Neues Applied AI Center der HSLU: KI für die Praxis

Mit dem Applied AI Center bündelt die Hochschule Luzern ihre Forschung, Lehre und Weiterbildung im Bereich Künstliche Intelligenz (KI). Der Fokus liegt auf Lösungen für Schweizer KMU. Donnacha Daly, einer der Gründer des Zentrums, spricht über die Idee dahinter, aktuelle Projekte und die Bedeutung für die Zentralschweiz.

Donnacha Daly, das Applied AI Center an der HSLU ist eine spannende neue Initiative. Was hat euch dazu inspiriert, es ins Leben zu rufen?

Die HSLU – Informatik arbeitet seit vielen Jahren mit Künstlicher Intelligenz (KI) – sowohl in der Forschung als auch in der Ausbildung und Weiterbildung. Es macht Sinn, diese beiden Bereiche unter einer gemeinsamen Marke zu vereinen. Jetzt ist der perfekte Moment dafür, denn KI entwickelt sich gerade rasant weiter.

Die Website nennt das Applied AI Center einzigartig in der Schweiz. Was macht es anders als andere universitäre KI-Initiativen?

Der Unterschied zu den KI-Zentren der ETH Zürich und der EPFL ist klar: Wir konzentrieren uns ausschliesslich auf angewandte KI und unterstützen gezielt Schweizer KMU. Anders als andere Fachhochschulen verbinden wir unsere Studiengänge (Bachelor und Master), Weiterbildungen (CAS/MAS) und Forschungslabore unter einer gemeinsamen Initiative. Dabei teilen wir Ressourcen und Dozierende, was uns besonders macht.

Das Applied AI Center konzentriert sich auf praktische Forschung. Können Sie ein Beispiel für ein aktuelles oder geplantes Projekt nennen, das Unternehmen oder der Gesellschaft direkt hilft?

Wir haben bereits Hunderte von Projekten in angewandter KI abgeschlossen, deshalb ist es schwer, nur eines auszuwählen. Ein besonders spannendes Beispiel ist unsere Zusammenarbeit mit dem Hörgerätehersteller Sonova. Wir entwickeln KI, die den Geräten hilft, zu erkennen, welche Audiosignale für den Tragenden wichtig sind. Diese Innovation wurde erst durch die neuesten KI-Fortschritte möglich und ist ein grosser Fortschritt für die Hörgerätetechnologie.

Neben der Gesundheitsbranche arbeiten wir auch an KI-Projekten in den Bereichen Energie, Finanzen, Produktion, Sport, Tourismus und so weiter. KI verändert nahezu jede Branche.

Das Risiko für viele Unternehmen durch KI ist existenziell – wenn sie nicht die nötige Unterstützung erhalten, um mit diesen bahnbrechenden Technologien Schritt zu halten.

Wie verbindet das Center Ausbildung, Weiterbildung und Forschung?

Unsere Dozierenden und Forschenden sind in allen Bereichen aktiv – sei es zum Beispiel im Bachelor-Studiengang AI & Machine Learning, im CAS Machine Learning oder in unseren Applied AI Research Labs. Durch den Einsatz gemeinsamer Dozierender und Ressourcen entsteht ein enger Austausch zwischen Industrie, Hochschule und Studierenden. Wir fördern es bewusst, dass unser Team zwischen den verschiedenen Bereichen wechselt, anstatt in einzelnen Bereichen isoliert zu arbeiten.

Gibt es bereits erste Projekte oder Initiativen aus dieser Zusammenarbeit?

Ja, wir profitieren bereits stark von den Synergien. Ein gutes Beispiel ist die Zusammenarbeit unserer Forschungsteams mit der Industrie, bei der Bachelor-Studierende in Unternehmen eingebunden werden. Ausserdem unterrichten dieselben Dozierenden sowohl Fachkräfte in der Weiterbildung als auch Studierende in regulären Studiengängen. Zusätzlich schaffen wir einen gemeinsamen Raum für den spontanen Austausch zwischen KI-Expert:innen und Gastwissenschaftler:innen. Gerade in der heutigen Homeoffice-Kultur wird der Wert persönlicher Interaktion oft unterschätzt.

Welche Rolle soll das Applied AI Center speziell in der Zentralschweiz spielen?

Die Industrie in der Zentralschweiz unterscheidet sich stark von der in Zürich oder Basel. Hier gibt es beispielsweise viele, kleine, familiengeführte Produktionsunternehmen, die in globalen Nischenmärkten führend sind. Diese Unternehmen sind wertvolle Schweizer Schätze mit einer langen Tradition. Doch KI stellt für sie auch ein Risiko dar, wenn sie nicht die notwendige Unterstützung erhalten, um mit neuen Technologien mitzuhalten.

Das Applied AI Center übernimmt hier eine wichtige Rolle:

• Wir bilden die nächste Generation von KI-Fachkräften aus.
• Wir bieten Weiterbildungen und Upskilling für Unternehmen.
• Wir unterstützen regionale Unternehmen mit erstklassiger Forschung und Entwicklung in angewandter KI.

Ist das Applied AI Center ein regionales Innovationszentrum oder hat es eine nationale Ausrichtung?

Wir arbeiten mit Unternehmen in der ganzen Schweiz zusammen – von der Uhrenindustrie in Neuenburg über den Gesundheitssektor in Basel bis hin zu Banken in Zürich und der Luftfahrtlogistik in Genf. Dennoch haben wir die Mehrheit unseren Industriepartner:innen in der Zentralschweiz.

Wie können Unternehmen von einer Zusammenarbeit mit dem Center profitieren?

Viele KMU haben weder Budgets, noch interne KI-Fachpersonen für die Umsetzung neuer KI-Projekte bereitgestellt. Hier kommt das Applied AI Center ins Spiel: Wir helfen Unternehmen dabei, KI-Ideen zu testen und zur Marktreife zu bringen. Unsere Projekte sind praxisnah und integrieren sich direkt ins Tagesgeschäft. Zudem binden wir Bachelor- und Masterstudierende in unsere Projekte ein – ein hervorragendes Rekrutierungsinstrument für Unternehmen, die aufkommende KI-Talente sichern möchten.

Wir sind besonders stolz darauf, dass viele unserer Projekte als Ideen beginnen, aber am Ende marktreif sind und direkt in den Betrieb unserer Industriepartner integriert werden.

Wie macht das Applied AI Center KI-Themen für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich?

Die Aufklärung über KI ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Deshalb organisieren wir verschiedene Events und Aktivitäten:

• AI Industry Days – zweimal im Jahr für die breite Öffentlichkeit
• World Robot Olympiad – ein Wettbewerb für Jugendliche von 9 bis 19 Jahren
• Veranstaltungen wie der Engineers Day in Luzern oder das Digital Festival in Zürich
• Blog-Artikel und Publikationen, um das Wissen über KI zu verbreiten

Was sind die langfristigen Pläne für das Applied AI Center?

Es ist völlig klar, dass wir in eine neue Ära der Künstlichen Intelligenz eingetreten sind, die Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend verändern wird. Unser Hauptziel ist es, unsere Industriepartner:innen und die lokale Gemeinschaft bestmöglich bei dieser Transformation zu unterstützen.

Langfristig möchten wir unser Netzwerk weiter ausbauen und ein dynamisches, wachsendes Ökosystem von Partner:innen schaffen. Gleichzeitig planen wir, unser Team mit Expert:innen in neuen, relevanten Bereichen wie kognitiver Robotik und agentenbasierter KI zu erweitern.

Im Einklang mit der kürzlich aktualisierten HSLU-Strategie unter der Leitung unserer Rektorin Barbara Bader legen wir besonderen Fokus auf die Unterstützung der sechs Kantone der Zentralschweiz im Bereich angewandte KI und auf den Ausbau unserer Kompetenzen in der KI für das Gesundheitswesen.

Wie bereitet das Studienprogramm Studierende und Fachkräfte auf die Praxis vor?

Unser Bachelor-Studiengang AI & Machine Learning wurde 2020 als erster seiner Art in der Schweiz eingeführt – noch vor ChatGPT. Unser Curriculum deckt sechs verschiedene Bereiche ab: Mathematik, Informatik, Data Science, KI/ML-Projekte, interdisziplinäre KI und Wahlfächer. Neben den technischen Grundlagen in Computer Vision, Natural Language Processing und Robotik setzen wir auf eine interdisziplinäre Ausbildung, die auch Wirtschaft, Ethik, Philosophie und Kunst einbindet.

Wie stellt das Applied AI Center sicher, dass KI verantwortungsvoll eingesetzt wird?

Ethik ist ein Pflichtmodul in unseren Studiengängen. Die HSLU-Ethikkommission unter Prof. Orlando Budelacci stellt sicher, dass unsere Forschung ethischen Standards entspricht. Wir nehmen diese Verantwortung ernst – gerade in Zeiten disruptiver KI-Entwicklungen.

Ich bin überzeugt, dass die kognitive Robotik in den nächsten drei bis sieben Jahren ihren «iPhone-Moment» erleben wird.

Wird es in Zukunft eine AGI oder Superintelligenz geben?

In bestimmten spezialisierten Bereichen übertrifft KI bereits heute die besten menschlichen Fähigkeiten. Die Entwicklungen der letzten zehn Jahre sind beeindruckend, und die Innovationsgeschwindigkeit nimmt weiter zu. Meiner Meinung nach, wird der nächste grosse Schritt, der Übergang von KI in die physische Welt sein.

oder Superintelligenz betrifft, gibt es keine einheitliche Einschätzung darüber, wann das eintreten könnte. Allerdings glauben mehr Expert:innen als je zuvor, dass es passieren wird – möglicherweise schon innerhalb der nächsten zehn Jahre.

Mehr Expert:innen als je zuvor glauben, dass eine Superintelligenz kommen wird – möglicherweise schon in den nächsten zehn Jahren.

Ich bin überzeugt, dass die kognitive Robotik in den nächsten drei bis sieben Jahren ihren «iPhone-Moment» erleben wird. 2007 hatte kaum jemand ein Smartphone – heute sind sie aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Eine ähnliche Entwicklung könnte auch mit Robotern geschehen. Mit unserem AI Robotics Research Lab am Center sind wir bestens darauf vorbereitet, diesen Wandel aktiv mitzugestalten.

Was die Entwicklung einer Künstlichen Allgemeinen Intelligenz (AGI) oder Superintelligenz betrifft, gibt es keine einheitliche Einschätzung darüber, wann das eintreten könnte. Allerdings glauben mehr Expert:innen als je zuvor, dass es passieren wird – möglicherweise schon innerhalb der nächsten zehn Jahre. Eines ist sicher: Es gibt zur Zeit kaum ein spannenderes Feld als die KI!

Veröffentlicht: 28. Februar 2025
Von: Yasmin Billeter