Artificial Intelligence & Machine Learning,
Von Simone Lionetti
Zellbilder zu analysieren ist alles andere als einfach. Von modernen Mikroskopen aufgezeichnet, braucht es dazu jahrelange Erfahrung. Für wissenschaftliche Studien müssen Fachleute aus dem Medizin- und Biologiebereich solche Aufnahmen oft am Computer nachbearbeiten, was sehr aufwändig ist.
Die Informatik-Absolventen David Staub und Timo Furrer schliessen mit ihrer Bachelorarbeit eine wichtige Lücke in diesem Bereich: Sie entwickelten eine künstliche Intelligenz (KI), welche die Konturen von Zellwänden und -kernen in Differentialinterferenzkontrast-Mikroskopie (DIC) erkennt. Dies erleichtert die manuelle Nachbearbeitung der Aufnahmen erheblich. Mit ihrer Anwendung haben Staub und Furrer den regionalen Excellence Award 2020 von Siemens gewonnen. Sie sind nun für den nationalen Award nominiert, der im Frühjahr 2021 verliehen wird.
Medtech-Kooperation: Wo Biologie und Medizintechnik auf künstliche Intelligenz treffen Das Cell-Analyzer-Projekt stammt aus der Medtech-Kooperation zwischen dem Algorithmic Business Research Lab und dem CC Bioscience and Medical Engineering. Die Anwendung wurde primär entwickelt, um biologische Experimente in der Schwerelosigkeit zu unterstützen. Die departementsübergreifende Zusammenarbeit bringt Kompetenzen aus aus der Biologie, der Medizintechnik und der künstlichen Intelligenz zusammen. Diese Synergie ist wichtig, um das Potenzial der KI für medizin- und biotechnische Lösungen zu nutzen. Und um Erfolgsgeschichten zu schreiben wie jene des von David Staub und Timo Furrer entwickelten Cell Analyzers. |
Zellen erforschen mit KI: Im Video stellen die Absolventen ihre Bachelorarbeit vor
Doch wie lernt ein Computer das Erkennen von Zellen?
DIC-Abbildungen sind meist grau und oft verrauscht. Zellen erscheinen darauf nur als vage Muster. Die Kernidee von David Staubs und Timo Furrers Konzept liegt darin, dass der Computer anhand von Beispielen lernt.
Sie fordern die Maschine auf, einen bestimmten Ausschnitt des Bildes auszuleuchten. Dieser wird dann korrigiert, um dem erwünschten Resultat besser zu entsprechen. Dies geschieht über mehrere Wiederholungen und bei einer Vielzahl von Bildern und das solange, bis das Resultat akzeptabel ist für jeglichen Input. Diese Strategie kann erstaunlich erfolgreich sein, aber auch kläglich scheitern. Nämlich dann, wenn dem Computer zu wenige korrekte Antworten zur Verfügung gestellt werden.
Im Fall des Cell Analyzers waren zwei Faktoren entscheidend für den Erfolg: erstens eine verlässliche und effiziente Art, die Input- und Output-Paare zu generieren. Dies wurde mit Fluoreszenzmikroskopiebildern erreicht, die mehrfache Färbungen auf denselben Zellen aufweisen. Zweitens ist entscheidend, wie die KI angeleitet wird, diese Assoziationen herzustellen.
Der Trick war, von einem Modell auszugehen, welches mithilfe von Millionen alltäglicher Bilder von Katzen, Hunden und Gummienten trainiert worden war.
Der Trick war, von einem Modell auszugehen, welches mithilfe von Millionen alltäglicher Bilder von Katzen, Hunden und Gummienten trainiert worden war. Diese KI hatte bereits eine ausgedehnte Grundschulung in Bildanalyse hinter sich und konnte schon Objekte erkennen.
Der Cell Analyzer imitiert Expertenhandlungen
In vielen Fällen sind selbst ein ausgeklügeltes künstliches neuronales Netz und jede Menge Rechenleistung nicht genug, um eine erfolgreiche KI-Lösung zu bauen. David Staub und Timo Furrer zerlegten einen bereits existierenden Ansatz in seine Komponenten. Daraus lernten sie und liessen den gesamten Trainingsprozess nicht aus den Augen. Sie validierten hochtechnische Zwischenergebnisse, suchten – und fanden – für jedes unerwartete Resultat eine Erklärung.
In Fällen, in denen der Cell Analyzer unsicher ist in Bezug auf eine Zelle, berichten menschliche Expertinnen und Experten von ähnlichen Problemen. Dennoch errät die KI meist die richtige Antwort.
Dieses sorgfältige Verständnis ist im Endprodukt klar erkennbar. In Fällen, in denen der Cell Analyzer unsicher ist in Bezug auf eine Zelle, berichten menschliche Expertinnen und Experten von ähnlichen Problemen. Dennoch errät die KI in diesen Fällen meist die richtige Antwort.
Während des Trainings der KI wurden weiter kleine Fehlausrichtungen in der Mikroskop-Einstellung sichtbar – eine Aufgabe, von der das menschliche Auge oft überfordert ist. Der Cell Analyzer zeigte ausserdem eine gute Leistung bei Bildern, die in einem stark abweichenden experimentellen Kontext aufgenommen worden waren.
Erste Mission: Zellen analysieren in der Schwerelosigkeit
Die Cell-Analyzer-Anwendung wurde primär entwickelt, um biologische Experimente in der Schwerelosigkeit zu unterstützen. Diese werden vom schweizerischen Support-Zentrum BIOTESC der Hochschule Luzern für die Europäische Weltraumorganisation ESA durchgeführt.
Wie wirkt die Schwerkraft auf menschliche Zellen?
Die Experimente erforschen Effekte auf Zellen für zwei parallele Zwecke: Einerseits kann man die medizinischen Folgen von Raumfahrtmissionen auf Astronautinnen und Astronauten besser verstehen. Anderseits wird auch ein tieferes Verständnis der biologische Prozesse auf der Erde geschaffen. Die Cell-Analyzer-Anwendung soll nach einer Pilotphase für weitere Kreise der Bevölkerung zugänglich gemacht werden mit dem Ziel, biomedizinische Analysen massiv zu verbessern.
Publiziert: 11. Februar 2021
Forscher und Betreuer der Bachelor-Arbeit: Simone Lionetti ist Senior wissenschaftlicher Mitarbeiter im Algorithmic Business Research Lab. Er hat in theoretischer Physik promoviert und forscht heute im Bereich Machine Learning mit Schwerpunkt auf medizinischen Anwendungen. Er hat die Bachelorarbeit von David Staub und Timo Furrer betreut.
Medtech-Kooperation: Wo Biologie und Medizintechnik auf künstliche Intelligenz treffen. Das Cell-Analyzer-Projekt ist im Rahmen des neuen Forschungs- und Entwicklungs-Joint-Venture der Hochschule Luzern entstanden. Die Forschenden nutzen künstliche Intelligenz, um beispielsweise medizinische Diagnosen sicherer und skalierbar zu machen. Dazu arbeiten Biologinnen, Medizintechniker und Informatikerinnen zusammen. Das CC Biomedical Engineering (Departement Technik & Architektur) und das Algorithmic Business Research Lab (Departement Informatik) etablieren mit diesem Kooperationsprojekt eine Austauschplattform für medizintechnische Forschung und gemeinsame Doktorierende.
Künstliche Intelligenz an der Hochschule Luzern: KI ist ein Schwerpunkt an der Hochschule Luzern. Seit Frühling 2020 läuft der Bachelor-Studiengang Artificial Intelligence & Machine Learning.
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