Weiterbildung

Wie ein KI-Bot Mitarbeitende im Gesundheitswesen unterstützt

Wie ein KI-Bot Mitarbeitende im Gesundheitswesen unterstützt
Wissensquelle für Mitarbeitende im klinischen und administrativen Alltag: Ein interner KI-Bot in der Schweizer Paraplegiker-Gruppe bündelt internes Wissen aus Tausenden von Dokumenten (Bildquelle: KI-generiert von Brand/Rüegg mit DALL·E von OpenAI) erstellt)

Konkrete Unterstützung für Mitarbeitende im Gesundheitswesen: Eine Transferarbeit aus unserem CAS Cloud & Platform Manager verbessert den internen KI-Bot der Schweizer Paraplegiker-Gruppe (SPG). Der Bot liefert geprüfte Antworten mit klaren Quellen und sicherem Datenschutz. Für diese Weiterentwicklung erhielten Dominik Brand und Daniel Rüegg den NextGen Leader Award.

Es ist zwei Uhr morgens im Schweizer Paraplegiker-Zentrum. Eine Pflegefachperson versorgt einen Patienten. Eine kurze Unsicherheit taucht auf: Welche interne Vorgabe gilt hier genau? Sie öffnet den SPG-Bot in Microsoft Teams auf dem Visitenwagen und spricht ihre Frage ein.

Sekunden später zeigt der Bot die passende interne Richtlinie – mit klarer Quellenangabe. Kein Scrollen im Qualitätsmanagementsystem QMS, kein Durchklicken durch das Intranet. Der Bot gibt ihr die Orientierung, die sie im Moment braucht.

Ein Bot aus der Praxis – für die Praxis

Die Mitarbeitenden in Pflege und Administration haben einen grossen Bedarf nach rascher, präziser Orientierung. In der Schweizer Paraplegiker-Gruppe liegen über 7’000 interne Dokumente für sie bereit.

Diese sind auf das QMS, das Intranet und die Lernplattform verteilt. Sie regeln Abläufe, Materialwahl, therapeutische Schritte und administrative Prozesse. Doch wo finden die Mitarbeitenden just die Info, die sie gerade benötigen?

Hier kommt der SPG-Bot zum Zuge: Er bündelt dieses Wissen und macht es direkt in Microsoft Teams zugänglich. Die Mitarbeitenden stellen ihre Frage in natürlicher Sprache – schriftlich oder mündlich. Er reagiert unter anderem auf Deutsch, Schweizerdeutsch, Englisch, Italienisch und Französisch. Der Bot zeigt ihnen die passende interne Vorgabe oder verlinkt das Originaldokument. Allein in den ersten zehn Monaten von 2025 führte er über 41’000 Konversationen.

2’500 Mitarbeitende in über 100 Berufen: Das leistet die SPG

Die Schweizer Paraplegiker-Gruppe unterstützt querschnittgelähmte Menschen mit einem ganzheitlichen und weltweit einzigartigen Leistungsnetz – von der Erstversorgung an der Unfallstelle oder der Diagnose einer Querschnittlähmung bis zur lebenslangen Begleitung.

Rund 2‘500 Mitarbeitende in über 100 Berufen engagieren sich für die Förderung der Selbstständigkeit und Wiedereingliederung querschnittgelähmter Menschen in ein aktives Leben. Die Gruppe umfasst neun Organisationen – darunter auch das Schweizer Paraplegiker-Zentrum. Die Organisationen werden alle zentral durch die Informatik betreut.

In diesem Beispiel verweist der SPG-Bot auf ein internes E-Learning-Angebot. Die Mitarbeitenden können auf verlässliche Quellenangaben zählen.

Präziser, klarer, verlässlicher: SPG-Bot 2.0

In ihrer Transferarbeit untersuchten die CAS-Teilnehmenden Dominik Brand und Daniel Rüegg ein bestehendes Vorläufer-System kritisch. Ihr Ziel: höhere Präzision, bessere Orientierung und ein ein verlässlicherer Zugriff auf internes Wissen. Die Transferarbeit trägt den Titel: «Wissenszugang mit Azure OpenAI im Gesundheitswesen: Akzeptanz, Architektur und Weiterentwicklung des SPG-Bots». Sie entstand im CAS Cloud and Platform Manager an der Hochschule Luzern – Informatik. Drei Verbesserungen standen im Zentrum:


1. Neue Index-Architektur

Jede Organisation der SPG besitzt eigene Inhalte.
Die neue Lösung trennt diese klar:

  • Sie nutzt eigene Storages,
  • erstellt eigene Indizes und
  • ordnet die Inhalte automatisch über Active Directory zu.

Das reduziert Vermischungen und erhöht die Relevanz der Antworten.

2. Semantisches Chunking

Chunking bedeutet, grosse oder komplexe Inhalte in kleine, gut erfassbare Teile zu zerlegen. Lange SPG-Dokumente wurden dafür in sinnvolle Textstücke geteilt. So erkennt der Bot den Kontext klarer. Semantisches Chunking verbessert die Passage-Selektion und reduziert Halluzinationen. Das erhöht die Genauigkeit der Antworten.

3. Feedback-Funktion

Nutzende bewerten Antworten mit Daumen hoch oder runter. Ihr Feedback durchläuft einen strukturierten Prozess. Bei einer negativen Bewertung wählen sie den Grund aus und können einen Kommentar abringen. Alle Rückmeldungen werden strukturiert gespeichert. Das Qualitätsmanagement der SPG wertet diese Rückmeldungen in Power BI aus, einem Microsoft-Programm für übersichtliche Datenauswertungen. So sehen die Zuständigen, welche Probleme häufiger auftreten und wo der Bot noch präziser werden muss. Die Inhalte und die Struktur lassen sich gezielt verbessern.

Dominik Brand fasst die Feedbacks so zusammen: «Die meisten Mitarbeitenden reagierten positiv. Sie sagen selbst: Der Bot ersetzt mich nicht. Er erleichtert meine Arbeit.» Auch werde die Mehrsprachigkeit des Bots sehr gut bewertet.

In der alten Architektur des SPG-Bots wurden Daten aus den anderen internen Systemen importiert und als Dokumente in einem gemeinsamen Blob Storage abgelegt. Ein einziger Index für alle Gesellschaften führte zu unklaren Abgrenzungen zwischen den Inhalten..
Mit einer neuen, modular aufgebauten Index-Architektur haben Daniel Rüegg und Dominik Brand die zentrale Infrastruktur des SPG-Bots optimiert.

Mehrwert im Gesundheitswesen

Die Relevanz dieser Arbeit zeigt sich in zwei Perspektiven. Sie verbindet technische Weiterentwicklung mit spürbarem Nutzen im klinischen Alltag. Der SPG-Bot zeigt, dass generative KI im Gesundheitswesen echten Mehrwert schafft, wenn sie sorgfältig eingebettet ist. Die Transferarbeit stärkt diese Balance im Umfeld der SPG und schärft sie dort nach, wo es nötig ist.

Fachliche Anerkennung: NextGen Leader Award würdigt die Transferarbeit

Die Weiterentwicklung des KI-Bots wurde mit dem NextGen Leader Award der Digital Veterans Association ausgezeichnet. Die DVA vernetzt Fachleute, die sich für zukunftsorientierte digitale Lösungen engagieren. Oliver Gilbert ist Vorstandsmitglied der DVA und Themenfeldverantwortlicher Weiterbildung an der Hochschule Luzern – Informatik. In seiner Laudatio an der Diplomfeier im Oktober 2025 betonte er die fachliche Tiefe der Transferarbeit.

Gilbert hob hervor, dass die CAS-Teilnehmenden ein bestehendes KI-System «auf eine neue Stufe» gebracht hätten: «Sie verbinden eine klare Architektur, methodische Weiterentwicklung und eine starke Orientierung am Alltag.»

Die Arbeit überzeugte die Jury durch:

  • Kreativität und Innovation,
  • gesellschaftliche Relevanz,
  • Marktnähe,
  • unternehmerisches Potenzial und
  • technische Tiefe.

Diese Qualität kam dank kombiniertem Fachwissen und «sehr gutem Teamwork» zustande, wie Brand und Rüegg beide sagen. «Wir kennen uns beruflich schon seit Jahren und wussten, worauf es ankommt», sagt Brand.

Gewinner des NextGen Leader Awards: Dominik Brand (links) und Daniel Rüegg (rechts) erhielten den Preis von Markus Dobbelfeld. Er ist Präsident des Vereins Digital Veterans Association (DVA) und Themenfeldverantwortlicher Weiterbildung Digital Transformation an der Hochschule Luzern.
Mehr über die Digital Veterans und den NextGen Leader Award

Der Verein Digital Veterans Association (DVA) unterstützt kommende digitale Führungskräfte. Er fördert den generationenübergreifenden Wissensaustausch im digitalen Wandel. Erfahrene Mitglieder – die sogenannten Digital Veterans – geben ihr Know-how an die nächste Generation weiter. Sie bilden damit einen Knotenpunkt für Erfahrung und Innovation.

Einmal jährlich vergibt die DVA den NextGen Leader Award an eine herausragende Transferarbeit aus den CAS-Programmen der Hochschule Luzern – Informatik. Die Auszeichnung wird jeweils im Oktober im Rahmen der Diplomfeiern der CAS-Absolventinnen und -Absolventen verliehen.

Was der Bot heute kann

Der SPG-Bot ist in Microsoft Teams integriert und nutzt ein GPT-5-Modell in Azure OpenAI. Er verarbeitet keine sensiblen Daten von Patientinnen und Patienten, da die Architektur rein dokumentenbasiert arbeitet, also nur interne Dokumente verwendet. Die Daten liegen in Schweizer Microsoft-Datacentern.

Die Nutzenden schätzen:

  • schnelle Orientierung,
  • klare Quellenangaben,
  • konsistente Antworten,
  • Mehrsprachigkeit,
  • weniger Suchaufwand und
  • Unterstützung ohne Zusatzbelastung.

Wie immer im Zusammenhang mit KI-Hilfen gilt es auch hier festzuhalten: Der Bot ersetzt keine Ausbildung und keine Erfahrung. Er trifft keine Entscheidungen. Er kann Menschen im Gesundheitswesen jedoch  klare, sichere Informationen geben.

Wie kann seine Glaubwürdigkeit gesichert werden? Co-Autor Daniel Rüegg hat im Rahmen dieser Transferarbeit die Feedbacks der Nutzenden analysiert. «Es ist sehr wichtig, dass der Bot nur Informationen ausgibt, die in einer internen SPG-Quelle belegt sind», so Rüegg.

Ein System, das wachsen kann

Der SPG-Bot entwickelt sich Schritt für Schritt zu einem festen Bestandteil des Wissensmanagements. «Er dient als ‘Single Point of Information’», so Brand. In IT-Prozessen versteht man darunter eine zentrale Wissensquelle, die eine verlässliche Datengrundlage sicherstellt.

Damit sein Potenzial sichtbar wird, braucht es laut der Transferarbeit von Brand und  Rüegg drei Dinge:

  1. eine klare technische Weiterentwicklung,
  2. stabile Strukturen in der Organisation,
  3. die laufende Schulung der Mitarbeitenden.

Erst die Verbindung dieser Elemente macht die Arbeit mit dem Bot wirksam.

Künftige Verbesserungen in der Patienten- und Angehörigenbegleitung

Mehrere Rückmeldungen aus dem Alltag zeigen: Auch die Angehörigen der Patientinnen und Patienten im Schweizer Paraplegiker-Zentrum haben oft viele Fragen. Ein eigener, sicherer Angehörigen-Bot könnte hier unterstützen. Brand betont, dass es dafür keine personenbezogenen Daten braucht. «Wenn allein die geprüften Informationen der SPG den Angehörigen in einem künftigen Bot zugänglich wären, wäre das bereits sehr hilfreich.»

Er treibt in der SPG die Entwicklung des Bots weiter. Bestehende Quellen werden fortlaufend überprüft und neue Quellen erschlossen. Denn die Antworten des Bots sind nur so gut wie die Qualität der zugrunde liegenden Dokumente. Die Feedbacks werden ausgewertet und einfache Schulungsangebote für Mitarbeitende weitergeführt.

Ein Modell für weitere Spitäler?

Der SPG-Bot könnte künftig auch als Modell für andere Gesundheitseinrichtungen dienen. Am Luzerner Kantonsspital wir bereits eine ähnliche Lösung eingesetzt. Co-Autor Daniel Rüegg beteiligt sich bei einem anderen externen Projekt. Denn: «Es wäre spannend zu sehen, ob ähnliche Bots auch in anderen Spitälern sinnvoll wären», sagt er.

Für das Applied AI Center der Hochschule Luzern – es ist das nationale Kompetenzzentrum für angewandte Künstliche Intelligenz – ist eine KI wie der SPG-Bot beispielhaft: KI-Experte Donnacha Daly sieht in kleinen, spezialisierten KI-Lösungen ein grosses Potenzial für Schweizer Unternehmen. Er ist überzeugt: «Künftig werden immer mehr kleine KI-Sprachmodelle ein klar abgegrenztes Problem lösen und den Arbeitsalltag spürbar erleichtern.»

Von: Gabriela Bonin
Veröffentlicht am 2. Dezember 2025

Wie genau funktionieren eigentlich diese Assistenzsysteme? Warum kommunizieren Chatbots immer natürlicher und persönlicher? Erfahre es hier in unserem Erklärvideo.
Dominik Brand
Dominik Brand
Daniel Rüegg
Daniel Rüegg

Von der Theorie zur Praxis – ein starkes Duo: Dominik Brand arbeitet als Business Engineer in der Informatik des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ). Im Team Business & Collaboration Services digitalisiert und automatisiert er bestehende Prozesse innerhalb der Schweizer Paraplegiker-Gruppe (SPG), um diese effizienter zu gestalten.

Rüegg und Brand kennen sich beruflich seit vielen Jahren. Da sie zeitgleich das gleiche CAS besuchten, schlossen sie sich für die Transferarbeit zusammen. Dabei übernahm Rüegg Recherchen, Abklärungen bei verschiedenen Berufsgruppen und die Feedback-Verarbeitung des SPG-Bots.

Brand, der intern auch Zugriff auf die SPG-Systeme hatte, kümmerte sich mehr um technische Fragen. «Die Inhalte aus dem CAS Cloud & Platform Manager haben mir viel gebracht», sagt Rüegg. «Zusammen mit den Impulsen aus Praxis und Forschung konnten wir unsere Idee deutlich weiterentwickeln.»

Der Weg zur Cloud-Kompetenz: Das CAS Cloud and Platform Manager vermittelt fachliches und methodisches Praxiswissen. Die CAS-Teilnehmenden lernen, wie sie die Auswahl, Implementierung und den Betrieb von Cloud-Lösungen kompetent begleiten.

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