Artificial Intelligence

KI konkret: So unterstützt das Applied AI Center den Wandel

KI konkret: So unterstützt das Applied AI Center den Wandel
KI bewegt – und fordert uns alle heraus: Forschende, Organisationen und Gesellschaft. Die erste KI-Konferenz des Applied AI Center zeigt, wie dieser Brückenschlag gelingt. (Bild: Christian Fergo)

Die Schweiz vertieft und beschleunigt den Einsatz von künstlicher Intelligenz. An der ersten KI-Konferenz der Hochschule Luzern (HSLU) zeigten Unternehmen, Forschende und Studierende, wie Applied AI heute genutzt wird – und welche Aufgaben Führung, Bildung und Politik jetzt angehen müssen.

«Egal ob jung oder erfahren – KI betrifft uns alle», eröffnete KI-Expertin Sita Mazumder das Panel. Entsprechend breit war das Publikum an der ersten KI-Konferenz der Hochschule Luzern – Informatik (HSLU) auf dem Campus Zug-Rotkreuz: Unternehmerinnen und Unternehmer, Politik-Vertretende, Studierende, Forschende und Fachpersonen diskutierten am 19. November gemeinsam, wie Applied AI heute konkret eingesetzt wird.

KI ist ein Transformational-Leadership-Thema.
Christophe Makni, Head AI & Data der Migros Bank

Es ging um das grosse Potenzial von KI, um Effizienzgewinne, Visionen und das neuste KI-Modell von Google – einige Redner verströmten Silicon-Valley-Spirit. Zur Sprache kamen aber auch nüchterne Fakten und die Herausforderungen, die die Technologie mit sich bringt: So etwa der steigende Druck auf bestimmte Berufsgruppen, Ängste vor dieser disruptiven Technologie oder die Bedeutung von Datenqualität. Ebenso wurden  aktuelle Entwicklungen für Studienabgehende thematisiert, etwa die Beobachtung, dass klassische Junior-Rollen durch KI zunehmend wegfallen.


KI nutzenbringend einsetzen: Use Cases zeigen, was möglich ist

Vor allem aber ging es um konkrete Anwendungen. «Alle Welt ruft nach Use Cases – wir haben sie hier», sagte Sita Mazumder, Head Digital Business Lab im Applied AI Center der HSLU. Es gehe darum, damit echten Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen. Von der Poster-Session der HSLU-Studierenden bis zum C-Level-Exchange wurde sichtbar, wie vielfältig KI in der Zentralschweiz bereits genutzt wird.

Erleichtert den Zugang zu KI: Das Applied AI Center der HSLU 

Das Applied AI Center in Rotkreuz ist ein schweizweit einzigartiges Kompetenzzentrum für künstliche Intelligenz. Es bündelt die Forschung, Lehre und Weiterbildung der Hochschule Luzern – Informatik im Bereich Artificial Intelligence.

Am 19. November 2025 organisierte das Center seine erste grosse Konferenz. Unter dem Titel «Die Zukunft der Applied AI in der Zentralschweiz» standen praktische Innovationen, Zusammenarbeit und Wirkung im Mittelpunkt. Expertinnen und Experten, Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Partner aus Wirtschaft, Politik, Forschung und Bildung teilten ihre Erfahrungen. Damit verstärkt es den Brückenschlag von Theorie zu Praxis, von Forschung zu realer Wertschöpfung.

In seiner Forschung konzentriert sich das Applied AI Center auf die praktische Anwendung von KI. Gemeinsam mit Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und Forschungspartnern prüft und entwickelt es Modelle weiter, die KI sinnvoll und verlässlich nutzbar machen.

Durch sein Engagement in verschiedenen Vereinen und Institutionen unterstützt das Applied AI Center die Öffentlichkeit und interessierte Unternehmen dabei, den Zugang zur künstlichen Intelligenz zu erleichtern.


Applied AI: Mehr als Sprachmodelle und Hype

Mitorganisator Donnacha Daly erinnerte daran, dass KI weit über grosse Sprachmodelle hinausgeht. Daly verantwortet an der HSLU den Bachelorstudiengang  in Artificial Intelligence & Machine Learning. Laut Daly bedeute KI heute, Arbeit  «better, faster, cheaper» zu machen – und zugleich verantwortungsvoll damit umzugehen. Ethische und kritische Fragen würden daher bewusst im Studiengang  vertieft.

Nicht die Technologie funktioniert nicht, sondern die Daten.
Thomas Bergen, CEO von getAbstract

Daly sieht die Zukunft in Small Language Models: lokal, offen, datensouverän. Ein Feld, in dem Europa und die Schweiz echte Chancen haben. Open-Weight-Modelle liegen heute nur noch rund drei Monate hinter den grossen US-Systemen – ein historisch kleiner Abstand.

Ein teilnehmender Unternehmer bezeichnete die Konferenz beim anschliessenden Apéro als Gradmesser dafür, wie weit Schweizer Unternehmen tatsächlich sind.


Was der offene Austausch über KI sichtbar macht

Interessierte konnten sich direkt mit jenen Schweizer Führungskräften austauschen, die zuvor im C-Level-Exchange über ihre KI-Strategien gesprochen hatten. Zur Sprache kam auch das US-amerikanische Szenario-Papier «AI 2027», das mögliche Entwicklungen der kommenden Jahre beschreibt. Auf die kritische Frage eines Konferenz-Teilnehmers dazu antwortete René Raeber von Microsoft Schweiz, neue Technologien würden automatisch genutzt, sobald sie verfügbar seien. Aus seiner Sicht brauche es deshalb mehr Aufmerksamkeit für ethische Fragen.

When you are finished changing, you are finished.
Kilian Eyholzer, CTO von Victorinox

Auf der Konferenz wurde zudem deutlich, dass sich Nutzung oft schneller entwickelt als Regulierung und Kontrolle. Daraus folgt: Ethik und Governance sind entscheidend für eine verantwortungsvolle KI-Einführung.

Die Kraft der Veränderung mutig nutzen

Zum Schluss sprach Sarah Hauser, Direktorin der Hochschule Luzern – Informatik, über den Umgang mit der neuen KI-Dynamik. Sie griff eine Aussage aus dem Plenum auf: Es gehe nicht darum, die Entwicklung zu «überleben». Für sie ist KI eine Einladung, aktiv zu gestalten – wie eine Welle, die man reitet statt fürchtet. Als begeisterte Surferin verbindet sie dieses Bild mit einer Haltung: nicht zaudern, sondern die Kraft der Bewegung nutzen.

Die Learnings des Abends ⬇️

1. KI ist mehr als Technologie. KI verlangt Leadership

Christophe Makni, Head AI & Data der Migros Bank, formulierte es klar: «KI ist ein Transformational-Leadership-Thema.» Automatisierung, Human-in-the-Loop und gutes Prozessdesign betreffen die gesamte Organisation, nicht nur die IT. Sein Appell: Mut zeigen, strategisch denken und die Entwicklung nicht reaktiv begleiten. Und zur Geschwindigkeit: Wer verstehen will, wie schnell sich KI-Ökosysteme bewegen, sollte nach China reisen. «Jede Reise dorthin ist ein Schock im besten Sinne.»

2. Daten: die nüchterne Basis unter der KI-Aufregung

Ein Punkt zog sich durch den Abend: KI funktioniert nur mit sauberen, strukturierten und verlässlichen Daten. Genau diese fehlen in vielen Unternehmen. Datenkompetenz und Datenqualität gewinnen an Gewicht. Thomas Bergen, CEO von getAbstract, formulierte es klar: «Nicht die Technologie funktioniert nicht, sondern die Daten.»

Auch Kilian Eyholzer, CTO von Victorinox, betonte die Herausforderung. 2026 steht bei Victorinox im Zeichen der Daten. Unvollständige oder widersprüchliche Daten bremsen jedes KI-Training. Sein Fazit: «Am Ende sind es Menschen, die Daten pflegen und damit die Grundlage jeder KI schaffen.»

Am Ende sind es Menschen, die Daten pflegen und damit die Grundlage jeder KI schaffen.
Kilian Eyholzer, CTO von Victorinox

3. Die KI-Transformation beginnt mit Bildung

Die wichtigste Ressource der KI-Transformation ist Bildung: breit, kritisch und mutig. Es braucht Menschen, die KI verstehen, einordnen und verantwortungsvoll nutzen. Christophe Makni warnte zugleich vor einem Mangel an Weltwissen und Softskills bei jungen Menschen. Lesen, Reisen, Sprachen und vielfältige Erfahrungen würden heute noch stärker zählen.

HSLU-Rektorin Barbara Bader richtete den Blick auf die Bildungslogik selbst. KI kann Lernprozesse nachahmen, ersetzt aber kein menschliches Lernen. Lernen entsteht seit Jahrhunderten im Dialog zwischen Menschen – oft sogar ohne schriftliche Prüfungen oder Abgaben. Diese dialogische Stärke braucht heute neue Aufmerksamkeit. Sie gilt im Gespräch mit einem Menschen ebenso wie im Austausch mit einem Bot.

4. KI braucht Kulturwandel und Kommunikation

Andreas Klopp von Roche Diagnostics zeigte, wie anspruchsvoll es ist, KI in die Kultur eines Unternehmens zu integrieren. Es braucht dafür klare Strategien und eine persönliche, verständliche Kommunikation. Viele Mitarbeitende nutzen KI aus Unsicherheit kaum. Roche reagierte mit einem verpflichtenden 6-Wochen-Programm, das Grundlagen, Praxisbeispiele und konkrete Anwendungsfälle vermittelte. Das Resultat: bessere Gespräche über KI, mehr Vertrauen und ein messbarer Zeitgewinn.

Auch schwierige Themen kamen offen auf den Tisch. Ja, Aufgabenprofile verändern sich. Manche Tätigkeiten fallen weg, andere entstehen neu. Gleichzeitig herrscht ein deutlicher Fachkräftemangel. Datenkompetenz, Datenqualität und gute Kommunikation rücken damit noch stärker ins Zentrum.

Kilian Eyholzer brachte es auf den Punkt: «When you are finished changing, you are finished.»

5. Automatisieren, wo sinnvoll – der Mensch bleibt im Zentrum

Ein Praxisbeispiel kam von der Suva. CIO Stephan Scherrer schilderte, wie die Suva KI im Schadenmanagement einsetzt: Positive, eindeutige Fälle werden automatisch verarbeitet. Sobald ein negativer Entscheid im Raum steht und ein menschliches Schicksal betroffen ist, entscheidet immer ein Mensch. KI hilft zudem, Auffälligkeiten schneller zu erkennen und mögliche Betrugsfälle zu identifizieren.

Christophe Makni von der Migros Bank ergänzte: Auch im Banking wird vieles automatisiert. Doch gerade dort, wo Kontext, Verantwortung und Beziehung zählen, bleibt der Mensch zentral.

6. Der KI-Wandel braucht politische Orientierung

Silvia Thalmann-Gut, Volkswirtschaftsdirektorin des Kantons Zug, brachte es mit einem starken Bild auf den Punkt: «Die KI-Eisenbahn fährt in hohem Tempo. Das verändert Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.» Fehler gehören zu dieser Entwicklung. Die Politik müsse jetzt Rollen klären, Risiken ansprechen, Weiterbildung fördern und Umschulungen vorbereiten. Die Wirtschaft brauche Beweglichkeit, während die Politik den Rahmen und die Stabilität dafür schaffen müsse.

7. Diversität ist ein Qualitätsfaktor

Priska Burkard von Techface verwies auf LinkedIn-Daten, die zeigen, wie ungleich Sichtbarkeit verteilt ist – Frauen erscheinen dort deutlich seltener und werden auch algorithmisch weniger verstärkt. Solche Verzerrungen sind systemisch. Wenn sie in Trainingsdaten unbemerkt bleiben, entstehen Modelle, die bestehende Ungleichheiten verstärken statt abbauen.

Bias hat viele Formen: Geschlecht, Alter, Herkunft, Sprache oder sozioökonomischer Hintergrund. Je einseitiger die Daten, desto unzuverlässiger die Systeme. Burkards Appell war klar: Bias ernst nehmen und Diversität als zentrales Qualitätsmerkmal verstehen.

Von: Yasmin Billeter und Gabriela Bonin
Veröffentlicht am: 21. November 2025

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