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Forschung im Dialog: «IoT ist eine der grössten Computer-Revolutionen»

Forschung im Dialog: «IoT ist eine der grössten Computer-Revolutionen»
«Forschung im Dialog» mit Angela Nicoara: Die Professorin und IoT-Expertin spricht über ihre Passion, Projekte und Herausforderungen im IoT.

Das Internet der Dinge (IoT) verspricht eine vernetzte und komfortablere Zukunft – nicht nur auf der Erde, sondern bis in den Weltraum. Wie verändert diese Technologie unser Leben? Welche Hürden gilt es noch zu meistern? Angela Nicoara, Leiterin des IoT Innovation Lab / IoT Systems and Software Research, im Dialog über die angewandte IoT-Forschung.

Frau Prof. Nicoara, sie brennen förmlich für IoT. Warum sind Sie so enthusiastisch?

Das IoT macht unser Leben besser: Es sorgt für mehr Komfort zu Hause. Es hilft uns, Energie zu sparen. In Smart Cities optimiert es den Verkehr, die Nutzung der Parkplätze, die Beleuchtung und die Wasserversorgung. Auch im Sicherheits- und Gesundheitsbereich bringt das IoT Vorteile. Es kann zum Beispiel den Gesundheitszustand von Patientinnen und Patienten aus der Ferne überwachen.

Die Datenerfassung kommt an Orte, die nie zuvor vernetzt waren.

Ein Pluspunkt: Viele IoT-Geräte ernten jetzt oder in Zukunft ihre eigene Energie aus der lokalen Umgebung in Form von Wärme und Bewegung. Das ermöglicht ihnen, sich selbst zu versorgen. Sie werden somit energieneutral (net-zero). Die Datenerfassung kommt an Orte, die nie zuvor vernetzt waren.

Einstieg ins Thema: Unser neues Video «Internet der Dinge (IoT) einfach erklärt».
Forschung im Dialog: Wissen verständlich auf den Punk gebracht

Warum forschen wir? Welche Rolle spielt dabei das Informatik-Departement der Hochschule Luzern? Im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Forschung im Dialog» beantworten unsere Expertinnen und Experten Fragen aus der anwendungsorientierten Forschung. Sie beleuchten Brennpunktthemen unserer Zeit und gewähren Einblicke in den Forschungsalltag.

Alle Beträge von «Forschung im Dialog»

Kurzvortrag von Eckart Zitzler, Vizedirektor und Leiter Forschung, im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Forschung im Dialog» der Hochschule Luzern – Informatik, März 2023.

Warum hat sich die IoT-Technologie über den Hype hinaus in so vielen Branchen etabliert?

IoT-Technologien bieten enorme Vorteile quer durch alle Branchen: von vernetzten Autos und Smart Cities über die Landwirtschaft bis hin zur Energieversorgung und Fertigungsindustrie. IoT verändert, wie wir Technologie nutzen, und prägt unseren Lebensstil. Ich sehe es als eine der grössten Computer-Revolutionen. Sie erfasst alle Branchen, indem sie Geräte und Infrastrukturen miteinander vernetzt. Dies ermöglicht den einfachen Zugriff auf Daten, verbessert Produkte, optimiert Prozesse und schafft neue Geschäftsmodelle.

Ihre Forschungsgruppe, das IoT Innovation Lab / IoT Systems and Software Research, betreibt angewandte IoT-Forschung. Sie kümmern sich um Themen wie smarte Gebäude, Energieeffizienz oder Fertigung in Kooperation mit Industriepartnern. Nennen Sie bitte ein konkretes Beispiel, wie Sie die Produkte einer Firma verbessern.

Wir arbeiten zum Beispiel mit der Komax AG, der führenden Anbieterin von Kabelbaum-Herstellungs-Produkten zusammen. Von modernen Produktionsmaschinen wird erwartet, dass sie sich stets verbessern und selbstständig anpassen. Um dies zu erreichen, entwickeln wir ein automatisiertes und selbstanpassendes Maschinenkonfigurationssystem für die Kabelbaum-Herstellung. Das von Innosuisse geförderte Forschungsprojekt hat folgende Ziele: Wir wollen die Maschinen überwachen, Probleme früh erkennen, die Produkte qualitativ verbessern, die Produktivität steigern und den Abfall verringern.

An Komax-Maschinen wie diesen, werden die neuartigen Systeme und die erforschten Technologien von Angela Nicoaras Forschungsteam eingesetzt.


Welche weiteren Ziele verfolgen Sie im Bereich Smart Buildings und im Energiebereich?

Wir erforschen und entwickeln zusammen mit der R. Nussbaum AG neuartige Edge-to-Cloud-IoT-Systeme für die intelligente Trinkwasserverteilung in der Gebäudeautomation.
Das von Innosuisse geförderte Forschungsprojekt hat zum Ziel, die Wasserhygiene zu verbessern, Energie zu sparen und die besten datenbasierten Empfehlungen zum Wassersparen geben. Im Energiebereich arbeiten wir mit der Industriepartnerin Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) zusammen. Wir bauen gemeinsam ein System für effiziente, belastbare und nachhaltige Grosswasser-Kraftwerke.

Was ist die grösste Herausforderung bei diesen Forschungsprojekten?

Die grösste Herausforderung ist, dass heutige Industriearchitekturen nicht darauf ausgelegt sind, die speziellen Anforderungen des Internets der Dinge (IoT) zu erfüllen. Das betrifft viele Bereiche wie Fertigung, intelligente Gebäude und Energie. Es fehlen IoT-spezifische Edge-Netzwerke, agile Speicherarchitekturen und sichere Rechenanforderungen. Dadurch können die Gebäude, Fabriken oder Wasserkraftwerke nicht so effizient und produktiv sein, wie sie sein könnten. Das bringt uns zu der Frage: Welches sind die besten Edge-to-Cloud-Systemarchitekturen für zukünftige robuste, umweltfreundliche und effiziente Fabriken, Wasserkraftwerke und intelligente Gebäude?

Welchen Einfluss hat die KI-Entwicklung auf IoT?

KI hilft dabei, die gewaltigen Datenmengen nutzbar zu machen. Das funktioniert so: Vernetzte Geräte und Sensoren senden die Daten zu Edge- und Cloud-Plattformen. Dort werden sie analysiert und durch maschinelles Lernen ausgewertet. So gewinnen wir Erkenntnisse, die zu besseren Produkten, schnelleren Abläufen und neuen Geschäftsideen führen.

IoT verändert, wie wir Technologie nutzen, und prägt unseren Lebensstil. Ich sehe es als eine der grössten Computer-Revolutionen. Sie erfasst alle Branchen, indem sie Geräte und Infrastrukturen miteinander vernetzt.

Ein Schlüsselaspekt ist das Edge Computing: Wenn IoT und KI am Rande des Netzwerks zusammenarbeiten, können Daten schneller vorverarbeitet werden. Das macht alles schneller und sicherer. Das Netzwerk wird weniger belastet.

IoT-Geräte sind noch zu wenig geschützt. Wie gehen Sie mit Sicherheitsbedenken um?

Datenschutz und Sicherheit sind kritische Punkte im IoT. Wir müssen die von den Sensoren gesammelten Daten sicher auf den Geräten speichern und an das Edge- und Cloud-Backend übertragen. Ein Ansatz besteht darin, die Daten dort zu verarbeiten, wo sie anfallen – am Einsatzort (Edge). Zudem müssen wir Sicherheit und Datenschutz von Anfang an einfliessen lassen, anstatt sie später hinzuzufügen. Die EU hat den Cyber Resilience Act für Geräte wie intelligente Kühlschränke eingeführt. Dieses Gesetz soll helfen, Sicherheitslücken zu schliessen, und dafür sorgen, dass IoT-Produkte sicherer werden.

Welche weiteren Hindernisse gibt es bei IoT-Technologien?

Ein grosses Thema ist, dass Geräte verschiedener Hersteller miteinander kommunizieren müssen, das nennt man Interoperabilität. Ausserdem müssen die Technologien energieeffizient und skalierbar sein. Ich bin zuversichtlich, dass wir diese Probleme lösen können. Die riesigen Mengen an IoT-Daten werden die Industrie dazu veranlassen, bessere Systeme und Netzwerke zu entwickeln, die speziell für IoT gemacht sind.

Was hält die Zukunft des IoT bereit?

Die Zukunft der IoT-Industrie ist gewaltig. So schätzt etwa  IDC, dass bis 2025 weltweit über 55,7 Milliarden vernetzte Geräte im Einsatz stehen werden. IDC prognostiziert, dass sich die weltweiten Ausgaben für das IoT im Jahr 2026 auf über 1 Trillion Dollar belaufen werden. Damit steigt auch Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften. Es entstehen neue Berufsfelder in den Bereichen IoT-Edge- und Cloud-Computing, Cybersicherheit, Datenanalyse und Softwareentwicklung.

Die Zukunft der IoT-Industrie ist gewaltig. […] Da es immer mehr IoT-Geräte geben wird, könnten Unternehmen zunehmend in die Telekommunikation im Weltraum investieren.

In der weiteren Zukunft werden wir vollständig vernetzte Städte sehen: Dort kommen IoT-Geräte und -Sensoren flächendeckend zum Einsatz. Auf den Strassen fahren vernetzte Autos und autonome Drohnen. Diese passen sich den Bedürfnissen der Nutzenden an. KI sowie 5G- und 6G-Netzwerke werden unsere Welt nachhaltig verändern. Da es immer mehr IoT-Geräte geben wird, könnten Unternehmen zunehmend in die Telekommunikation im Weltraum investieren. In der Zukunft könnten Satellitenkonstellationen für das sogenannte Orbital Edge Computing genutzt werden, um Daten nahezu überall auf der Erde zu übertragen.

Viele Menschen fürchten, dass mehr IoT zu mehr Überwachung und mangelndem Datenschutz führt. Wie stehen Sie dazu?

Es ist absolut verständlich, dass die Menschen Bedenken haben. Eine ethische Nutzung von IoT-Technologien ist daher sehr wichtig. Nutzende müssen die Kontrolle über ihre Daten haben. Sie müssen transparent darüber informiert werden, wie ihre Daten gesammelt, gespeichert und genutzt werden. Starke Verschlüsselungs-, Anonymisierungs- und Zugriffskontrollmassnahmen sind unerlässlich.


Wer sorgt dafür?

Es ist wichtig, dass die politischen Entscheidungstragenden, die Industrie- und Branchenvertretenden, Lieferanten, Architektinnen, Betreibenden und Datenschutzexpertinnen eng zusammenarbeiten. Mit dem Ziel, die Datenschutz-Herausforderungen des IoT zu bewältigen. Sie müssen sicherstellen, dass die Nutzung von IoT-Technologien ethischen Grundsätzen folgt, um eine übermässige Überwachung zu verhindern, persönliche Daten zu schützen und Vertrauen in unsere vernetzte Welt aufzubauen.

Angela Niccoara
Angela Nicoara

Innovative Macherin: Angela Nicoara ist Head des IoT Innovation Lab / IoT Systems and Software Research, der Hochschule Luzern (HSLU). Die Informatik-Professorin arbeitet seit 2018 an der HSLU. Sie ist eine technische Führungspersönlichkeit, Systemforscherin und Innovatorin mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in Industrie und Forschung. Sie hat Technologien, Systeme und Software-Architekturen in den Bereichen IoT, Mobile und verteilte Systeme von der Entwicklung bis zur breiten Einführung entwickelt (bei Intel USA, Deutsche Telekom USA, Google USA, ETH Zürich, Caatoosee Ltd, WebQuote USA, HSLU Schweiz). Sie verfügt über fundierte Kenntnisse in den Bereichen Technologie, Software und Wirtschaft, die sie an der ETH Zürich (PhD in Informatik) erworben hat. Sie hat sich intensiv mit dem Stand der Technik in diesen Bereichen befasst und veröffentlichte begutachtete Artikel, die in zahlreichen technischen Konferenzen, Workshops und Symposien erschienen sind.

Das IoT Innovation Lab / IoT Systems and Software Research entwickelt und berät:

Die Forschungsgruppe betreibt Forschung und Entwicklung von neuartigen IoT-Systemen und -Software, IoT-Systemarchitekturen der nächsten Generation, Edge-to-Cloud-Computing-Systemen und Informationstechnologiediensten. Damit gestaltet sie aufkommende Trends in den Bereichen Systeme, Infrastruktur und Dienstleistungen.

Sie kümmert sich um Forschungsprojekte zu Themen wie smarte Gebäude, Energieeffizienz oder Fertigung in Kooperation mit Industriepartnern. Für diese entwickeln sie neuartige IoT-Systeme und -Softwaretechnologien. Dabei setzen sie Trends, verbessern die Produkte und Dienstleistungen der Firmen und nehmen Einfluss auf den Fahrplan und die Geschäftsstrategien der Unternehmen.

CAS IoT & Digital Ecoystem – fundierter Einstieg: Das CAS Internet of Things & Digital Ecosystem setzt sich vertieft mit IoT auseinander. Anhand von praktischen Anwendungsfällen lernen die Teilnehmenden, wie IoT in der realen Welt funktioniert und wie Sie eine digitale Strategie für einen Business-Case entwickeln. Zusätzlich beleuchten die Weiterbildung die Themen Datenmanagement, Daten-Ethik, Cyber Security, Plattform-Business und mehr. Ohne IT-Kenntnisse – jetzt starten!

IoT Konferenz 2024: Unter dem Titel «Exploring the Future of IoT – Trends and Opportunities» findet dieses Jahr die IoT Konferenz im Kursaal Bern statt. Die Hochschule Luzern ist am 11. April mit einigen spannenden Exponaten der Departemente Informatik und Technik & Architektur sowie einem Vortrag vor Ort.

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Veröffentlicht: 3. April 2023
Von: Yasmin Billeter

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