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Tech-Trends in der Software-Entwicklung: «Viele sind überfordert»

Tech-Trends in der Software-Entwicklung: «Viele sind überfordert»
Die Software-Entwicklung ist im Laufe der Jahre immer komplexer geworden. Stetige technologische Wandel und neue Werkzeuge fordern Entwickelnde heraus. (Bild: Yanalya auf Freepik)

Immer mehr Software-Entwickelnde und -Firmen sind überfordert, sagt unser wissenschaftliche Mitarbeiter Björn Näf. Sie müssen sich stets mit aktuellen Tech-Trends auseinandersetzen und Neues dazulernen. Wer nicht am Ball ist, bleibt eher früher als später auf der Strecke.

Björn Näf, Sie sagen, neue Technologien forderten Software-Entwickelnde enorm heraus – bis hin zur Überforderung. Was tun?

Der Beruf war schon immer begleitet von (r)evolutionären Veränderungen. Neu ist die Kraft der aktuellen Technologiewende: Tech-Trends wie Blockchain, Künstliche Intelligenz, Internet of Everything oder Quantum- und Edge-Computing verändern in der Summe viele Arbeitsbereiche von Entwicklerinnen und Entwicklern. Das erfordert neue Fähigkeiten und Prozesse. Bewährte Arbeitsweisen werden dadurch radikal verdrängt. So ist es je nach Gebiet nötig, sich beruflich neu auszurichten. Dadurch müssen wir uns stetig weiterbilden, beispielsweise autodidaktisch mittels Online-Tutorials oder mithilfe einer Weiterbildung.

Programmiererinnen und Programmierer mussten immer schon neue Sprachen und Tools lernen. Was ist heute so herausfordernd?

Zum einen hat sich die Evolution beschleunigt: Wer nicht am Ball ist, bleibt eher früher als später auf der Strecke.

Der Fachkräftemangel ist trügerisch. Langjährig tätige Software-Entwickelnde haben nicht per se eine grössere Auswahl an vakanten Stellen, weil die Profile zunehmend spezifischer werden.

Zum anderen befindet sich das Berufsfeld im Wandel. Wo es früher noch genügte, etwas zu «können», also etwa eine bestimmte Programmiersprache zu beherrschen, müssen Entwicklerinnen und Entwickler heutzutage gleichzeitig immer mehr «kennen», und zwar nicht nur oberflächlich, sondern fundiert. Sie müssen wissen, welche Ansätze und Technologien gerade gehypt werden. Und (mit-)entscheiden können, wann es Zeit ist, auf eine andere Technologie zu wechseln.

So hat sich die Software-Entwicklung in den letzten zehn bis 20 Jahren verändert.

Wir beobachten Veränderungen auf drei Ebenen: bei den Technologien, bei den Prozessen und Organisationsformen sowie beim Markt.

Technologie: Die Software-Entwicklung war schon immer gleichzeitig Treiberin und Nutzniesserin von Neuerungen wie Programmiersprachen, Frameworks oder Tools. In den letzten zehn Jahren beobachten wir aber eine beschleunigte Evolution: Technologien und Anwendungen werden immer kurzlebiger und müssen stetig angepasst werden.

Prozessmodelle: Agile Prozessmodelle haben die Vorgehensweisen bei der Software-Entwicklung revolutioniert. In den letzten Jahren haben sie auch die Organisationsstruktur von Unternehmen verändert. Selbst Grosskonzerne sind heute «agil» organisiert und funktionieren – zumindest auf dem Papier – nach den Grundprinzipien der Software-Entwicklung. Die Software-Entwicklung hat den agilen Wandel am stärksten durchlebt. Prozesse und Strukturen in Softwarefirmen funktionieren heute meist diametral anders als noch vor zwanzig Jahren. Dementsprechend brauchen sowohl Entwickelnde als auch Führungspersonen andere Hard und Soft Skills als früher.

Markt: Auf der Anbieterseite schiessen Firmen mit Softwarekontext regelrecht aus dem Boden: Ob Sie Auto oder Zug fahren, eine Kaffeemaschine bedienen, Einkäufe bezahlen oder im Spital liegen – überall sind Computerprogramme im Einsatz, die irgendwer entwickeln, betreiben und warten muss. Dadurch entstehen immer neue Stellenprofile und diese Jobs müssen besetzt werden. Der oft zitierte Fachkräftemangel ist allerdings trügerisch, denn langjährig tätige Software-Entwickelnde haben nicht per se eine grössere Auswahl an vakanten Stellen, weil die Profile zunehmend spezifischer werden.

Wo sehen Sie die Software-Entwicklung in zehn Jahren?

Die aktuellen Trends werden sich nicht nur fortsetzen, sondern verstärken. Allen voran hat die Künstliche Intelligenz die technologische Revolution schon längst eingeläutet. Software, die sich selbstständig weiterentwickelt und andere Software erstellt, ist kein dystopisches Märchen mehr.

Blockchain, Künstliche Intelligenz, Internet of Everything oder Quantum- und Edge-Computing verändern viele Arbeitsbereiche. Das erfordert neue Fähigkeiten und Prozesse.

Grosse Player wie Google, Amazon, Microsoft und andere (vielleicht neue) werden ihre Marktführung weiter ausbauen. Sie werden mitbestimmen, welche Tech-Trends sich durchsetzen. Diese werden vielleicht noch disruptiver sein als heute. Softwareprofis werden viel mehr Kontextwissen brauchen, um Zusammenhänge zu verstehen und unterschiedliche Konzepte und Services zielführend einsetzen zu können.

Welchen Einfluss hat die Internationalisierung der Berufswelt?

Der ausländische Druck war und ist hoch. Programmierende in Litauen oder Indien arbeiten oft schneller als Entwickelnde aus der Schweiz. Insbesondere scheinen andere Länder neue Tech-Trends deutlich schneller zu adaptieren – die Schweiz gibt sich eher abwartend als wegweisend.

Software, die sich selbstständig weiterentwickelt und andere Software erstellt, ist kein dystopisches Märchen mehr.

Durch die technologischen Entwicklungen wird die internationale Konkurrenz grösser. Umso wichtiger ist es für Schweizer Softwareentwickelnde und -firmen, den technologischen Fortschritt proaktiv mitzugestalten, anstatt nur darauf zu reagieren. Zum Beispiel indem sie aktiv teilnehmen an internationalen Tech-Konferenzen, Communities oder Forschungsprojekten.

Was ist der Lohn für all die Mühe? Welche Chancen eröffnen dir disruptiven Technologien in der Software-Entwicklung?

Wenn es uns gelingt, die neuen Technologien wertsteigernd zu nutzen, werden alle profitieren. Softwareentwicklerinnen und -entwickler werden weniger müssige Routinearbeiten machen müssen. Das schafft Raum für interessantere Aufgaben.

Frage in die Runde: Welche Erfahrungen machen Sie in der Software-Entwicklung? Wir freuen uns über Kommentare.

Von Yasmin Billeter
Veröffentlicht: 25.11.2022

Björn Näf

Unser Experte für Software-Entwicklung: Björn Näf ist Senior wissenschaftlicher Mitarbeiter und Senior Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Programmleiter an der Hochschule Luzern – Informatik. Er unterrichtet unter anderem in den Bereichen Cyber Security und Software Engineering & Development.

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