Software Engineering

Ein Weg vom VC20 zum Business Enabler

 Dr. Tim Weingärtner ist diplomierter Informatiker und promovierter Ingenieur. Heute arbeitet er als Vize-Direktor und Leiter für Forschung an der Hochschule Luzern – Informatik statt mit Variablen und Funktionen vor allem mit Menschen. Im Gespräch erklärt er, wie es dazu kam.

Wie kamst du zur Informatik?

Es war in der Weihnachtszeit im Jahr 1982. Eigentlich sollte ich einen Elektrobaukasten bekommen. Im Kaufhaus stand da aber neben den Elektrosachen auch einer der ersten Computer für zuhause.

«Willst du nicht so was haben?», fragte mich mein Vater.

Der VIC20, oder VC20 wie er in Deutschland hiess, war einer der ersten erschwinglichen Computer für zuhause.
Der VIC20, oder VC20 wie er in Deutschland hiess, war einer der ersten erschwinglichen Computer für zuhause.

Wie mein Vater konnte ich der Neugier nicht widerstehen. Und so kam ein Commodore VC20 (Volkscomputer 20) (umgangssprachlich auch Volkscomputer 20 genannt) in unser Wohnzimmer. Ich habe ihn noch am Weihnachtsabend ausgepackt und an den Fernseher angeschlossen.

Wie lernte man Programmieren im Jahr 1982?

Zuerst tippte ich Basic-Programme aus der Anleitung ab. Eines der ersten Programme war Rocket Command (siehe Wiki zum VC20 VolksComputer-Handbuch), eine Version des Games Space Invadors mit Buchstaben als Aliens. Das war toll.

Der Screenshot von der Retro-Game-Seite pacxon4u.com/space-invaders zeigt das Kult-Spiel Space Invaders.

Als das Programm lief, habe ich Details abgewandelt und experimentiert. So lernte ich die Funktionsweise des Codes spielerisch kennen.

In einem zweiten Schritt habe ich mit einem Schulfreund versucht per Programm auf Hardware zuzugreifen. Zum Beispiel über die Ein/Ausgabe-Schnittstelle auf elektrische Schaltungen zuzugreifen.

Gegen Ende des Abiturs sass ich im ersten offiziellen Programmierkurs meiner Schule. Unterrichtet wurde Pascal. Nur: Die Lehrer wussten ungefähr genau soviel wie wir.

Deshalb hast du halt viel ausprobiert. Man bekam nicht beigebracht, was gutes und was schlechtes Programmieren ist. Vieles war damals Trial and Error.

Welches waren die Probleme im Jahr 1982?

Der Umgang mit Computern im Jahr 1982 barg ganz andere Tücken als dies heute der Fall ist.

Weil alles nur auf einer für heutige Verhältnisse winzigen Hauptspeicher lief, verschwanden Programme mit jedem Neustart.

Und weil man als Schüler lediglich das Einfingersuchsystem beherrschten, war das Wiedereintippen besonders mühsam.

Wie funktioniert ein Informatikstudium heute, wo fängts an?

Die Grundvoraussetzungen haben sich stark gewandelt:

  • In der Schule brauchst du heute einen Computer. Die Hardware-Anforderungen werden auch klar vorgegeben.
  • Und der ganze Mobile-Bereich. Heute besitzen die meisten Kids zwei oder mehr „Computer“ (Handy, Gameboy, Laptop, …).
  • Der Lehrplan 21 bringt Informatik in den Schulalltag. Erstmalig geht Informatik an der Schule über Informatik-Anwendung hinaus.
  • Schreibmaschinenschreiben gehört heute schon fast zum Standard. Viele lernen es in der Schule.

Was sich nicht geändert hat, ist die eigentliche Informatik. Um zu lernen, wie man ein Programm strukturiert und aufbaut, braucht es immer noch sehr viel Eigeninteresse.

Auch der spielerische Zugang ist weiterhin wichtig. Meine Tochter und ich haben zum Beispiel mit LEGO-Robotics autonome Roboter entwickelt.

Die Roboter-Linie von LEGO erlaubt einen spielerischen Zugang zur Informatik. Bildquelle: Wikimedia.

Weiterhin brauchen angehende Informatikerinnen und Informatiker eine gewisse Frust-Toleranz. Du musst wollen. Ein Ziel vor Augen haben. Bereit sein, vielleicht nicht auf dem geraden Weg zum Ziel zu kommen. Umso schöner ist es, wenn’s am Schluss funktioniert.

Wie sieht Informatik-Studium idealerweise aus?

  • Das ideale Informatik-Studium muss die grossen Unterschiede bei der Eingangskompetenz ausgleichen können. Oft sitzen Leute, die von klein auf programmiert haben, mit anderen in der Klasse, die einfach Anwender sind. Die Schwierigkeit ist es, alle auf eine ähnliche Stufe zu bringen. Eine besondere didaktische Herausforderung besteht darin, auch die Leute zu unterrichten, die meinen sie können schon sehr vieles.
  • Vielfalt der Informatik: Informatik zum Selbstzweck gibt es nur in der Grundlagenforschung. Informatik funktioniert eigentlich immer zusammen mit einem zweiten Themenfeld. Ein Studium muss diese Offenheit für andere – nicht informatische – Umfelder vermitteln. In der Industrie sind heute Informatiker gefragt, die übersetzen können. Gefragt sind Menschen, die Kundenbedürfnisse in Programm-Form bringen. Oft ist es wichtiger ein guter Team-Player zu sein als ein exzellenter Hacker.
  • Ein gutes Informatik-Studium führt sehr schnell zu anwendbaren Resultaten. Eine Fachhochschule hat hier durch besondere Praxisnähe und Projektarbeit die Nase vorne. An der Uni hingegen wird stärker wissenschaftlich gearbeitet.
  • Wie anderswo auch, ist Erfahrung Gold wert. Wenn Studierende während der Ausbildung viel in Projekten arbeiten, bringen sie schon sehr viel Erfahrung in den Berufsalltag mit. Dies ist ganz klar ein Plus.

Gibt es neben einem Studiengang andere Zugangsformen zur Informatik?

Diese Angebote gibt es in der Tat. Und: Es wird immer wichtiger, dass Quereinsteigende Zugang erhalten zum Informatikberuf. Schliesslich hält der Computer in fast alle Arbeitsgebiete Einzug und die Nachfrage nach Arbeitskräften, die damit umgehen können, steigt.

Das Klischee des pizza-verschlingenden, in Kellern hausenden Geeks trifft nur noch auf die wenigsten Informatiker(innen) zu. Bildquelle: blog.djangogirls.org

Informatikerin oder Informatiker werden kann man auch spät. Allerdings fehlt bei zu grossen Sprüngen oft die Basis. Quereinsteigende müssen bereit sein sich in die Arbeit zu investieren. Es ist wichtig, sich dem Thema allmählich anzunähern. So kann man sicher lernen ohne gleich den Boden unter den Füssen zu verlieren.

Wenn man den Quereinstieg aber schafft ist das ein enormer Vorteil auf dem Arbeitsmarkt. Man beherrscht zwei Disziplinen und kann als „Dolmetscher“ arbeiten.

Bei mir war es umgekehrt. Ich habe mir ein zweites Standbein im Banking erarbeitet. Später kam Produktmanagement als neuer Bereich hinzu.

Wie fängt Tim Weingärtner im Jahr 2020 mit Programmieren an?

Informatik im täglichen Leben wird noch prominenter präsent sein. Es wird einfach normal sein, dass Informatik mit dem täglichen Leben verschmilzt. Allgemeines Wissen zur Informatik wird steigen. Gewisse Teile der Ausbildung werden bereits in der Schule vorweggenommen.

Das Programmieren wird intelligenter werden. Dank grösserem Abstraktionslevel und der Unterstützung durch künstliche Intelligenz wird es für viele einfacher werden mit Programmen umzugehen. Gleichzeitig werden sich wohl immer weniger Leute mit Low-Level Hardcore-Informatik beschäftigen.

Alle oder sehr viele werden mehr Ahnung haben müssen von Informatik: Bereits heute macht ja schon jeder seine eigene Webseite.

Umso wichtiger werden Informatiker, die das Gesamt-System verstehen. Weiterhin werden Übersetzerinnen und Übersetzer gefragt sein.

Welche Rolle spielt die Informatik heute in deinem Leben?

Heute ist das Programmieren ein Hobby. Aber nicht nur. Als Mann auf der Powerpoint-Ebene hilft es mir im Alltag enorm, wenn ich weiss mit welchen Problemen die Leute täglich konfrontiert sind, die ich führe.

Und: Es macht einfach Spass an einer App zu tüfteln, die am Schluss funktioniert. Programmieren bringt schnell viele Erfolgserlebnisse, da man (zumindest am Anfang) alles selbst in der Hand hat.

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