Forschung & Dienstleistung

Virtuelle Schwarzarbeit und ihre Auswirkungen

Virtuelle Schwarzarbeit und ihre Auswirkungen
Flexibel im Homeoffice arbeiten: Mit Plattform-Arbeit ist das möglich. Allerdings sind viele Plattform-Arbeitende nicht genügend versichert und leisten zu wenig Altersvorsorge. (Bildquelle: Unsplash)

Immer mehr Menschen erzielen ihr Einkommen über Online-Plattformen. Dabei arbeiten viele Beteiligte schwarz. Ein interdisziplinäres Fachteam der Hochschule Luzern hat untersucht, welche Hürden die Plattformen gegen die Schwarzarbeit errichtet haben. Unsere Expertin Ute Klotz erklärt, was virtuelle Schwarzarbeit bewirkt und was  Fair-Croud-Work-Initiativen ändern.  

Von Gabriela Bonin

Die Plattform-Ökonomie ist eine der weltweit am schnellsten wachsenden Bereiche in der Wirtschaft. Sie bietet vielen Plattform-Arbeitenden die Möglichkeit, ihre Arbeit flexibel und ortsunabhängig auszuführen. Unter Plattform-Arbeit versteht man Dienstleistungen, die über webbasierte Plattformen vermittelt oder erbracht werden. Die Grenzen zwischen Online- und Offline-Arbeit verlaufen dabei fliessend.

Welche Konsequenzen hat dies für die Plattform-Arbeitenden und die Gesellschaft? Das untersuchte ein interdisziplinäres Team der Hochschule Luzern unter der Projektleitung von Sheron Baumann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Departement Wirtschaft.

Die Plattform-Ökonomie ist einer der weltweit am schnellsten wachsenden Bereiche der Wirtschaft.

Mitgearbeitet haben Manuela Eder und Armin Sehrer vom Departement Soziale Arbeit sowie Ute Klotz vom Informatik-Departement. Sie haben ihre Forschungsarbeit vor Kurzem im unabhängigen Wissenschaftsverlag de Gruyter veröffentlicht. Ihr Titel: Die Rolle der Online-Arbeitsplattformen bei der Wegbereitung und Verhinderung von virtueller Schwarzarbeit.

Zusammenfassung der Forschungsarbeit

Die Plattform-Ökonomie ist in der jüngsten Vergangenheit stark gewachsen. Sie ist einer der weltweit am schnellsten wachsenden Bereiche der Wirtschaft und ermöglicht unter anderem gut ausgebildeten Cloud-Arbeitenden, grenzüberschreitend Aufträge online zu bearbeiten und so ein Einkommen zu erzielen. Diese agieren dabei als Selbstständige und werden nicht automatisch durch die nationalen Systeme der Einkommenssteuern und Sozialabgaben erfasst. Durch bewusstes oder unbewusstes Unterlassen der entsprechenden Deklarationen und Zahlungen machen sich Cloudworker jedoch der Schwarzarbeit schuldig.

Dieser Beitrag untersucht für ein Sample von 47 internationalen Online-Arbeitsplattformen, ob und wie sie auftragnehmende Cloud-Arbeitende bei der Einhaltung von Steuer- und Sozialversicherungsvorschriften unterstützen. Während sich zahlreiche Online-Arbeitsplattformen bemühen, Schwarzarbeit zu verhindern, unternehmen rund vierzig Prozent von ihnen keine Anstrengungen dieser Art.

Lesen Sie hier dazu unser Interview mit Ute Klotz:

Frau Klotz, zu Beginn Ihrer Arbeit stand nicht die Schwarzarbeit im Vordergrund, sondern die Situation der Plattform-Arbeitenden. Sie bezeichnen diese als prekär. Warum?

Wer schwarz arbeitet, bezahlt keine Sozialabgaben. Diese Personen sind nicht gegen Krankheit und Arbeitslosigkeit versichert. Sie leisten keine berufliche Altersvorsorge und sind im Ernstfall nicht ausreichend versichert. Sie haben ein erhöhtes Risiko für Altersarmut.

Virtuelle Schwarzarbeitende erledigen oft kleine Aufträge. Für viele Betroffene ist es zu aufwändig, ihre Arbeit korrekt zu deklarieren und abzurechnen. Wie liesse sich das ändern?

Der Staat weiss nicht genau, wer virtuelle Schwarzarbeit leistet. Wir konnten dem Staatssekretariat für Wirtschaft SECO mit unserer Untersuchung indes einige Hinweise geben. Das SECO ist die zuständige Aufsichtsbehörde des Bundes für den Vollzug des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit. Dieses verpflichtet die Kantone dazu, ein Kontrollorgan zur Bekämpfung der Schwarzarbeit einzurichten.

Eine mögliche Massnahme könnte zum Beispiel sein, dass man es Plattform-Arbeitenden vereinfacht, sich bei Sozialversicherungen anzumelden. Oder dass man ihnen ermöglicht, Pauschalen zu entrichten. Hilfreich wären auch Freibeträge, die nicht deklariert werden müssen.

Schwarzarbeit wird oft noch als Kavaliersdelikt angesehen.

Ute Klotz

Gemäss Ihrer Untersuchung unternimmt ein grosser Anteil der Plattformen keinerlei Anstrengungen, um Selbstständige auf ihre Pflichten aufmerksam zu machen oder sie gar bei deren Erfüllung zu unterstützen. Warum ist das so?

Schwarzarbeit wird oft noch als Kavaliersdelikt angesehen. Wir haben 47 Online-Arbeitsplattformen daraufhin untersucht, ob diese Steuer- und Sozialversicherungsvorschriften unterstützen. Vierzig Prozent unternehmen nichts, um Schwarzarbeit zu verhindern. Die Behörden tun sich schwer mit Regulierungen. Denn eigentlich will der Staat die Arbeit fördern. Es geht um ein Abwägen: Wie viel Arbeit will man regulieren, wie viel einfach so zulassen?

Es werden noch viele Anstrengungen nötig sein, um ein Umdenken bei Plattformen und ihren Dienstleistenden zu erzielen. Ein Lösungsansatz könnte darin liegen, dass man die Plattformen auffordert, die Daten herauszugeben. Sie verfügen über Transaktionsdaten, haben bislang aber keine Pflicht, gegenüber Behörden Auskunft zu geben oder Arbeitsverhältnisse zu melden.

Nicht alle Plattform-Arbeitenden verdienen schlecht. Es gibt auch Gutverdienende. Was bedeutet es, wenn sie schwarzarbeiten?

Wer gut verdient, kann selbst vorsorgen und freiwillig fürs Alter oder für Notzeiten sparen. Ob das getan wird, ist aber nicht sicher. Virtuelle Schwarzarbeit kann bei den Sozialversicherungen daher zu Mindereinnahmen führen. In der Schweiz dürften rund 7’000 bis 10’000 Personen als relativ gut bezahlte Gig- oder Cloudworker auf entsprechenden Plattformen tätig sein.

Die Plattform-Dienstleistenden in der Schweiz wissen zu wenig über ihre Steuer- und Sozialversicherungspflichten.

Ute Klotz

Dem Staat entgehen Steuereinnahmen, wenn Schwarzarbeitende ihre Einkommen nicht versteuern. Die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK schätzt, dass sich die Umsätze von Plattform-Dienstleistenden, welche in der Schweiz steuer- und sozialversicherungspflichtig sind, im tiefen bis mittleren einstelligen Milliardenbereich bewegen.

Die Eidgenössische Finanzkontrolle hat dazu eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Diese zeigt, dass die Plattform-Dienstleistenden in der Schweiz zu wenig über ihre Steuer- und Sozialversicherungspflichten wissen.

Wie begegnen Behörden dieser Problematik?

Es gibt bislang wenig belastbare Zahlen zur virtuellen Schwarzarbeit. In der Praxis ist die Einordnung als (Solo-)Selbstständige, Angestellte oder Schwarzarbeitende oft schwierig und fliessend. Wie viele Plattformen Tätigkeiten anbieten oder vermitteln, ist unbekannt. Ebenso ist nicht bekannt, wie viel Einnahmen Plattform-Dienstleistende damit erzielen. Viele Arbeitende erledigen ihre Arbeit von zu Hause aus. Kontrollen des Steueramtes in der privaten Wohnung wären nur in schwerwiegenden Fällen denkbar. Wirklich weiter kommt man in dieser Frage nur via die Plattformen selbst.

Wie liessen sich Plattformen zu mehr Engagement bewegen?

Verschiedene Fair-Crowd-Work-Initiativen von Gewerkschaften und Plattform-Beschäftigten bemühen sich darum, die Arbeitsbedingungen auf den Plattformen zu verbessern. Sie bewirken zum Beispiel, dass Plattformen ihre Arbeiterinnen und Arbeiter freiwillig über die nötigen Formalitäten und Abgaben informieren und sie dabei unterstützen. Das dient auch ihrer Imagepflege.

Mehr über Fair Crowd Work

Fair Crowd Work sammelt Informationen über Crowd-, App- und plattformbasierte Arbeit aus der Perspektive der Plattform-Beschäftigten und Gewerkschaften. Unter anderem bietet die Seite Plattform-Profile und -Bewertungen an, die aus Befragungen unter Plattform-Beschäftigten zusammengestellt wurden.

Betrieben wird die Seite durch eine Partnerschaft zwischen IG Metall, Arbeiterkammer Wien, ÖGB (beide Österreich) und Unionen (Schweden) in Zusammenarbeit mit Encountering Tech und M&L Communication Marketing GmbH.

Diese Initiativen beschränken sich aber auf einige wenige deutsche Plattformen. Online-Plattformen bieten überall auf der Welt grenzüberschreitend Arbeit an. Einzelne Staaten allein können die virtuelle Schwarzarbeit nicht angehen.

Darum gehen gewisse Staaten gemeinsam vor. Auf EU-Ebene ist da schon einiges im Gange, insbesondere Frankreich geht voran. Es hat auf der Basis seines Gesetzes für eine digitale Republik («Lemaire-Gesetz») im Herbst 2018 sein Steuergesetz angepasst, um spezielle Meldepflichten für Plattformen einzuführen. In Frankreich müssen die Plattformen dem Staat die Steuernummern melden. Somit weiss der Staat, dass ein Einkommen erzielt wurde und kann entsprechend besteuern. Seit Januar 2023 gelten auch neue Vorschriften in der EU.

Was hat Sie bei der Untersuchung am meisten überrascht?

Positiv überrascht hat mich, dass es doch etliche Plattformen gibt, die sich mit der Thematik bereits eingehend auseinandergesetzt haben. Sie verlangen von ihren Arbeitenden zum Bespiel eine Steuernummer. Bei ihnen ist die Nutzung für Selbstständige nur möglich, wenn sie die Anmeldung ihrer Selbstständigkeit bescheinigen können oder wenn sie ihre Steuernummer angeben.

Veröffentlicht am 9. Juni 2023

Ute Klotz
Ute Klotz

Erforscht die Zukunft der Arbeit: Ute Klotz ist Dozentin und Forscherin an der Hochschule Luzern – Informatik. Klotz ist dort Co-Leiterin der Fokusgruppe «Technologien für die digitalisierte Arbeitsumgebung der Zukunft» im interdisziplinären Themencluster «Digitale Transformation der Arbeitswelt». Sie beschäftigt sich mit Zukunftsstudien und den Schnittstellen zwischen Mensch, Arbeit und Technik.

Interdisziplinäre Untersuchung: Die Rolle der Online-Arbeitsplattformen bei der Wegbereitung und Verhinderung von virtueller Schwarzarbeit: Unter diesem Titel untersuchte ein interdisziplinäres Projektteam der Hochschule Luzern 47 Plattformen. Initiiert und geleitet wurde die Untersuchung von Sheron Baumann vom Institut für Betriebs- und Regionalökonomie IBR am Departement Wirtschaft. Beteiligt waren auch Manuela Eder und Armin Sehrer vom Departement Soziale Arbeit Ute Klotz  vom Departement Informatik.

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