effektiv reagieren zu können.
Seit einigen Jahren werden im KPMG Forensic Fraud Barometer die grössten Fälle von Wirtschaftskriminalität, über die in Schweizer Medien berichtet wurden, analysiert und zusammengefasst. Dabei werden nur diejenigen Artikel berücksichtigt, die vor Schweizer Gerichten verhandelt wurden und bei denen ein Schaden von mehr als 50’000 Schweizer Franken entstanden ist. Aus der Analyse der Fälle aus dem Jahr 2020 resultierten 52 solcher Fälle mit einem Schaden in der Höhe von insgesamt 355 Millionen Schweizer Franken. Dies ist zwar ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr, wo die Schadenssumme 363 Millionen Schweizer Franken betrug, aber immer noch doppelt so viel wie im Jahre 2018 mit 166 Millionen Schweizer Franken. Die Erfahrung zeigt, dass viele Fälle gar nicht erst gemeldet werden, sodass die tatsächlichen Zahlen für Wirtschaftskriminalität um ein Vielfaches höher liegen dürften.
Die Bedrohung hat viele Gesichter
Der Forensic Fraud Barometer hat ergeben, dass ungetreues Management und Unterschlagung die am häufigsten gemeldeten Wirtschaftsdelikte im Jahr 2020 darstellen und mehr als 40 Prozent der analysierten Schäden ausmachen. Bei beiden gab es jeweils zehn Fälle. Wirtschaftskriminalität ist jedoch ein viel weitreichenderes Thema und umfasst auch Bestechung, Betrug, Geldwäscherei, Veruntreuung, Bilanzfälschung, Korruption, Verstöße gegen das Wettbewerbs-/Kartellrecht, Wirtschaftsspionage und Steuer-, Sozialversicherungs-, Versicherungs- oder Anlagebetrug. Viele vermuten instinktiv Wiederholungstäter, wie beispielsweise professionell organisierte und systematisch vorgehende Betrüger, hinter diesen Delikten. Wie die Analyse aus dem Jahr 2020 zeigt, stellen Privatpersonen mit insgesamt 13 Fällen die zweithäufigste Täterschaft nach den professionellen Betrügern mit insgesamt 19 Fällen dar. Auch das Management und, in geringerem Ausmass, Mitarbeitende waren in einer signifikanten Anzahl von Fällen involviert. In Bezug auf die Opfer ergab die Studie, dass öffentliche Einrichtungen im Jahr 2020 am häufigsten von Wirtschaftskriminalität betroffen sind (20 Fälle), während die meisten anderen Fälle Privatpersonen (12 Fälle), Wirtschaftsunternehmen (10 Fälle) und Kunden (8 Fälle) betrafen. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Bedrohung durch Wirtschaftskriminalität viele Gesichter hat und alle Akteure der Gesellschaft betrifft. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass Unternehmen Massnahmen ergreifen, um nicht nur ihr Vermögen zu schützen, sondern auch Vertrauen zu entwickeln. Dabei steht nicht nur das interne Vertrauen der Unternehmung im Zentrum, sondern insbesondere auch das Bewahren des gesellschaftlichen Vertrauens in die Firma.
Niederschlag der Pandemie
Erfahrungsgemäss dauert es viele Jahre, bis Straftaten ans Licht kommen, untersucht und vor Gericht verhandelt werden. Daher wird das aktuelle Ausmass der Wirtschaftskriminalität erst im Laufe der Zeit sichtbar werden. Es wird interessant sein zu sehen, wie sich die Pandemie in zukünftigen Zeiträumen niederschlagen wird. COVID-19 hat schon heute zu undenkbare Konsequenzen für unsere Gesellschaft geführt. Organisierte Verbrecher haben hierbei schnell reagiert und gross angelegte und sorgfältig inszenierte Kampagnen zum Betrug von Bankkunden gestartet und somit die mit der Pandemie verbundenen Ängste und Befürchtungen ausgenutzt. Durch neue Arbeitsweisen, die zunehmende Verschiebung des Fokus auf das Überleben statt auf regelmässige Kontrollen und die Verlagerung des täglichen Geschäfts auf zunehmend digitale und entfernte Standorte werden Unternehmen zusätzlichen, neuen Risiken ausgesetzt. So könnten Betrüger beispielsweise versuchen, Daten abzufangen oder vertrauliche – digitale – Meetings oder E-Mails abzuhören. Es wurden Fälle rapportiert, in welchen Mitarbeiter durch eine gefälschte Aufforderung, sich in ein neues COVID-19-Portal einzuloggen, zur Preisgabe von Remote-Anmeldedaten verleitet wurden. Sobald ein Mitarbeiter seine Daten eingegeben hat, hat der Betrüger ungehinderten Zugriff auf die Firmenkonten des Mitarbeiters und das Netzwerk des Unternehmens.
Prävention als beste Strategie
Die Ergebnisse des Forensic Fraud Barometers zeigen, dass Wirtschaftskriminalität in der Schweiz weiterhin ein erhebliches Risiko darstellt. Unternehmen sollten sicherstellen, dass sie über Systeme und Kontrollen verfügen, um ihre Vermögenswerte vor betrügerischen Aktivitäten zu schützen. Wo dies relevant ist, sollten Mitarbeiter in den Bereichen Bestechung, Geldwäscherei und Korruptionsbekämpfung geschult werden.
Da Wirtschaftskriminalität in vielen Formen auftritt und selbst in den am besten vorbereiteten Organisationen eine Bedrohung darstellt, ist es wichtig, Protokolle zu definieren, wie man reagieren soll, wenn der schlimmste Fall eintritt oder ein Betrugsverdachtsfall ans Licht kommt. Während Prävention die beste Strategie ist, kann die richtige Reaktion die Auswirkungen von Vorfällen auf den Ruf eines Unternehmens begrenzen und dazu beitragen, das öffentliche Vertrauen in den Markt zu erhalten. Eine rasche Identifizierung des Täters, die Bezifferung des Schadens, die Zuordnung der Verantwortlichkeiten sowie die, wenn möglich, Wiederherstellung der Vermögenswerte senden ein Signal an alle Stakeholder, dass Wirtschaftskriminalität nicht toleriert wird und ermöglicht somit eine transparente Kommunikation auf Grundlage verifizierter Fakten.
In unserem aktuellen Umfeld der Unsicherheit und des Wandels müssen Unternehmen besonders wachsam gegenüber den Risiken von Wirtschaftskriminalität sein. Gleichzeitig können Veränderungen von Arbeits- und Geschäftsmodellen eine gute Gelegenheit für Unternehmen darstellen, ihre Risikorahmenbedingungen im Allgemeinen neu zu bewerten – einschliesslich der internen und externen Bedrohungen durch Wirtschaftskriminalität.
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