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Ein Hoch auf neugiergetriebenes, projektbasiertes Lernen!

Ein Hoch auf neugiergetriebenes, projektbasiertes Lernen!
Raus aus dem Dozierenden-Alltag, rein ins didaktische Abenteuer: Ruedi Arnold besuchte während seines Sabbaticals die Code University in Berlin. V.l.n.r.: Thomas Bachem (Co-Gründer & Kanzler), Ruedi Arnold und Thomas Ekert (Head of Software Engineering).

Wie wäre es, eine Fachhochschule nach eigenen didaktischen Vorstellungen zu starten? Die Code University of Applied Sciences in Berlin hat genau dies gewagt. Prof. Dr. Ruedi Arnold hat die junge Bildungsinstitution während seines Sabbaticals besucht und berichtet von seinen Eindrücken.

Hier werden die digitalen Pionierinnen und Pioniere von morgen ausgebildet – So steht es zumindest auf der Website der Code University. Die Code, wie die private Hochschule auch genannt wird, wurde 2017 von drei jungen Männern gegründet und hebt sich vor allem durch ein relativ radikal anderes didaktisches Konzept von klassischen Fachhochschulen ab: Gelernt wird primär in individuellen Team-Projekten, die einzelnen Teams werden in Mentoring-Sessionen gecoached. Grund genug für mich, mir die Code während zwei Wochen mal genauer anzuschauen.

Untergebracht ist die Hochschule im trendigen Coworking Space der Factory Berlin, welche sich in alten Industriebauten neben dem Görlitzer Park befindet. Die Atmosphäre ist international, kommuniziert wird nur auf Englisch. Die aktuell 220 Studierenden stammen aus 43 Ländern – Diversität gehört zu den wichtigen Grundwerten und der Campus fühlt sich entsprechend offen und freundlich-einladend an.

Frontalunterricht ist die Ausnahme

Zur Auswahl stehen drei Bachelor-Studiengänge: Software Engineering, Interaction Design und Product Management. Für die Studienrichtungen gibt es wöchentliche «Gilden», das sind Treffen an welchen wichtige Konzepte unterrichtet bzw. oft eher angeschnitten werden. Für das eigentliche Lernen sind die Studierenden sehr stark selbstverantwortlich und klassische Vorlesungen gibt es nur wenige. Die Überprüfung der Kompetenzen findet in individuellen mündlichen Assessments statt, wo die Studierenden ihre Kompetenzen anhand ihrer Arbeiten in den Projekten zeigen.

Wer hier studieren will, muss sich beweisen

Ich durfte auch an zwei «Admission Days» dabei sein. Das sind die letzten zwei intensiven Tage des bereits davor ziemlich aufwendigen, vierstufigen Aufnahmeverfahrens. Da das Lernen sehr stark selbstbestimmt und eigenverantwortlich geschieht, wird grossen Wert darauf gelegt, dass Studierende zur Code (sprich den hier gelebten Werten und didaktischen Modellen) passen und umgekehrt. Während zwei langen Tagen lösten 14 junge Bewerber aus aller Welt (in der Tat waren alles Männer – der Frauenanteil bei den Studierenden liegt für mich eher überraschend bei bescheidenen rund 20 Prozent) diverse Aufgaben und es fanden individuelle Interviews statt.

Da die Code offen und dynamisch funktioniert, konnte ich spontan zwei Workshops anbieten und etwas von meiner Expertise einbringen. Konkret habe ich einen vierteiligen Workshop zu iOS-Programmierung gehalten, sowie einen intensiven und reich befrachteten Workshop zu verschiedenen Programmier-Paradigmen. Bei Letzerem ging es vor allem um die Unterscheidung von imperativer und deklarativer Programmierung.

«Klassische Noten gibt es an der Code University nur für die Bachelor-Arbeit»

Ruedi Arnold

Natürlich gibt es diverse weitere erwähnenswerte Aspekte. Beispielsweise das Bezahlmodell und das Bewertungsmuster: Studiengebühren können entweder monatlich oder, basierend auf dem aktuellen Einkommen, später bzw. nach dem Studium über eine Art Generationenvertrag der Chancen eG bezahlt werden. Klassische Noten gibt es nur für die Bachelor-Arbeit, weil dies für die staatliche Anerkennung notwendig ist. Während dem Studium werden alle Leistungen nach einer simplen vierstufigen Skala bewertet.

Studieren wie im Start-up

Insgesamt war ich sehr angetan von der Start-up-Atmosphäre und der Aufbruch-Stimmung an der Code. Der radikal gelebte Ansatz von «curiosity-driven education» und «project-based learning» gefällt mir sehr und scheint mir vielversprechend umgesetzt.

Persönlich bin ich überzeugt von selbstgesteuertem Lernen sowie beziehungsorientiertem Unterricht (Lernende sind individuelle Subjekte und keine Objekte!) ganz im Geiste von zeitgenössischen Pädagogik-Koryphäen wie Remo Largo, Jesper Juul oder Gerald Hüther. Und ich hoffe, dass sich immer mehr auch öffentliche Bildungsinstitutionen wahrnehmbar in diese Richtung bewegen.

«Es bleibt spannend zu verfolgen, wie es weitergeht und wie die kommenden Herausforderungen (Wachstum, Skalierung, Master-Programm, Forschung, usw.) gelöst werden»

Ruedi Arnold

Die Code ist auf jeden Fall ein sehr interessantes Experiment. Es bleibt sicher spannend zu verfolgen, wie es weitergeht und wie die kommenden Herausforderungen (Wachstum, Skalierung, Master-Programm, Forschung, usw.) gelöst werden sowie natürlich, wie die Absolvierenden vom Arbeitsmarkt aufgenommen werden. Ich wünsche der Code University auf jeden Fall gutes Gelingen und viel Glück!

Ein bisschen Chaos und viel Dynamik

Wie erwartet bzw. erhofft, durfte ich zwei inspirierende Wochen an der Code – dieser anregenden und offenen Atmosphäre mit ein bisschen Chaos und viel Dynamik – verbringen. Ich bedanke mich beim ganzen Team für die unkomplizierte Gastfreundschaft und die spannenden Gespräche. Ein besonderer Dank gilt Thomas Ekert, der meinen Besuch ermöglicht hat.

Nun freue ich mich, diese Erfahrungen weiter auf mich wirken zu lassen und nach Möglichkeit in meine Tätigkeiten einfliessen zu lassen – wir bilden an der Hochschule Luzern – Informatik ja ebenfalls digitale Pionierinnen und Pioniere aus. Und auf meinem MacBook prangt jetzt ein neuer Aufkleber mit dem Code-Slogan «Learning is productive Failing».

Ruedi Arnold und Jonathan Rüth (Co-Gründer & COO) beim Mittagessen am Admission Day.

Ruedi Arnold und Manuel Dolderer (Co-Gründer & Präsident) beim diskutieren.

Berliner Abendstimmung fotografiert vom Code-Campus aus.

Aufenthaltsbereich auf dem Code-Campus.

Zwei Teilnehmer präsentieren ihr App-Design in meinem iOS-Programmier-Workshop.

Arbeits- und Aufenthaltsbereich auf dem Code-Campus.

Derartige Poster wünsche ich mir für den Neubau der Hochschule Luzern – Informatik

Die Code University befindet sich aktuell im vierten Stock der Factory Berlin beim Görlitzer Park.

Der neue Aufkleber auf meinem MacBook.

Der Informatik-Dozent Prof. Dr. Ruedi Arnold berichtet hier von seinem zweiwöchigen Besuch an der Code University während seines Sabbaticals im Frühlingssemester 2019.

Studieren an der Hochschule Luzern – Informatik

Auch die Hochschule Luzern – Informatik bildet digitale Pionierinnen und Pioniere aus. Semester-Start ist je nach Studium jeweils im September und/oder im Februar.

Eigene Apps entwickeln? Fachkurs App-Entwicklung für iOS

Die Teilnehmenden des Fachkurses App-Entwicklung für iOS lernen, selber Applikationen fürs iOS in Swift zu implementieren.

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Kommentare

2 Kommentare

Hofstetter

Interessanter Einblick in ein spannendes Projekt. Wäre an näheren Infos zur Bewertung nach der "simplen vierstufigen Skala" interessiert. Jörg Hofstetter

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Ruedi Arnold

Vielen Dank für die Blumen. So wie ich das mitbekommen habe, sind die vier Stufen ca. wie folgt definiert: 0 - Nicht bestanden 1 - (knapp) bestanden 2 - gut bestanden 3 - top! Doz-Niveau, könnte dieses Modul unterrichten, wird rel. selten vergeben Reicht Dir das als Antwort? Oder soll ich genauer nachfragen, bzw. Dir entsprechende Kontakt zukommen lassen?

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