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Digitale Transformation aus Sicht einer Retailbank

Digitale Transformation aus Sicht einer Retailbank
Wie geht eine Retailbank mit der digitalen Disruption um? Indem sie selbst zum Disruptor wird!

Wie gelingt die digitale Transformation in der Schweizer Finanzbranche? David Kauer, Lead Innovator und Mitglied des Kaders bei der PostFinance, schreibt darüber in seinem Gastbeitrag.

Die Gesellschaft und die Wirtschaft wurden durch die technologische Entwicklung in einem Ausmass verändert, wie es in der Geschichte bisher nur selten passiert ist. In einem schier grenzenlosen Wachstum und mit immer kürzeren Zyklen verschmelzen virtuelle mit realen Welten. Anders als noch in den 80-er-Jahren benötigen Innovatoren fast kein Kapital, können auf frei verfügbare Informationen zugreifen und die Marketing- und Vertriebswege etablierter Unternehmen nutzen, um ihre Ideen zu verwirklichen.

«Dieser Megatrend steht in der Finanzbranche noch am Anfang.»

So benötigt ein junger Unternehmer heute lediglich eine gute Idee und einen zweistelligen Dollarbetrag, um seine App, welche möglicherweise eine ganze Industrie ablöst, an den Markt zu bringen. All diese Faktoren führen dazu, dass die digitale Disruption im Vergleich zur klassischen Disruption ein Hundertfaches an Wirkung entfaltet. Nicht zuletzt, weil aufgrund der vorhandenen Infrastrukturen immer mehr Innovatoren angelockt werden. Es ist offensichtlich, dass diese Entwicklungen auch die Wertschöpfungslogik der Finanzindustrie grundlegend verändern. Dieser Megatrend steht in der Finanzbranche noch am Anfang und wird die Branche über die nächsten Jahrzehnte prägen.

Moderne IT als Wettbewerbsvorteil

Seien wir ehrlich: Kein Mensch will zahlen, vielmehr ist die Bedürfniserfüllung sein Antrieb. Daher werden wir mittelfristig gar keine Apps oder Kundeninteraktionen mehr benötigen, weil intelligente Maschinen dies im Hintergrund für uns erledigen. Die Danske Bank redet in dem Zusammenhang von «Ghost Payments». Die Geschäftsmodelle und die Organisationsstruktur der Banken sind heute noch stark nach Zugangspunkten, Medien und Teilmärkten ausgerichtet. Es erstaunt daher nicht, dass die Kunden an jedem Zugangspunkt aufwändig unterschiedliche Daten eingeben müssen, um einen Bankservice zu nutzen.

«Nicht einfach analoge in digitale Prozesse umwandeln.»

Der Aufbau moderner IT-Architekturen und die Digitalisierung der Assets sind entsprechend zentrale Grundlagen, um das Kundenerlebnis zu verbessern und neue Geschäftsmodelle rascher am Markt zu etablieren. Damit wird die Zukunftsfähigkeit der Bank langfristig gesichert. Mit der IT sind die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Bank schnell und umfassend agieren und sich von den Wettbewerbern differenzieren kann. Die Internalisierung neuer Technologien ist dabei zentral, um die Kundenbedürfnisse grundlegend besser zu erfüllen und nicht einfach analoge in digitale Prozesse umzuwandeln.

«Die Kundenschnittstelle gehört mir»

An Fachmessen der Branche wird oft diskutiert, wem die Kundenschnittstelle gehört. Es ist bemerkenswert, dass Unternehmen im Zeitalter des Kunden immer noch versuchen top-down zu definieren, wem der Kunde gehört und wie er mit dem Unternehmen interagieren soll. Die Kundenschnittstelle gehört dem Kunden selbst: Er alleine entscheidet, wann er mit wem und wie interagiert. Diese Wahlfreiheit einzuschränken, wirkt sich langfristig kontraproduktiv aus.

«Die neue digitale Welt beinhaltet immense Opportunitäten. Ich wage sogar die These, dass die Chancen die Gefahren bei Weitem überwiegen.»

Dass die Kunden bereits heute stärker Services von neuen Wettbewerbern nutzen, zeigt, dass die Kundenschnittstelle längst nicht mehr bei den Banken liegt. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass die globalen Entwicklungen nicht durch eine «Abschottungspolitik» aufgehalten werden können. Vielmehr ist «stop defining the waves and start surfing» das Gebot der Stunde. Denn die neue digitale Welt beinhaltet immense Opportunitäten. Ich wage sogar die These, dass die Chancen die Gefahren bei Weitem überwiegen. Dies gilt jedoch nur für die Surfer, nicht für die Betrachter.

«Culture eats strategy for breakfast»

Die Zeiten als digitale Tasks an das «Digital Team» oder den «Digital Officer» adressiert wurden, sind vorbei. Vielmehr sind diese Rollen ein Beleg, dass die digitale Transformation in einem Unternehmen noch nicht weit fortgeschritten ist. Die Bank muss sich als Ganzes zur digitalen Transformation verpflichten und jeder Mitarbeitende muss ein digitaler Evangelist und Disruptor werden. Umso mehr als die digitale Transformation nicht eine mögliche, sondern die einzige Handlungsoption für die Bankbranche darstellt. Dabei zählen die Unternehmenskultur und die Technologiekompetenz zu den wichtigsten Faktoren.

«Jeder Mitarbeitende muss ein digitaler Evangelist und Disruptor werden.»

Denn die Bankbranche ist – nicht zuletzt wegen der Finanzkrise – risikoscheu und sollte den Fokus wieder vermehrt auf die Stärken, Chancen und Kundenbedürfnisse legen. Umso mehr als das grösste Risiko darin besteht, nichts zu tun. Inkrementelle Innovationen sind zwar wichtig, dies darf jedoch nicht unser Amibitionsniveau sein. Disruptive Innovationen sind die Königsdisziplin und in dem Zusammenhang ist es wichtig, Scheitern am Markt als Lernprozess zu sehen. Hohe Unsicherheiten müssen als Teil von frühen Innovationsstadien akzeptiert werden. Dabei sollen Empathie sowie Kundenbedürfnisse und nicht die Profitpools der Bank im Vordergrund stehen.

Erfolgsfaktoren digitale Transformation

Für eine erfolgreiche digitale Transformation sind viele Faktoren relevant. Nachfolgend fünf Punkte:

1. Transformation Kundenerlebnis

Das beste Kundenerlebnis ist wichtiger als das beste «Time-to-Market». Ziel ist es, dem Kunden über alle Zugangspunkte hinweg den grösstmöglichen Komfort unter der Prämisse «here and now» zu gewähren. Die Hauptschnittstelle ist Mobile, physische Zugangspunkte wie etwa Filialen sind auf «Digital Enablement» zu fokussieren. Papier-Vorgänge sind zu eliminieren oder mit einem Preisschild zu versehen und die «Straight-Through-Processing-Rate» zu steigern. Die Komplexität und der Kundenaufwand für die Nutzung von Services sollen verringert und Eintrittshürden eliminiert werden.

Ein Beispiel: Statt mit einem Lesegerät soll die Authentisierung über einfache, softwarebasierte State-of-the-Art-Verfahren erfolgen. Statt der Identifikation an einer Poststelle oder einem PostFinance Beratungscenter sollen sämtliche Services digital aktiviert und sofort genutzt werden können. Statt einer Fehlermeldung aufgrund mangelnder Kontodeckung kann online ein Sofortkredit offeriert werden.«Customer Experience Factories» sowie die Einbindung von Kunden und Schlüsselpartnern in Innovationsprozesse ermöglichen Lösungen. Kunden können ihre latenten Bedürfnisse jedoch nicht immer artikulieren. So haben sich vor über 100 Jahren alle ein schnelleres Pferd gewünscht, weil sich niemand ein Automobil vorstellen konnte. Wir müssen neben dem Einbezug von Kunden auch «querdenken», um ihre latenten Bedürfnisse zu erahnen.

2. Zielgerichteter Einsatz von Smart Data

Durch Smart Data kann das Kundenerlebnis personalisiert und verbessert werden. Smart Data sind das Rohöl der Stunde und eine wichtige Grundlage für neue Geschäftsmodelle wie etwa digitale Marktplätze. Viele Banken verfügen zwar über Daten, doch beim zielgerichteten Einsatz trennt sich die Spreu vom Weizen. Der Kunde bestimmt jedoch stets selbst, ob er eine Datennutzung zulässt und was mit seinen Daten passiert.

3. «Become a Digital Disruptor» 

Jedes Unternehmen muss nicht nur versuchen Geschäftsmodelle von Dritten anzugreifen, sondern auch bereit sein, das eigene Geschäftsmodell zu kannibalisieren, bevor es ein Anderer tut.

4. Die Bank als Netzwerker 

Es herrscht nicht mehr ein Wettbewerb von Unternehmen, sondern ein Wettbewerb von Netzwerken. Die vernetzte, gemeinsame Wertschöpfung mit Partnern auf ein gemeinsames Kern-Wertversprechen gegenüber den Kunden hin, wird immer wichtiger. Der Begriff «Coopetition» umschreibt das Verhältnis zwischen Disruption von Dritten und der Notwendigkeit von Kooperationen. Das beinhaltet auch, Geschäftsmodelle und Plattformen für Entwickler, Kunden und Partner gezielt zu öffnen. Alle Parteien profitieren davon, dass die Services der Bank jederzeit und überall verfügbar sind. Unabhängig davon über welche Plattform eine Interaktion mit der Bank erfolgt. Die Bank gewinnt an Reichweite und kann die Wertangebote dank der Schlüsselpartner verbessern. Die Öffnung ist auch daher relevant, weil die aus der digitalen Transformation resultierende Komplexität, alleine nicht mehr zu beherrschen ist und vom Know-how der Community nachhaltig profitiert werden kann.

5. Aufbau von Ressourcen und Fähigkeiten

Oft fehlt es nicht an guten Ideen, sondern an Ressourcen und Fähigkeiten. Diese müssen mit einer zielgerichteten HR-Politik aufgebaut und die Mitarbeitenden für die digitale Transformation fit gemacht werden. Denn die Bank von morgen gleicht einem agilen Projekt- und Softwarehaus. Statt «Finance Guys» werden zunehmend Data Scientists, IT-Spezialisten und Mitarbeitende, die agile Projektmethoden und das «Customer Experience Management» beherrschen, benötigt. Umso mehr als ich davon überzeugt bin, dass sich der Fokus der erfolgreichen Banken langfristig auf neue, branchenfremde Geschäftsmodelle verlagern wird.

Mehr News und Trends aus dem Retail Banking Markt Schweiz gibt es im IFZ Retail Banking Blog

 

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Kommentare

1 Kommentare

Orange36

Sehr schön erklärt! Ich denke es ist auch wichtig, dass man sich stetig weiterbildet und nicht vielleicht nur auf einer Finanzberater Ausbildung ausruht. Da sich die Branchen immer schneller ändern, muss man das auch als eigenen Anspruch haben.

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