Bei der Digitalisierung der Verwaltung liegt die Schweiz weit zurück. Warum tut sich der Staat mit der digitalen Transformation so schwer und wie kann er den Veränderungen begegnen? Ein Gastbeitrag von Carlo Dietiker, bis 2017 Vizedirektor beim Bundesamt für Informatik und Telekommunikation BIT.
Die Schweizer Wirtschaft ist dabei, sich eine globale Spitzenposition in der zukunftswichtigen digitalen Welt aufzubauen. Sie mischt vorne mit in der Speicherung von Daten, dem «Crypto Valley» mit der global konzentriertesten Menge an «Initial Coin Offerings (ICO)», einer abhebenden Blockchain-Szene und einer zunehmenden Nachfrage nach Schweizer IT-Dienstleistungen aus dem Ausland.
Doch was macht die Verwaltung? Sie hinkt der Digitalisierung, aufgrund föderaler Strukturen und damit einhergehenden fehlenden zentralen Steuerung, stark hinterher.
In der UN E-Government Survey 2016 landete die Schweiz gerade mal auf dem 28. Platz. Grossbritannien und Japan führen die Rangliste an.
Heute gestaltet jedes Departement und Amt (Bund und Kantone) die Digitalisierung eigenständig, unkoordiniert und aus seiner Innensicht heraus. Die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft sehen sich daher mit einer Vielzahl von digitalen Insel-Lösungen konfrontiert.
Gleiche oder ähnliche Prozesse wie etwa die Grundbuchtransaktionen oder die Steuerdeklarationen sind mehrfach umgesetzt. Die Produktivität der Prozesse fallen dabei sehr unterschiedlich aus und die Kosten sind entsprechend hoch. Auch gibt es keinen einheitlichen Zugriff auf die Daten und kaum Instrumente zum Analysieren.
«Single-sign-ons» über alle Verwaltungsbereiche oder zentrale E-Identitäten gibt es nicht. Ein Customer- respektive ein Human Centered-Ansatz, wie ihn andere Länder verfolgen, fehlt völlig.
Eine zentral geführte und koordinierte Digitalisierung der Verwaltung, wie es beispielsweise das britische Cabinet Office mit dem gov.uk Portal oder Estland mit e-estonia seit Jahren vormachen, bergen viel Potenzial. So auch der Einsatz zukunftsträchtiger Technologien, wie etwa Blockchains.
Damit die Schweizer Verwaltung digital mithalten kann, muss noch einiges passieren. Die Schaffung eines Central Digital Office beispielsweise als Staatssekretariat für Digitalisierung, mit einem Chief Digital Officer, könnte der digitalen Transformation den benötigten Schub verleihen. Namhafte Politiker befürworten eine solche Stossrichtung, wie die «NZZ» im Artikel Die Schweiz braucht eine «Ms. Digital» oder einen «Mr. Digital» schreibt.
Die Schaffung eines Central Digital Office mit einem Chief Digital Officer, könnte der digitalen Transformation den benötigten Schub verleihen.
Mit dem Etablieren eines Bundes-CDO und dem Erweitern der bestehenden CIO-Rollen der Departemente und Kantone soll eine effiziente und kundennahe digitale Verwaltung gefördert werden.
Die digitale Transformation der Verwaltungen in der Schweiz ist eine der grossen Herausforderungen der nächsten Jahren. Nachfolgend eine mögliche Vorgehensweise:
Hintergrund: Carlo Dietiker war bis 2017 als Vizedirektor beim Bundesamt für Informatik und Telekommunikation tätig und hat im Rahmen seiner Weiterbildung zum Chief Digital Officer bei der Hochschule Luzern eine Thesenarbeit zum Thema «Digitale Transformation der Bundesverwaltung» verfasst.
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Kommentare
2 Kommentare
Carlo Dietiker
Danke Indiana Jones für den positiven FB zu meinem 'C' Ansatz. Ich habe mich sehr gut gefühlt in meinem CAS an der HSLU, möchte es jedoch deswegen nicht als Wohlfühlkurs sondern als ein dringend notwendiges und sowohl für die Verwaltung wie die Wirtschaft sehr relevantes Weiterbildungsangebot bezeichnen. Nach meiner Erfahrung geben sich die meisten C-Level / Chiefs als sehr digital afin, doch fehlen oft die notwendigen digitalen Fähigkeiten und Konsequenzen, den (PR-) Worten entsprechende Taten folgen zu lassen. Dies sehe ich als ergänzende Ursache nebst der erwähnten C-Level Vernetzung. Bei den Anreizen für die Jungen bin ich voll dabei und da ist noch viel Potenzial. Aus meiner Sicht hängt dies stark damit zusammen dass unser Bildungswesen - bei der Politik und Bildungsbehörden angefangen - den Sence of Urgence der Digitalisierung noch nicht sieht und Mühe bekunden bei der Fokussierung resp. Repriorisierung auf MINT Fächer. Kommt dazu dass die meisten Pädagogen nicht eben aufgeschlossen sind der Digitalisierung gegenüber und starke Protagonisten noch rar sind.
Indiana Jones
Endlich eine erfreuliche Anwendung des C: Das *Central* Digital Office als Lösungsansatz für die Konkurrenzfähigkeit der Schweiz im globalen Digitalisierungsstrudel. Wenn nun auch die Erkenntnis reift, dass es in der CH nicht an Strategie- und Wohlfühlkursen für die C(Chief)-Ebene mangelt, sondern an Anreizen für die junge Generation, sich in anspruchsvolle (MINT-)Gebiete einzuarbeiten, besteht noch Grund zur Hoffnung. Ursache der verwaltungstypischen Trägheitseffekte ist m. E. nicht die fehlende Aufklärung der C-Ebene, sondern deren (zu) gute Vernetzung (je enger die Maschen desto näher am Filz).
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.