Wie kommt man als Spitzensportler erfolgreich durchs Studium? Christian Klauenbösch, Wirtschaftsinformatik-Student und Olympiakader-Schütze gibt Tipps.
Was immer hilft – im Studium wie im Sport – sind Geduld und Toleranz. Ich versuche, nicht den Kopf zu verlieren und zu fluchen, wenn etwas nicht sofort funktioniert. Es ist besser, wenn ich ruhig bleibe, den Kopf durchlüfte, mich danach nochmals hinzusetze und weiterarbeite.
Es gibt Dinge, von denen ich überzeugt bin, dass sie mir später im Leben auch etwas nützen. Oft denke ich aber im ersten Moment: «Was soll ich jetzt damit anfangen?» Und doch muss ich mich damit auseinandersetzen. Manchmal dauert es ein halbes Jahr, bis ich den Sinn erkenne. In solchen Dingen bleibe ich trotzdem dran und versuche mit vollem Elan, das Optimum herauszuholen.Ich trainiere fast täglich. Da ist die Einstellung entscheidend. Jeden Tag muss ich mich neu motivieren, neu einbringen und wieder das Beste aus mir herausholen. Ich muss selber ins Training gehen, mich selber weiterentwickeln.
Ich habe zwar ein Team, das mich unterstützt und mir hilft, letztlich bin ich aber auf mich allein gestellt und muss es für mich selbst tun. Es ist wie ein Kampf mit sich selbst. Das ist extrem faszinierend und anspruchsvoll.
Ich schreibe hin und wieder in Viertelstunden-Schritten auf, was ich den ganzen Tag mache. Dabei wird sichtbar, wo ich Zeit vergeude, wo ich optimieren könnte, was einen Einfluss gehabt haben könnte, wo ich Muster erkenne und wo es Ähnlichkeiten gibt. Dieses Vorgehen ist natürlich auch auf viele andere Bereiche anwendbar. Optimieren funktioniert vor allem über Ausprobieren. Ich weiss beispielsweise, dass es für mich nicht entscheidend ist, ob ich um exakt 22 Uhr ins Bett gehe, damit ich vor einem Wettkampf mindestens acht Stunden Schlaf habe. Das weiss ich, weil ich es ausprobiert habe.
Beim Schiessen muss ich mich selber sehr gut kennen. Ich beschäftige mich die ganze Zeit mit meinem Körper und meinem Geist. Dabei lerne ich auch Details an mir kennen, die mir vorher gar nicht bewusst gewesen sind. Das ist vor allem wichtig, weil ich mich im Wettkampf selber gut unter Kontrolle haben muss, um meine optimale Leistung zu erbringen.
Im Studium verteile ich meine Energie auf alle Module, damit nichts zu kurz kommt. Es ist nicht entscheidend, überall eine Sechs zu haben. Das wäre zwar schön, erfordert allerdings einen unrealistisch hohen Einsatz. Es ist aber wichtig, dass ich für mich festlege, in welchem Fach ich welche Note anpeile. Diese sollte, wie jedes Ziel, erreichbar sein und 5% über dem liegen, was ich von mir erwarten kann, damit ich einen Ansporn habe. Und ich sollte auch wissen, wie ich dieses Ziel erreichen möchte und mir entsprechende Meilensteine setzen. In einem anspruchsvollen Modul, bei dem ich weiss, dass ich extrem viel lernen muss, mache ich mir früh einen Plan, wie ich vorgehen und worauf ich mich wann konzentrieren möchte. Nicht, dass ich ziel- und wahllos draufloslerne.
Ich arbeite mit einem Mentaltrainer. Dieses Jahr haben wir das Thema Zielsetzung intensiv bearbeitet, also wie man gute Meilensteine setzt, um seine Ziele zu erreichen. Dazu wende ich bestimmte Techniken wie Visualisieren oder autogenes Training an. Dadurch kann ich meine Leistung besser steuern und auch besser erbringen.
Strukturiertes Arbeiten ist mir wichtig. So kann ich die vorhandene Energie und Zeit sinnvoll aufteilen. Das habe ich gelernt, weil ich jede Woche viel trainiere und auch anderes los habe. Ich überlege mir Anfang Woche: «So viel Zeit habe ich, so viele Dinge muss ich erledigen» – und meistens habe ich mehr zu erledigen, als ich Zeit zur Verfügung habe. Dann fange ich an, Viertelstunden herauszustreichen und zu sagen: «Da ist jetzt die Priorität!» Es sollte nichts vergessen gehen, das ist wichtig. Ich muss am Schluss ja doch alles erledigen. Aber in einem Ausmass, in dem ich sagen kann: «Ich bin zufrieden mit dem Resultat und ich konnte alles machen, was mir wichtig ist». Es ist sehr wichtig, dass ich mich strukturiere, mir Gedanken mache und mich danach richte. Hilfreich ist auch ein «Gspänli», das für mich Unterrichtsmaterialien und Informationen sammelt, wenn ich aufgrund eines Wettkampfs oder Trainings etwas verpasse.
Mein Leben ist ein komplexer Ablauf zwischen Training, Regeneration und Studium. Ich muss alles sauber organisieren, den Tag strukturieren und mir bewusst Freizeit nehmen. Im letzten Semester zum Beispiel hatte ich am Montag keine Vorlesungen. Da habe ich mir gesagt: «Montag ist mein Sonntag», weil ich sowieso meistens Samstag/Sonntag Wettkampf habe. Am Montag habe ich wirklich gar nichts gemacht. Nichts fürs Studium, nichts für den Sport. Ich habe einen Tag lang «abgehängt». Das hilft mir sehr, am Dienstagmorgen wieder rauszugehen und Vollgas zu geben.
Im Studium gibt es Dinge, die ich immer wieder machen muss, ob es mir gefällt oder nicht. Der Vorteil, wenn ich Dinge wiederhole, lerne, anwende und ausprobiere ist, dass ich sie mir besser merken kann. Mein Ziel bei jeder Wiederholung ist, besser zu werden, immer eine minime Verbesserung zu machen. Am Anfang sind die Fortschritte teilweise immens, wirklich gut spür- und sichtbar. Ab einem gewissen Level ist der Fortschritt so klein, dass ich vielleicht alle paar Monate sagen kann: «Ich bin besser geworden». Wenn wir im Studium etwas angeschaut haben und ich in der Freizeit damit herumgespielt und ausprobiert habe, wusste ich auch ein halbes Jahr später noch, wie es funktioniert.
Einerseits merke ich selber, wo ich noch Potenzial habe. Andererseits brauche ich den Input von aussen, weil das eigene Empfinden manchmal nicht mit der Realität übereinstimmt. Dann ist es wichtig, dass ich Input von aussen zulasse. Jemand, der sagt: «Es ist nicht das, was du meinst. Die Ursache liegt anderswo». Manchmal bin ich selber etwas eingegrenzt und denke: «Das muss jetzt so gehen». Dann kommt ein Input von einem Dozenten. Ich überlege und merke: «Aha, das könnte man noch von einer ganz anderen Seite betrachten».
Das Ziel im Sport ist, dass alle Abläufe automatisiert sind und dafür braucht es extrem viele Wiederholungen. Je öfter ich wiederhole, desto präziser werden meine Bewegungen und desto besser merke ich die feinsten Unterschiede, wenn ich etwas anders mache. Ich kann das dann auch viel besser abrufen. Repetieren kann schon öde sein, damit muss man sich abfinden. Es hilft mir aber auch im Studium: Ich habe mehr Ausdauer, kann mehr Druck und Last ertragen. Ich erweitere meine Grenzen und habe keine Mühe, fünf Tage hintereinander 12 Stunden zu arbeiten. Das hilft gerade in Zeiten, in denen ich viele Projekte habe. Ich kann diese trotzdem gut oder sehr gut abarbeiten, obwohl noch viel Anderes los ist. Gerade Schiessen ist ein Sport, in dem Präzision entscheidend ist. Das präzise, saubere Arbeiten habe ich mir im Studium auch angewöhnt: Ich mache etwas und wenn ich nicht zufrieden bin, dann wiederhole ich es. Zum Beispiel einen Absatz zu löschen, den ich gerade geschrieben habe, um ihn neu zu formulieren.
Christian Klauenbösch studiert Wirtschaftsinformatik im 5. Semester und ist im Schweizer Olympia-Kader 25m Olympisches Schnellfeuer. Dafür trainiert er (fast) jeden Tag – bis zu 20 Stunden pro Woche.
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