By Ueli Grüter
Agile Projekte versprechen eine schnelle, flexible Produktentwicklung. Aber Achtung: Wer juristisch nicht vorsorgt, der riskiert Ärger, Kostenfiasko oder gar Gerichtsfälle. Beachten Sie daher vor dem Start eines agilen Projekts diese zehn Empfehlungen.
Immer mehr digitale Projekte werden «agil» organisiert. Dabei zielen die kooperierenden Partner auf eine schnelle, flexible Produkteentwicklung ab. Sie lassen sich auf eine rollende Planung ein und teilen ihr Projekt in viele kleine Teilprojekte, sogenannte «Sprints», auf. Teilresultate der Entwicklung kommen dabei laufend in den produktiven Einsatz.
Stolpersteine in der Kommunikation und Kooperation
Es ist daher notwendig, dass die beteiligten Partner eng kooperieren und kommunizieren. Dabei kann einiges schiefgehen. Treffen Sie daher frühzeitig Massnahmen, um Konflikte möglichst zu vermeiden. Die folgenden Probleme können sich bei agilen Projekten als Stolpersteine in den Weg stellen:
- Mangelndes Bewusstsein für die Organisationsform: Oft sind sich die Projektpartner nicht wirklich bewusst, dass sie Teil eines agilen Projektes sind; der Übergang von «fix» zu «agil» kann fliessend sein. Den Beteiligten entgehen daher auch damit zusammenhängende juristische Problemstellungen.
- Ungenügenddefinierte Ziele: Immer wieder unterlassen es die beteiligten Partner, die angestrebten Dienstleistungen und Resultate klar zu definieren.
- Verwischte, unklare Verantwortlichkeiten: Auftragnehmende und Auftraggebende arbeiten eng zusammen. Ihre Aufgaben lassen sich zuweilen nicht mehr voneinander abgrenzen; ihre Verantwortlichkeiten überschneiden und verwischen sich.
- Rechtlich heikler Personalverleih: Enge Kooperationen können zu unklaren arbeitsrechtlichen Verhältnissen führen, insbesondere zu Personalverleih. Dieser ist unter bestimmten Bedingungen bewilligungspflichtig. Bei Missachtung drohen Straffolgen.
- Nichtdefinierte Finanzierung: Ein rollend geplantes Projekt mag sinnvoll sein – Vorsicht aber vor einer rollenden Finanzierung! Spätestens wenn diese aus dem Ruder läuft, kommt es zum Knatsch.
Ärger vermeiden – dank diesen Empfehlungen
Halten Sie juristische Auseinandersetzungen so gering wie möglich. Sorgen Sie vor, indem Sie die folgenden zehn Punkte beachten:
- Projektmethode bestimmen: Erledigen Sie dies gleich zu Beginn des Projekts zusammen mit den beteiligten Partnern.
- Übergeordnetes Projektziel beschreiben: Selbst wenn sich die Projektziele laufend entwickeln, sollten Sie im Vertrag mindestens ein übergeordnetes Ziel festhalten – auch wenn es noch wenig konkret ist.
- Projektorganisation und -führung festlegen: Bestimmen Sie, wer welche Rolle im Projekt übernimmt. Bei der Projektmethode «Scrum» legen Sie fest, wer Product Owner ist, wer zum Entwicklungsteam gehört und wer die Rolle des Scrum Masters übernimmt.
- Zusammenarbeit und Kommunikation klären: Legen Sie im Vertrag fest, wer mit wem zusammenarbeitet und wie die jeweiligen Partner kommunizieren sollen. Dazu gehört auch die Mitwirkungspflicht des Auftraggebers – sofern es diesen im herkömmlichen Verständnis überhaupt gibt.
- Für Protokolle oder Reports sorgen: Vorsicht vor «Management by E-Mail»! Nach einer Flut von E-Mails kann man Projektschritte, -änderungen oder -resultate nicht mehr sauber nachvollziehen. Bestehen Sie daher auf Protokollen und Reports. So können alle Beteiligten ihre Pendenzen systematisch abarbeiten, protokollieren und rapportieren. Übrigens lohnt sich trotz des schnellen, flexiblen Entwickelns auch die Erstellung von Dokumentationen.
- Verantwortlichkeiten bestimmen: Beharren Sie auf einer klaren Abgrenzung der Verantwortlichkeiten in der Zusammenarbeit, Kommunikation, Projektorganisation und -führung. Nur so können Sie später eruieren, wer für allfällige Mängel oder Schäden haftet.
- Teil-Abnahmen einplanen: Auch bei einer agilen Projektentwicklung dürfen Zeitpunkt und Verbindlichkeit von Abnahmen nicht fehlen. Achten Sie darauf, dass allenfalls mangelhafte Projekt-Teilresultate aufgearbeitet werden. Haben Sie ein Auge darauf, dass diese nicht einfach in neue Projektschritte übernommen werden – ansonsten können sich die Probleme akkumulieren, bis das Projekt aus dem Ruder läuft.
- Finanzierung definieren: Erstellen Sie ein eindeutiges Preismodell.Pauschalpreis, Kostendach oder Verrechnung nach Aufwand? Das muss allen Beteiligten vor Projektstart klar sein. Verbinden Sie Zahlungen mit eindeutig erreichten Zwischenetappen. Oft ist aus juristischer Sicht nicht nachvollziehbar, welche Leistungen bezahlt wurden. Die Folge: Preisminderungen und Schadenersatzforderungen können nur sehr schwierig berechnet werden.
- Striktes Controlling durchsetzen: Agile Projekte tendieren zu «Laissez-faire»-Management. Das kann fatale Folgen haben. Setzen Sie auf Controlling, unter anderem mit Vereinbarungen von Zwischenzielen («Sprints»).
- Weitsicht beweisen mit vordefiniertem Eskalationsverfahren: Sollten schwere Konflikte auftauchen, so vermeiden Sie auf jeden Fall den Gang an ein staatliches Gericht! Das kann zu enormen Kosten, dem Stillstand oder gar dem Scheitern des Projektes führen. Bestimmen Sie daher schon zu Beginn des Projekts, wie Sie mit Projektänderungen und Meinungsverschiedenheiten umgehen wollen. Sehen Sie dafür unter anderem ein internes und externes Eskalationsverfahren vor (unter anderem Mediation, Schiedsgericht). Diese Präventionsarbeit lohnt sich denn in vielen agilen Projekten sitzen die Projektpartner nicht nur im selben Boot, sondern im selben U-Boot – soll bloss keiner eine Luke öffnen!
Eine ausführliche Version dieser Empfehlungen sowie vertiefte Hinweise finden Sie auf dem Blog «Juristenfutter».
Veröffentlicht: 21.2.2020
Digitaler Brückenbauer: Ueli Grüter, LL.M., ist Rechtsanwalt und Dozent an der Hochschule Luzern. Dort leitet er unter anderem die Fachkurse im Bereich Digital Law & Legal Tech. Ueli Grüter bloggt auf www.digilaw.ch und www.juristenfutter.ch.
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