By Yasmin Billeter
Die Schweizer Immobilienbranche hat den Start der Digitalisierung etwas verschlafen. «Die USA oder Deutschland sind schon viel weiter», sagt Samir Boussaha. Doch es geht voran: Vor allem Start-ups, sogenannte Proptechs (Kurzform der englischen Wortkombination Property Technology), nutzen die neuen Technologien, um die Branche zu digitalisieren.
Auch der wissenschaftliche Mitarbeiter ist mit einem Proptech am Start: Zusammen mit seinem ehemaligen Studienkollegen aus dem Master Wirtschaftsinformatik Nahuel Allou und dessen Cousin Fabian Frischherz gründete er vor einem Jahr DigiProp. Mit ihrem Start-up entwickeln die Freunde die Webanwendung «REtool Broker», welche alle relevanten Daten eines Grundstückes auf Knopfdruck bereitstellt und sind damit Teil der wachsenden Szene – Über 200 Schweizer Proptechs gibt es laut einer Studie der Credit Suisse bereits.
«Aktuell ist ein Run und neben Start-ups sind auch grössere Unternehmen aktiv»,
«Aktuell ist ein Run und neben Start-ups sind auch grössere Unternehmen aktiv», bestätigt Boussaha. Alle bieten digitale Services oder Produkte, die an verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungskette ansetzen: Soft- und Hardwarelösungen zur Optimierung von Prozessen, intelligente Informations- und Kommunikationssysteme oder auch plattformbasierte Geschäftsmodelle. «Es gibt coole Produkte. Oft werden diese mit Hype-Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Machine Learning beworben und sind für kleinere Firmen nicht erschwinglich.»
Vieles ist auch noch Wunschdenken: «Ein Objekt fotografieren und die Maschine den Preis ausspucken lassen, ist technisch eine Herausforderung und Stand heute noch nicht möglich», erklärt Boussaha. Die Schweizer Immobilienbranche lebe immer noch von Expertenwissen. «Wie ein Preis zustande kommt, ist oft nicht nachvollziehbar und man verlässt sich eher auf Menschen als auf Tools».
Neue Webanwendung unterstützt die Immobilienmakler
Mit DigiProp tüftelten Boussaha und seine Partner anfangs an einer Anwendung, die Grossunternehmen helfen sollte, Investitions-Objekte zu finden und zu evaluieren. Anhand der Kunden-Feedbacks änderten sie jedoch die Strategie und entwickelten die Webanwendung «REtool Broker», die Maklerinnen und Makler unterstützen soll: «Mit REtool Broker stehen alle Daten zur Lage und dem Standort einer Immobilie auf Knopfdruck zur Verfügung», sagt Boussaha. Das spart Zeit und Factsheets können als interaktive und gelayoutete Microsites mit Dritten geteilt werden.
«Ein Start-up ist ein Marathon»
«Jegliche abgebildeten Graphiken und Tabellen sind dabei exportierbar und können durch die Maklerinnen und Makler auch anderweitig genutzt werden», sagt Boussaha. Zusätzlich können die Aktivitäten der Interessenten (potenzielle Käufer der Immobilien) getrackt werden, was den Maklerinnen und Maklern einen Informationsvorsprung in den Verkaufsverhandlungen mit den Interessenten verschafft. Bezahlen müssen sie dabei nur, was sie an Daten effektiv genutzt haben.
Der REtool Broker in Action
Erschwerter Start in der Corona-Krise
Nachdem zwei Immobilien-Firmen den REtool Broker in der Pilotphase getestet haben, war der Go-Live im März 2020 – mitten in der Corona-Krise. «Wir haben viele Termine vereinbart und wurden von der Pandemie gebremst», sagt Boussaha. Ob sie von der Krise, die zeigt, wie wichtig die Digitalisierung ist, profitieren, wird sich zeigen. «Momentan verzichten wir auf einen Lohn und arbeiten Teilzeit. Wir sind zufrieden, müssen aber an der Verkaufsstrategie feilen.» Dazu geben sie auch eine Projektarbeit bei Studierenden der Hochschule Luzern auf.
Die Studie der Credit Suisse hält fest: Es lässt sich noch nicht sagen, ob die Proptech-Branche autonom bleiben oder nach und nach im Immobiliensektor aufgehen wird. Für Samir Boussaha ist klar: «Ein Startup ist ein Marathon und kein Sprint. Vor allem wenn du nicht Google bist oder mit revolutionären Technologien wie Blockchain arbeitest, sondern einfach etwas anbietest, das hilft.»
«Das macht dich zwar nicht zum Millionär, gibt dir aber ein gutes Gefühl.»
Mit der richtigen Einstellung aber läuft’s: «Das Gute an einem Start-up ist, dass man enorm viel lernt», sagt Samir Boussaha. Von der Gründung über die Neuentwicklung bis zur Präsentation der Idee: «Das macht dich zwar nicht zum Millionär, gibt dir aber ein gutes Gefühl.»
Zur Serie «Mitarbeitende mit Doppelleben»: Hier zeigen wir Mitarbeitende mit aussergewöhnlichen Hobbys oder Berufen.
Zur Person: Samir Boussaha arbeitet 60 Prozent an der Hochschule Luzern – Informatik als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Mit Mitgründer Nahuel Allou besuchte er zuvor den Bachelor sowie Master in Wirtschaftsinformatik. Für das Start-up investiert er zu Spitzenzeiten 50 bis 60 Stellenprozente. Früher war er Fussballer beim FC Luzern. Der Teamgedanke kommt ihm heute noch zu Gute: «Wir wollen zusammen zum Erfolg kommen.»
Coaching dank Smart-up-Programm: Als Mitglied von Smart-up konnte DigiProp bei der Firmengründung profitieren. Smart-up hat zum Ziel, Studierende und Mitarbeitende zu motivieren und zu befähigen, ihre Geschäftsideen umzusetzen. Es will sie auf dem Weg in die Selbstständigkeit begleiten und bietet Unterstützung in Form von individuellem Coaching, Infrastruktur und Matching mit anderen Studierenden und externen Stakeholdern sowie Workshops und Events. Zudem ist es über das Programm möglich, Arbeiten für sein eigenes Start-up im Studium anrechnen zu lassen.
Einstieg in die IT-Welt: Das Departement Informatik der Hochschule Luzern bietet Bachelor-Studiengänge in Artificial Intelligence & Machine Learning, Digital Ideation, Informatik, Information & Cyber Security, International IT Management und Wirtschaftsinformatik an. Im Master-Studium vertiefen Studierende die Bereiche Informatik oder Wirtschaftsinformatik.
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