Artificial Intelligence & Machine Learning,
Benjamin Fassbind weiss, wie es ist, wenn die Welt vor den Augen verschwimmt. Der Informatik-Absolvent litt an Augentrockenheit und dadurch wurde seine Hornhaut angegriffen. In seiner schlimmsten Phase konnte er nur noch etwa 30 Prozent seiner Umgebung wahrnehmen. Heute kann er wieder zu 100 Prozent sehen.
Ich wollte mein Informatikwissen nutzen, um Menschen zu helfen, die an Augenkrankheiten leiden.
Ihm ist jedoch bewusst, dass viele Augenkrankheiten nicht rückgängig gemacht werden können. «Deshalb wollte ich mein Informatikwissen nutzen, um Menschen zu helfen, die an solchen Krankheiten leiden.»
Durch seinen Onkel, der in der Augenheilkunde arbeitet, kam er in Kontakt zur Universitätsklinik des Saarlandes. Dort entstand die Idee, zusammen mit Achim Langenbucher, dem Leiter der Abteilung der experimentellen Augenheilkunde, Hornhautkrankheiten wie Keratokonus automatisch anhand von Augenscans zu erkennen.
Eine frühzeitige Diagnose ist wichtig. So hat man die Chance, die Krankheit zu stoppen.
«Studien zeigen, dass Ärzte und Ärztinnen die Krankheit oft nicht rechtzeitig erkennen. Eine frühzeitige Diagnose ist aber wichtig», sagt Fassbind, «so hat man die Chance, die Krankheit zu stoppen oder kann eine Transplantation der Hornhaut vermeiden.»
Eine benutzerfreundliche Web-App, die automatisch Hornhautkrankheiten diagnostiziert – das war die Idee von Benjamin Fassbind. Um diese umzusetzen, sammelte er zusammen mit der Universitätsklinik Augenscans von Patientinnen und Patienten und wertete diese mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz aus.
Seine App ist in der Lage, den Keratokonus und andere Erkrankungen der Hornhaut zu erkennen. Sie stellt ihre Ergebnisse zudem leicht verständlich dar.
Siemens Excellence Award: Benjamin Fassbind gewinnt Publikumspreis
Fassbinds Betreuer Andreas Streich lobt, dass er sich in kurzer Zeit in das komplexe Thema der Augenheilkunde eingelesen und es mit dem Thema der Bildanalyse mit neuronalen Netzwerken verknüpft hat. «Die Lösung ist innovativ, weil sie mehrere Augenerkrankungen gleichzeitig diagnostizieren kann. Frühere Ansätze konzentrierten sich auf Keratokonus und waren weniger präzise. Sein Ansatz ist definitiv auf einem deutlich höheren Niveau. Die Technologie ist aussagekräftig, genau und benutzerfreundlich.»
Ich freue mich sehr über den Siemens Excellence Award Publikumspreis. Es ist wirklich schön zu wissen, dass so viele Menschen mich unterstützt haben.
Aufgrund dieser Leistung hat Fassbind den regionalen Siemens Excellence Award 2022 gewonnen. Dieser honoriert herausragende Abschlussarbeiten an verschiedenen Schweizer Fachhochschulen.
Auch am nationalen Siemens Excellence Award im April 2023 überzeugte Fassbind und hat dort den Publikumspreis gewonnen. Dieser wurde erstmals in der Geschichte des nationalen Siemens Excellence Awards nebst dem traditionellen Jurypreis aucvergeben: Mehrere tausend Menschen haben für ihr Lieblingsprojekt abgestimmt. Als Sieger ging der Hochschule Luzern-Absolvent Benjamin Fassbind hervor.
Fassbind äusserte sich erfreut über den Gewinn: «Ich freue mich sehr. Es ist wirklich schön zu wissen, dass so viele Menschen mich unterstützt haben und ich habe viele positive Rückmeldungen zu meinem Projekt erhalten.» Mit dem Preisgeld von 5’000 Franken wird wahrscheinlich Hardware für neue Experimente beschaffen. «Auf jeden Fall möchte ich das Geld in das Projekt investieren, wenn dieses weiterentwickelt wird.»
Doch wie lernt ein Computer das Erkennen von Augenkrankheiten?
Zunächst sammelte Benjamin Fassbind während zwei Monaten 2’000 Augenscans der Universitätsklinik des Saarlandes. Diese Scans enthielten Messergebnisse der Hornhaut sowohl gesunder als auch erkrankter Augen. Fassbind betont, dass die Qualität der Lösung stark von der Qualität der Daten abhängt. «Deshalb war es wichtig, dass die Daten von erfahrenen Hornhautexpertinnen und -experten bewertet wurden.»
Mit neuronalen Netzen Hornhaut-Krankheiten diagnostizieren
Nachdem Fassbind die Messresultate als Bilder dargestellt hatte, setzte er künstliche neuronale Netze ein. Er trainierte ein Netz, das auf die Erkennung von 22 Millionen Bildern von verschiedenen Objekten spezialisiert war, mit etwa 2’000 Augenscans der Universitätsklinik des Saarlandes. Dieser Ansatz wird in der Fachwelt als Transfer-Learning bezeichnet.
Um die Qualität der Ergebnisse zu verbessern, passte Fassbind die Architektur des Modells an die Eigenschaften der Scans an. «Es gibt viele Einstellungen und Details, die die Qualität der erreichten Lösung stark beeinflussen», sagt Betreuer Andreas Streich. Das Modell kann nun gut zwischen gesunden und kranken Hornhäuten unterscheiden.
«Wie gut die KI eine bestimmte Krankheit erkennt, hängt stark von den Daten dieser Krankheit im Trainingsset ab. Dies könnte in Zukunft durch mehr Daten sicher noch verbessert werden.»
Eine separate Analyse hat zudem bestätigt, dass bei Fassbinds Lösung die sensiblen Gesundheitsdaten sicher übertragen und gespeichert werden.
Ein Start-up für die präventive Diagnose von Augenerkrankungen
Benjamin Fassbind setzt seine Reise fort: «Ich arbeite gerade an einem wissenschaftlichen Paper und spreche mit Augenärztinnen und -ärzten. Das Ziel ist es, meine App weiterzuentwickeln und sie einst für präventive Untersuchungen einzusetzen.»
Das Ziel ist es, meine App weiterzuentwickeln und sie einst für präventive Untersuchungen einzusetzen.
Gerne würde er zu einem späteren Zeitpunkt ein Start-up gründen, das sich auf die Diagnose von Augenerkrankungen spezialisiert.
Publikation im Wissenschaftsjournal «Nature»
Auch die Hochschule Luzern – Informatik bleibt am Thema dran: Nach der Zusammenarbeit von Fassbind mit der Universitätsklinik des Saarlandes folgen weitere Bachelorarbeiten im Bereich der Augengesundheit. Benjamin Fassbind freut sich neben dem Publikumspreis auch über eine Publikation im renommierten Wissenschaftsjournal «Nature»: «Unsere Arbeit wurde einem Peer-Review unterzogen und ist nun offiziell veröffentlicht worden!»
Aktualisiert: 20. April 2023
Von: Yasmin Billeter und Andreas Streich
Der Siemens Excellence Award ist eine Initiative, die junge Talente zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit praxisrelevanten Fragestellungen motiviert. Seit über 15 Jahren werden herausragende Abschlussarbeiten an verschiedenen Schweizer Fachhochschulen mit diesem Preis ausgezeichnet.
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